Bundesweit fehlen über 500.000 Ganztagsplätze an Grundschulen

In Nordrhein-Westfalen und Bayern fehlen die meisten Ganztagsplätze für Grundschulkinder

529.000 Ganztagsplätze fehlten im Jahr 2022 an deutschen Grundschulen. Das zeigen neue IW-Berechnungen auf Basis von Zahlen des Bundesfamilienministeriums und der Kultusministerkonferenz. So hatten im vergangenen Jahr 73 Prozent der Eltern eines Kinds im Grundschulalter Bedarf für eine Ganztagsbetreuung. Auf diese etwa 2,2 Millionen Kinder kamen im gleichen Schuljahr allerdings nur rund 1,7 Millionen Ganztagsplätze – mehr als jedes sechste Kind ging leer aus.

Hamburg ist am besten aufgestellt

Besonders groß ist die Lücke mit 152.000 Plätzen in Nordrhein-Westfalen und mit 104.000 Plätzen in Bayern. Die größte relative Lücke gibt es in Schleswig-Holstein, hier müsste die Zahl der Plätze um 73 Prozent steigen. Am besten aufgestellt ist Hamburg: Hier bekommen alle Kinder einen Platz, den Anspruch auf Ganztag gibt es in der Hansestadt bereits.

Erst vor zwei Jahren haben Bundestag und Bundesrat einen deutschlandweiten Rechtsanspruch für Ganztagsplätze an Grundschulen beschlossen. Den dürfte die Politik kaum einhalten können. Weil die Geburtenzahlen in den 2010er-Jahren stark gestiegen sind, wächst die Zahl der Grundschüler. 2029 dürfte sie um 8 Prozent höher liegen als heute. Rein rechnerisch müssten am heutigen Bedarf gemessen bis dahin 700.000 zusätzliche Plätze geschaffen werden – eine Steigerung von 42 Prozent.

Bedarf dürfte noch steigen

Weil die Vereinbarkeit von Beruf und Familie immer wichtiger wird und die Nachfrage auch mit dem Stand des Ausbaus zusammenhängt, ist damit zu rechnen, dass der Bedarf bis dahin sogar steigt. Will man bundesweit nur eine Betreuungsquote von 75 Prozent erreichen, braucht es sogar 847.000 neue Plätze.

„Ein Rechtsanspruch allein bedeutet noch lange nicht, dass alle Familien mit Betreuungsbedarf auch tatsächlich einen Platz bekommen“, sagt IW-Ökonom und Studienautor Wido Geis-Thöne. Das habe die Erfahrung mit den Unter-Dreijährigen in den vergangenen Jahren schmerzlich gelehrt. „Dabei ist eine gute Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder unbedingt notwendig, damit Mütter und Väter nicht mit Schuleintritt der Kinder bei ihren Erwerbsmöglichkeiten zurückgeworfen werden.“

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft (IW)




IQB-Bildungstrend: Kompetenzrückgänge in Deutsch, Fortschritte in Englisch

Besorgniserregende Entwicklung im Lesen, Zuhören und in der Orthographie im Fach Deutsch

Zum dritten Mal hat das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) für die Kultusministerkonferenz (KMK) untersucht, inwieweit Jugendliche in Deutschland die bundesweit geltenden Bildungsstandards der KMK in den sprachlichen Fächern am Ende der Sekundarstufe I erreicht haben. Die Erhebung erfolgte zwischen April und Juli 2022 und bildet damit die Lernleistung gegen Ende der Corona-Pandemie ab.

Gegenüber dem Vergleichsjahr 2015 ist der Anteil der Jugendlichen, die im Jahr 2022 – und damit nach den beiden großen Zuwanderungs- und Flüchtlingswellen ab 2015  – im Fach Deutsch im Lesen, Zuhören und in der Orthografie jeweils den Mindeststandard für den Ersten Schulabschluss (ESA) bzw. den Mittleren Schulabschluss (MSA) verfehlen, gestiegen. Insbesondere im Verstehen der gesprochenen Sprache Deutsch ist das Kompetenzniveau deutlich zurückgegangen. Dies betrifft alle Schülerinnen und Schüler der 9. Jahrgangsstufe, aber im Besonderen Jugendliche aus sozioökonomisch schwächeren Familien und Jugendliche mit Zuwanderungshintergrund. Das Institut nennt diese Entwicklung „besorniserregend“.

Umgekehrt sind die Leistungen in Englisch erheblich besser geworden. Für das Fach Englisch waren im Zeitraum zwischen 2009 und 2015 bereits positive Entwicklungen zu verzeichnen. Dieser Trend hat sich zwischen 2015 und 2022 in Deutschland insgesamt sowie in fast allen Ländern fortgesetzt und teilweise weiter verstärkt. Zwischen 2015 und 2022 haben sich insbesondere die Ergebnisse im mittleren und oberen Leistungsbereich deutlich verbessert. Und sie sind im unteren Leistungsbereich weitgehend unverändert geblieben.

GEW sieht Fehler im System

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) stellt mit Blick auf die Befunde des IQB fest: „Das ist kein Unfall, sondern ein Fehler im System.“ Um den Abwärtstrend der Schülerleistungen zu stoppen, schlug die Bildungsgewerkschaft höhere Finanz- und Personalressourcen, aber auch eine Abkehr von der frühen Aufteilung der Schülerinnen und Schüler in unterschiedliche Schulformen vor. „Die Leistungsergebnisse und die immer weiter auseinanderklaffende soziale Schere in der Sekundarstufe I der Schulen sind ernüchternd und besorgniserregend“, sagt Anja Bensinger-Stolze von der GEW.

„Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat – als Reaktion auf die erste PISA-Studie in 2001 – zu sehr auf das Thema Qualitätsentwicklung und Standardisierung fokussiert. Sie hat zu wenig auf andere – nach PISA von der KMK beschlossene – Handlungsfelder wie Leseförderung und Ganztagsschulentwicklung gesetzt“, erläutert Bensinger-Stolze. „Wir brauchen eine durchgängige Lese- und Sprachförderung, die weder nach der Grundschule noch vor dem Schultor aufhört. Und wir brauchen Mindeststandards, die ein Recht auf Bildung für alle begründen und nicht Hürden darstellen, an denen Kinder scheitern,“

Zentrale Ergebnisse der Studie

Ergebnisse im Fach Deutsch

  • Im Fach Deutsch erreichen oder übertreffen 49 Prozent der Neuntklässlerinnen und Neuntklässler, die den Mittleren Schulabschluss (MSA) anstreben, den Regelstandard im Lesen für diesen Schulabschluss. Im Zuhören sind es 53 Prozent und in Orthografie 65 Prozent. Das bedeutet gegenüber dem Vergleichsjahr 2015 im Lesen einen signifikanten Rückgang um 9 Prozentpunkte, im Zuhören um 19 Prozentpunkte und in Orthografie um 12 Prozentpunkte.
  • Betrachtet man die Gesamtgruppe aller Neuntklässlerinnen und Neuntklässler, so ergibt sich für das Fach Deutsch mit Blick auf die Mindeststandards für den Ersten Schulabschluss (ESA) folgendes Bild: Im Fach Deutsch verfehlen etwa 15 Prozent der Neuntklässlerinnen und Neuntklässler die Mindeststandards für den ESA im Bereich Lesen, fast 18 Prozent im Bereich Zuhören und rund 8 Prozent im Bereich Orthografie. Im Lesen bedeutet das gegenüber dem Vergleichsjahr 2015 einen signifikanten Anstieg von 6 Prozentpunkten, im Zuhören von 10 Prozentpunkten und in Orthografie von 4 Prozentpunkten.
  • Die Mindeststandards für den MSA werden in der Gesamtgruppe aller Neuntklässlerinnen und Neuntklässler im Fach Deutsch im Lesen von 33 Prozent der Jugendlichen noch nicht erreicht. Im Zuhören sind es 34 Prozent, in Orthografie sind es 22 Prozent. Im Lesen ergibt sich damit gegenüber dem Vergleichsjahr 2015 ein signifikanter Anstieg von 9 Prozentpunkten, im Zuhören von 16 Prozentpunkten und in Orthografie wiederum von 9 Prozentpunkten. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die Schülerinnen und Schüler in der neunten Klasse mehr als ein Jahr vor dem MSA-Abschluss getestet wurden und insofern diese Leistungen zum Testzeitpunkt auch noch nicht erbringen konnten.
  • Setzt man die Kompetenzwerte des Vergleichsjahres 2015 jeweils auf einen Mittelwert von 500 Punkten und eine Streuung (Standardabweichung) von 100 Punkten, verlieren die Neuntklässlerinnen und Neuntklässler im Jahr 2022 gegenüber dem Vergleichsjahr 2015 bundesweit betrachtet im Fach Deutsch im Lesen im Schnitt 25 Kompetenzpunkte, im Zuhören 44 Punkte und in Orthografie 31 Punkte. Dies sind statistisch signifikante und im Umfang erhebliche Kompetenzrückgänge im Fach Deutsch.
  • Die jeweiligen Ergebnisse im Fach Deutsch variieren zwischen den Ländern teilweise erheblich. So liegt beispielsweise der Anteil der Neuntklässlerinnen und Neuntklässler, die im Fach Deutsch im Lesen den Mindeststandard für den ESA verfehlen, je nach Land bei 8 bis 24 Prozent.

Ergebnisse im Fach Englisch

  • Im Fach Englisch erreichen oder übertreffen 60 Prozent der Neuntklässlerinnen und Neuntklässler, die den MSA anstreben, die Regelstandards im Bereich Leseverstehen. Das sind 11 Prozentpunkte mehr als im Vergleichsjahr 2015. Beim Hörverstehen sind es sogar 63 Prozent der genannten Gruppe und damit 10 Prozentpunkte mehr als im Vergleichsjahr 2015.
  • In der Gesamtgruppe aller Neuntklässlerinnen und Neuntklässler bleiben im Leseverstehen knapp 9 Prozent der Jugendlichen unter dem Mindeststandard für den ESA (1 Prozentpunkt mehr als 2015). Nicht einmal 2 Prozent verfehlen den Mindeststandard für den ESA im Hörverstehen (unverändert gegenüber 2015).
  • In Englisch erreichen beim Leseverstehen 24 Prozent aller Neuntklässlerinnen und Neuntklässler noch nicht den Mindeststandard für den MSA. Beim Hörverstehen sind es 14 Prozent der Jugendlichen. Das ist ein Rückgang von jeweils 3 Prozentpunkten gegenüber 2015.
  • Betrachtet man die Kompetenzmittelwerte in Englisch, konnten bundesweit im Mittel 22 Kompetenzpunkte im Leseverstehen und 23 Punkte im Hörverstehen dazugewonnen werden. Dies sind statistisch signifikante und deutliche Kompetenzsteigerungen im Fach Englisch.

Soziale Disparitäten

  • Die Kopplung zwischen sozialer Herkunft und erreichtem Kompetenzniveau hat sich weiter verstärkt.
  • Von den Kompetenzrückgängen im Fach Deutsch sind besonders Jugendliche aus sozioökonomisch weniger gut gestellten und bildungsferneren Familien betroffen. Während sich die Kompetenzwerte von Schülerinnen und Schülern, in deren Haushalt es weniger als 100 Bücher gibt, in Deutsch im Lesen in allen Bundesländern erheblich verschlechtert haben, sind die Kompetenzwerte von Heranwachsenden aus Haushalten mit mehr als 100 Büchern in den meisten Ländern nur leicht gesunken.
  • Der positive Trend zwischen 2015 und 2022 in den erreichten Kompetenzen im Fach Englisch ist in der Gruppe der Jugendlichen aus bildungsferneren Familien deutlich geringer ausgeprägt.

Zuwanderungsbezogene Disparitäten

  • Im Jahr 2022 weisen insgesamt 38 Prozent der Neuntklässlerinnen und Neuntklässler in Deutschland einen Zuwanderungshintergrund auf, wobei dieser Anteil deutlich zwischen den einzelnen Ländern schwankt (von rund 12 Prozent bis über 57 Prozent). Deutschlandweit hat sich der Anteil von Jugendlichen mit Zuwanderungshintergrund seit dem Jahr 2015 um fast 9 Prozentpunkte und seit dem Jahr 2009 um gut 11 Prozentpunkte erhöht.
  • Insbesondere der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die nicht in Deutschland geboren wurden (erste Generation), ist deutlich gestiegen. Nahezu ein Zehntel der Neuntklässlerinnen und Neuntklässler des Jahres 2022 sind selbst nach Deutschland zugewandert (9 Prozent). Das ist ein Zuwachs gegenüber dem Jahr 2015 von gut 5 Prozentpunkten.
  • Der Anteil der Familien, in denen nie oder nur manchmal Deutsch gesprochen wird, ist deutlich gestiegen auf 32 Prozent im Jahr 2022. Diese Entwicklung hat sich stark beschleunigt; während der Anteil zwischen 2009 und 2015 nur um einen Prozentpunkt gewachsen war, nahm er zwischen 2015 und 2022 um 11 Prozentpunkte zu.
  • Sowohl im Fach Deutsch als auch im Fach Englisch zeigen sich für Jugendliche mit Zuwanderungshintergrund signifikante Kompetenzrückstände. Diese fallen im Fach Deutsch im Zuhören und im Lesen am stärksten aus. Die Ausprägung dieses Negativtrends unterscheidet sich zwischen den einzelnen Ländern erheblich.
  • Insbesondere unter den selbst zugewanderten Jugendlichen (erste Generation) sind die Kompetenzstände im Fach Deutsch in allen drei Kompetenzbereichen gegenüber dem Vergleichsjahr 2015 deutlich zurückgegangen
  • (-46 Kompetenzpunkte im Lesen, -62 Punkte im Zuhören, -53 Punkte in Orthografie).
  • Während die Schülerinnen und Schüler der 2. Zuwanderungsgeneration (beide Elternteile im Ausland geboren, selbst in Deutschland geboren) gegenüber dem Jahr 2015 in Englisch ihr Kompetenzniveau signifikant steigern konnten (32 Punkte im Leseverstehen, 35 Punkte im Hörverstehen), gilt dies nicht für die Schülerinnen und Schüler der 1. Generation.
  • Für die zuwanderungsbezogenen Kompetenzunterschiede in den Bereichen Lesen und Zuhören im Fach Deutsch spielt die in der Familie gesprochene Sprache eine besondere Rolle. Jugendliche, die in ihren Familien nur manchmal oder nie Deutsch sprechen, zeigen im Schnitt ein geringeres Kompetenzniveau im Lesen und Zuhören als Jugendliche, die in ihren Familien immer Deutsch sprechen. Damit kommt der Sprachförderung in der Schule eine zunehmend wichtige Rolle zu, um herkunftsbedingte Bildungsbenachteiligungen auszugleichen.

Weitere Ergebnisse

  • Die Neuntklässlerinnen und Neuntklässler sind überwiegend sehr zufrieden mit ihrer Schule und fühlen sich mehrheitlich gut in ihrer Klasse integriert. Dies zeigt sich weitgehend unabhängig vom Zuwanderungshintergrund.
  • Das fachliche Interesse für das Fach Deutsch hat sich etwas verringert und ist deutlich geringer ausgeprägt als für das Fach Englisch. Allerdings geht die von den Schülerinnen und Schülern in ihrem Unterricht wahrgenommene konstruktive Unterstützung mit einem stärker ausgeprägten Interesse am Fach Deutsch einher.
  • Die befragten Deutsch- und Englischlehrkräfte berichten positive Einstellungen zu ihrer Tätigkeit. Ein Großteil der Lehrkräfte ist sehr zufrieden mit ihrer Berufswahl, unterrichten mit hoher Begeisterung und investieren große Anstrengungen in ihren Beruf. Das gilt auch für nicht traditionell ausgebildete Lehrkräfte (Quer- und Seiteneinstiege).
  • Die Befundmuster legen nahe, nahe, dass die negativen Trends im Fach Deutsch zu einem gewissen Teil auf die pandemiebedingten Einschränkungen zurückzuführen sind.

Hintergrundinformationen zur Studie

Am IQB-Bildungstrend 2022 haben sich im Fach Deutsch 32.990 Schülerinnen und Schüler aus 1.610 Schulen aus allen 16 Ländern beteiligt. Im Fach Englisch umfasst die Stichprobe 31.159 Schülerinnen und Schüler aus 1.542 Schulen. In den Ländern Baden-Württemberg, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz sowie dem Saarland wurden darüber hinaus die Kompetenzen im Fach Französisch von insgesamt 2.489 Schülerinnen und Schülern aus 142 Schulen getestet.
Im Fach Deutsch wurden die Kompetenzbereiche Lesen, Zuhören und Orthografie überprüft, im Fach Englisch und Französisch die Kompetenzbereiche Leseverstehen und Hörverstehen.
In den IQB-Bildungstrends der Sekundarstufe I wird am Ende der 9. Jahrgangsstufe das Erreichen der Bildungsstandards sowohl für den Ersten Schulabschluss (ESA) als auch für den Mittleren Schulabschluss (MSA) überprüft. Mit den Bildungsstandards für den MSA werden somit Kompetenzerwartungen überprüft, die erst ein Jahr nach der Testung (am Ende der 10. Jahrgangsstufe) von denjenigen, die den MSA anstreben, erreicht werden sollen.
Die wissenschaftliche Gesamtverantwortung für den IQB-Bildungstrend 2022 liegt beim Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Petra Stanat.

Den Bericht und eine Zusammenfassung der Ergebnisse/Pressemappe sowie weitere Informationen zum IQB-Bildungstrend 2022 finden Sie unter https://www.iqb.hu-berlin.de/bt/BT2022/Bericht.

Pressemitteilungen: IQB und GEW. IQB-Studie




Ein schlechtes Zeugnis zum Stand der Inklusion an deutschen Grundschulen

Eine Zusammenfassung des Grundschulverbandes zur Situation an den Grundschulen

2009 hat Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) unterzeichnet. Seither sind Land und Bundesländer in der Pflicht, diese auch umzusetzen. Art. 24 der BRK fordert das Recht behinderter Menschen auf inklusive Bildung ein. Um dieses Recht umzusetzen, ausgehend vom menschenrechtlichen Prinzip der Gleichberechtigung und Verhinderung von Diskriminierung, ist ein inklusives Bildungssystem zu verwirklichen.

„Dabei ist sicherzustellen, dass behinderte Menschen nicht aufgrund einer Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden. Behinderte Kinder dürfen also nicht aufgrund ihrer Behinderung vom Besuch einer Grundschule oder einer weiterführenden Schule ausgeschlossen werden. Vielmehr soll ihnen gleichberechtigt mit anderen – nichtbehinderten – Kindern der Zugang zu einem inklusiven, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht ermöglicht werden. (UN-BRK)“


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Inklusion ist eine der größten und wichtigsten Herausforderungen, vor denen Pädagogen und Pädagoginnen heute in der Praxis stehen. Pädagogisches Wirken beginnt bei der pädagogischen Fachkraft und so beginnt auch Prof. Dr. Ferdinand Klein bei seinem eigenen Werdegang als Heilpädagoge und beim Kinderarzt und Pädagogen Janusz Korczak, um sich dem Begriff und der Aufgabe des Heil- und Sonderpädagogen zu nähern. Zudem bietet das Buch vielfältige Fallbeispiele, konkrete Tipps und Hilfestellungen zum Umgang mit Kindern mit besonderen Bedürfnissen, praxisgerecht, leicht verständlich und direkt umsetzbar.

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Inklusion heißt nicht Integration

Gemäß der OECD geht es in der inklusiven Schule nicht nur um die Integration von Kindern mit Behinderungen allein, vielmehr handele es sich bei inklusiven und gerechten Bildungssystemen um solche, „die sicherstellen, dass das Erreichen des Bildungspotenzials nicht das Ergebnis persönlicher und sozialer Umstände ist, einschließlich der Faktoren wie Geschlecht, ethnische Herkunft, Migrantenstatus, besondere Bildungsbedürfnisse und Begabung“ (OECD 2021, 10).

Fünf Bereiche für eine inklusive Bildung

Entsprechend hat der Grundschulverband einen Standpunkt inklusive Bildung formuliert: „Eine inklusive Grundschule für alle Kinder gestalten: Die Verschiedenheit der Kinder muss Ausgangspunkt für ihre Bildungsprozesse sein!“. Darin werden fünf Bereiche und deren Bedeutung für gelingendes inklusives Lernen benannt:

  • Bereich 1: Da schulische Lerngruppen immer heterogen sind, unabhängig davon, wie diese organisiert sind, muss individualisiertes Lernen immer eingebettet sein in gemeinsames Lernen.
  • Bereich 2: Gerade in inklusiven Settings erweist sich, dass Zensuren durch Lernrückmeldungen ersetzt werden müssen, mit deren Hilfe die individuellen Lernentwicklungen und erreichte Kompetenzen für jedes einzelne Kind lernförderlich dokumentiert werden können.
  • Bereich 3: Die schulische Situation für Kinder und Jugendliche nichtdeutscher Erstsprache und Herkunft, auch mit Fluchterfahrungen oder Asylhintergrund, ist entscheidend zu verbessern. Die Mehrsprachigkeit der Kinder und Jugendlichen ist als kultureller Wert anzuerkennen und im Rahmen des Schulalltags zu fördern.
  • Bereich 4: Inklusive Grundschulen brauchen zusätzliche interdisziplinäre Fachkräfte unterschiedlicher Professionen, die als Teil des Kollegiums zuverlässig zur Verfügung stehen. Sie sind entsprechend den Anforderungen für den inklusiven Unterricht und die individuelle Förderung zu qualifizieren.
  • Bereich 5: Schulbau und Schulgelände müssen barrierefrei, anregend und einer inklusionsorientierten Didaktik angemessen gestaltet sein. Die besonderen Ansprüche einzelner Kinder an die Gestaltung von Lernorten sind zu berücksichtigen.

Dieser Anspruch erfordert eine hochwertige Ausstattung mit analogen und digitalen Medien.

Rahmenbedingungen ungenügend umgesetzt

Diese Positionen des Grundschulverbandes umfassen wesentliche Faktoren, um die UN-BRK an Grundschulen umsetzen zu können. Allerdings werden bislang die Rahmenbedingungen für die Transformation zu einem inklusiven Bildungssystem auf der Steuerungsebene nur ungenügend gesetzt.

Am 29. und 30. August 2023 fand die Staatenprüfung durch den UN-Fachausschuss zur BRK statt (auf der Basis eines Berichtes der BR von 2019). Es war bereits die zweite Prüfung nach 2015. Bereits damals waren die Ergebnisse keinesfalls zufriedenstellend. Im eingereichten Staatenbericht von 2019 verwies die Bundesregierung vor allem auf die länderübergreifenden Empfehlungen der KMK zur Bildungsteilhabe, zur Beratung und zur Lehrkräftebildung und sah das Land insgesamt auf einem guten Weg.

Feststellungen des Deutschen Instituts für Menschenrechte

Ein unabhängiger Parallelbericht (eingereicht im Juli 2023 durch das Deutsche Institut für Menschenrechte), erstellt von Verbänden und VertreterInnen der Zivilgesellschaft, fällt dagegen deutlich kritischer aus. Einige Fakten:

  • Nach wie vor verfügt Deutschland über ein ausdifferenziertes System an Förderschulen (die in den einzelnen Bundesländern durchaus unterschiedliche Bezeichnungen haben). Der Umbau zu einem inklusiven Schulsystem findet nicht statt. Mehr als die Hälfte der Schülerinnen und Schüler besucht Förderschulen. In einigen Bundesländern steigt der Anteil von Kindern in Förderschulen sogar.
  • Nur in zwei Ländern gibt es einen Rechtsanspruch auf inklusive Beschulung: Bremen und Hamburg. Freies Wahlrecht der Eltern für eine Schulform wird als Begründung für den Erhalt der Förderschulen herangezogen.
  • Viele Schulen sind nicht barrierefrei und kämen deswegen auch nicht für Kinder mit Behinderungen in Frage.
  • Festzuhalten sei auch, dass viel Schülerinnen und Schüler ihre Förderschulen ohne anerkannten Abschluss verlassen.

Dieser Parallelbericht entspricht im Wesentlichen den Erfahrungen, die uns von Eltern, Lehrkräften und Schulleitungen an Grundschulen zugetragen werden, wenn auch mit durchaus unterschiedlichen Ausprägungen des Standes inklusiver Beschulung sowohl zwischen den einzelnen Bundesländern, als auch innerhalb der Bundesländer selbst.

Abschließende Bemerkungen des UN-Fachausschusses

In den ersten (unredigiert vorab erschienenen) „Abschließenden Bemerkungen“ zur aktuellen Prüfung des Staatenberichtes kommt der UN-Fachausschuss nun im August wenig überraschend zu folgendem Schluss:

„Der Ausschuss ist besorgt über die unzureichende Umsetzung der inklusiven Bildung im gesamten Bildungssystem, das Vorherrschen von Sonderschulen und -klassen sowie die verschiedenen Hindernisse, auf die Kinder mit Behinderungen und ihre Familien stoßen, wenn sie in Regelschulen eingeschult werden und diese besuchen wollen, dazu zählen:

  • das Fehlen klarer Mechanismen zur Förderung der inklusiven Bildung in den Ländern und auf kommunaler Ebene;
  • die falschen Vorstellungen und die negative Wahrnehmung der inklusiven Bildung bei einigen Exekutivorganen, die den Antrag von Eltern, ihre Kinder an einer Regelschule anzumelden, als Hinweis auf die „Unfähigkeit, sich um ihr Kind zu kümmern“ deuten würden;
  • die mangelnde Zugänglichkeit und Unterbringung in öffentlichen Schulen und fehlende Verkehrsanbindung, insbesondere in ländlichen Gebieten;
  • die unzureichende Ausbildung von Lehrkräften und nicht lehrendem Personal in Bezug auf das Recht auf inklusive Bildung sowie die fehlende Entwicklung deren spezifischer Fähigkeiten und Lehrmethoden und der berichtete Druck auf Eltern, Kinder mit Behinderungen in Sonderschulen anzumelden.

Sie erneuern den dringenden Hinweis auf die politische Verantwortung, Meilensteine zu setzen, Strategien zu entwickeln und die inklusive Bildung bundesweit zu entwickeln und zu sichern.

Aufforderung zur Umsetzung eines Menschenrechts

Diese Aufforderungen kommen zu einem Zeitpunkt, in welchem die Grundschulbildung in Deutschland in einem besonderen Maße betroffen ist von krisenhaften Herausforderungen:

  • einem andauernden Mangel an Lehrpersonen und an pädagogisch-didaktisch bestens ausgebildetem Personal
  • einem Mangel an zusätzlichen interdisziplinären Fachkräften unterschiedlicher Professionen (Schulsozialarbeit, Integrationshelfer, SonderpädagogInnen, etc.), die in inklusiven Settings unverzichtbar sind
  • einer notorisch unterfinanzierten Sach- und Personalausstattung vieler Grundschulen

Damit inklusive Bildung gerade in der Grundschule gelingen kann, damit das Gelingen nicht alleine von überdurchschnittlich engagierten Eltern, Lehrkräften und Schulleitungen abhängt, muss die UN-BRK in ihrer Kernaussage und die Empfehlungen des UN-Fachausschusses ernst genommen werden. Der entsprechende Wille zur inklusiven Bildung muss politisch formuliert und klar kommuniziert, mit Finanzen hinterlegt und zielgerichtet umgesetzt werden. Dies ist in einer Zeit der Erstarkung von rechten Strömungen im Land von besonderer Bedeutung.

Weitere Informationen und Rückfragen beantwortet:

Dipl.-Päd. Edgar Bohn, Vorsitzender Grundschulverband e.V.
Mobil: 0151 67 20 28 35
Mail: edgar.bohn@grundschulverband.de
Internet: www.grundschulverband.de

Quelle: Pressemitteilung Grundschulverband




Unterrichts-Module zur Prävention von exzessivem Medienkonsum

Module

Leitidee: Kinder früh für ihre digitale Mediennutzung sensibilisieren

Das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung in Hamburg bietet auf seiner Website Unterrichts-Module zum kostenlosen Download an. Zielgruppe: Jahrgänge 4 bis 6

Kinder sollen früh für ihre digitale Mediennutzung sensibilisiert werden durch:

  • Austausch über digitale Nutzung,
  • Nachdenken über Gefühle und Wünsche,
  • Handeln in Gruppendruck-Situationen (die Gruppe und ich),
  • spielerisches Nachdenken über Alternativen,
  • Reflexion der eigenen Bildschirmzeiten.

In den drei Modulen werden diese Themen behandelt.

Die vorliegenden Aufgaben sind als einzelne Bausteine einsetzbar, die unabhängig voneinander im fortgeschrittenen Grundschulalter und in der Orientierungsstufe der Jahrgänge 5 und 6 unterrichtet werden können. Eine Leitidee ist dabei, Kinder früh für ihre digitale Mediennutzung zu sensibilisieren, ihnen Refexionsangebote bereitzustellen und sie Alternativen zu Bildschirmmedien erarbeiten zu lassen. Insofern dienen die Aufgaben der Prävention einer möglichen exzessiven Mediennutzung und setzen am konkreten Verhalten der Schülerinnen und Schüler an.

Smart Kit

Module zur Prävention von exzessivem Medienkonsum

kostenfrei als Download

Weitere Informationen finden Sie hier auf li.hamburg.de

Quelle: LI Hamburg




Grundschulen so ausstatten, dass sie ihren Auftrag erfüllen können!

Grundschulverband weist auf schwaches Startchancenprogramms hin und fordert Richtungswechsel

Seit vielen Jahren schon weist der Grundschulverband darauf hin, dass die Grundschulen unterfinanziert und mit Aufgaben überfrachtet sind. Er fordert eine Änderung dieser Praxis. Das im Koalitionspapier groß angekündigte Startchancen-Programm der Bundesregierung kommt, so der Plan, erst zum Schuljahr 2024/2025 an den Start und zwar statt für die angekündigten 4.000 Schulen nur für 1.000. Ganz aktuell streicht das Land Nordrhein-Westfalen Mittel für den gemeinsamen Unterricht. Auch in anderen Bundesländern steht zu fürchten, dass am Bildungshaushalt gespart wird. Es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich vorzustellen, dass von diesen Sparmaßnahmen einmal mehr die Grundschulen besonders betroffen sein werden.

„Kein gutes Zeugnis für das deutsche Bildungssystem“

Im Abschnitt „Bildung: Kein gutes Zeugnis für das deutsche Bildungssystem“ benennt der UNICEF- Bericht aktuelle Mängel im Bildungsbereich unmissverständlich:

  • Knapp 47.000 junge Menschen verlassen jährlich ohne Abschluss die Schule.
  • Betroffen sind hierbei in besonderem Maße Kinder und Jugendliche, die im Ausland geboren sind und in Deutschland zur Schule gehen.
  • Der Anteil von Kindern und Jugendlichen, die die unterste Kompetenzstufe des Lesens nicht erreicht haben, liegt bei rund 21 Prozent.

Vor dem Hintergrund dieser wenig befriedigenden Ergebnisse zur aktuellen Lage beleuchtet der Bericht die Ausgaben für den Bildungsbereich und damit die öffentlichen Investitionen in Bildung und stellt fest: Die Ausgaben für Bildung sind im internationalen Vergleich für den Grundschulbereich sehr niedrig: „Deutschland investierte hier 2019 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und damit 1,2 Prozentpunkte weniger als Spitzenreiter Schweden. Von den betrachteten Ländern investiert nur Rumänien noch weniger in die Grundschulbildung (0,5 Prozent). Dabei sind gerade die Grundschulen für Kinder wichtig. Hier entscheidet sich, ob Kinder unabhängig von der sozio-ökonomischen Herkunft ihre Talente entfalten können.“

Die Situation von in Armut lebenden Kindern und Jugendlichen hat sich verschärft

Prekär sind sowohl die Aussagen des UNICEF-Berichts, als auch die des aktuellen Deutschen Schulbarometers zur Kinderarmut: Die Situation von in Armut lebenden Kindern und Jugendlichen hat sich in Deutschland in den vergangenen Jahren verschärft. Deutlich sichtbarer wird, dass immer häufiger das Geld für zentrale Dinge des Schulalltags fehlt und Schulmaterialien, Ausflüge oder das Mittagessen nicht finanziert werden können.

Der Grundschulverband stellt fest: Es ist höchste Zeit für Investitionen in Bildungschancen und fordert:

  • Die Grundschulbildung ist besonders in den Fokus zu nehmen. Es ist sicherzustellen, dass Grundschulen personell und sächlich so ausgestattet sind, dass sie ihrem Auftrag, allen Kindern eine grundlegende Bildung zu vermitteln, auch gerecht werden können! Dazu gehört auch, dass den Grundschulen künftig endlich angemessen digitale Medienausstattungen zur Verfügung stehen.
  • Anstehende Haushaltskürzungen dürfen nicht zu Lasten von Kindern in Armutslagen gehen!
  • Es ist Aufgabe der Politik, Familien und Schulen in sozial herausfordernder Lage schnell, unbürokratisch und wirksam zu unterstützen!
  • Wir fordern auf Bundes- und Landesebene politisch längst fällige Entscheidungen zur Verbesserung der Startchancen von allen Kindern!

Weitere Informationen und Rückfragen:
Dipl.-Päd. Edgar Bohn, Vorsitzender Grundschulverband e.V.
Mobil: 0151 67 20 28 35
Mail: edgar.bohn@grundschulverband.de
Internet: www.grundschulverband.de




GEW: Schulleitungen stehen unter Druck und sind motiviert

Bildungsgewerkschaft stellt Online-Befragung der Leitungskräfte an Schulen in Hamburg und Rheinland-Pfalz vor

Laut einer Online-Befragung die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) unter Schulleitungen in Hamburg und Rheinland-Pfalz stehen die Leitungskräfte „hochgradig unter Druck, sind aber sehr motiviert“. Dies sei eine „explosive Mischung“, so die GEW in einer mitteilung, die die Gesundheit gefährde. Dazu hat die GEW knapp 800 Schulleitungsmitglieder befragen lassen. „Deshalb schlagen wir ein Maßnahmenbündel gegen die starke Gesundheitsgefährdung und das hohe Burnout-Risiko vor, denen Schulleitungen ausgesetzt sind. In allererster Linie müssen sich die Arbeitgeber verpflichten, Schulleitungskräften regelmäßige Belastungsstudien und Präventionsmaßnahmen anzubieten. Denn was angesichts der Arbeitszufriedenheit nach Traumjob klingt, entpuppt sich wegen der hohen Arbeitsbelastung und der Entgrenzungswerte als gesundheitsgefährdend“, sagen die GEW-Vorstandsmitglieder Anja Bensinger-Stolze und Ralf Becker.

Erhöhte Anforderungen an Leitungskräfte im Vergleich zu anderen Berufsgruppen in der GEW-Datenbank

„Die Daten belegen, dass die Leitungskräfte an Schulen hochgradig belastet sind. Sie weisen im Vergleich zu anderen Berufsgruppen in unserer Datenbank deutlich erhöhte Anforderungen auf, aber nur wenige kompensierende günstige Faktoren“, sagte Matthias Nübling, Geschäftsführer der Freiburger Forschungsstelle für Arbeitswissenschaften GmbH (FFAW) und Studienleiter.

Laut Nübling erklärten 83,6 Prozent der Leitungskräfte, dass sie „oft“ oder „immer“ mit hohem Tempo arbeiteten. 71,8 Prozent gäben an, „selten“ oder „nie“ Pausenzeiten einhalten zu können. Die Gesamtskala „Quantitative Anforderungen“ liege mit 74 Punkten rund 20 Punkte über dem deutschen Durchschnitt aus allen Berufen (55) bzw. über den Berufen in der öffentlichen Verwaltung (54) und zehn Punkte über dem Durchschnitt an Schulen (64). Für 86,5 Prozent sei die Arbeit „in hohem Maß“ oder „in sehr hohem Maß“ emotional fordernd. Bei den leitungsspezifischen Fragen gäben 80,8 Prozent an, dass „ziemlich oder sehr“ zutreffe, dass die Leitungsaufgaben keinen Freiraum für eine gründliche Vor- und Nachbereitung des Unterrichts ließen. 54,1 Prozent hätten demnach gemeldet, dass sie „oft“ oder „immer“ körperlich erschöpft seien. 44,6 Prozent kämen „oft“ oder „immer“ in die Schule, obwohl sie krank seien, weitere 30,6 Prozent würden sagen, dass sie dies „manchmal“ täten. Trotzdem würden 55,8 Prozent erklären, dass sie „oft“ oder „immer“ von ihrer Arbeit begeistert seien.

Mehr finanzielle und personelle Ressourcen gefordert

„Viele Schulleitungsmitglieder können nicht abschalten. Deutlich über 40 Prozent überschreiten zudem oft bzw. immer die vorgegebene Arbeitszeit. Wir sind sehr besorgt darüber, dass so viele Leitungskräfte kurz vor dem Burnout stehen oder wegen der Belastungen an einen Stellenwechsel denken. Es müssen sofort Präventionsmaßnahmen ergriffen werden. Die angespannte Situation an den Schulen darf nicht länger ignoriert werden. Wir brauchen mehr finanzielle und personelle Ressourcen für Schulen – und zwar umgehend“, betont Bensinger-Stolze.

„Wir beobachten an vielen Schulen eine hohe Belastung der Leitungskräfte. Dies ist jetzt empirisch und anonymisiert durch die Befragung bestätigt worden. Die Ergebnisse sind alarmierend. Viele Leitungskräfte gehen ihrem Traumjob nach, müssen dafür tagtäglich jedoch so viele Hürden nehmen, dass nicht wenige resignieren. Viele Kolleginnen und Kollegen gefährden ihre Gesundheit durch die hohe Arbeitsbelastung. So kann es nicht weitergehen“, sagt Becker.

Das sind die Lösungsvorschläge der GEW:

–        Regelmäßige Belastungsstudien durch die Arbeitgeber.
–        Verpflichtende Präventionsmaßnahmen durch den Arbeitgeber.

Politische Maßnahmen:
–        Ressourcen für Bildung stärken.
–        Die schlechte Ausstattung der Schulen sorgt für eine wachsende Arbeitsbelastung der
         Schulleitungen. Deshalb ist eine gesicherte, nachhaltige Ausstattung der Schulen ein wichtiger Faktor, um Belastungsfaktoren zu verringern.
–        Entlastung durch zusätzliches Personal (auch IT-Administratoren und Verwaltungsfachkräfte).
–        Entlastungsstunden für Leitungskräfte und zusätzliche Funktionsstellen.
–        Bessere Bezahlung.
–        Maßnahmen gegen den Lehrkräftemangel (s. 15-Punkte-Programm der GEW).
–        Die mangelhafte Ausstattung der Schulen ist für die Leitungskräfte eine große Belastung. Deshalb müssen das Startchancenprogramm, der Digitalpakt 2.0 und der Pakt für die Berufsbildenden Schulen, aber auch die bauliche, energetische und pädagogische Sanierung der Schulen umgehend angegangen werden.

Hier finden Sie die Ergebnisse der Online-Befragung.

Hier finden Sie die den Gesamtbericht zur Online-Befragung.




Immer mehr Kinder sorgen sich um die finanzielle Situation ihrer Familie

Das Deutsche Schulbarometer der Robert Bosch Stiftung zeigt, dass die Kinderarmut hierzulande wächst

Immer mehr Kinder und Jugendliche machen sich Sorgen um die finanzielle Situation ihrer Familie. Das geht aus dem heute veröffentlichten Deutschen Schulbarometer der Robert Bosch Stiftung GmbH hervor. Laut der repräsentativen Befragung von Lehrkräften hat Kinderarmut im Vergleich zum Schuljahr 2021/22 in allen Bevölkerungsschichten sichtbar zugenommen, in sozial benachteiligten Lagen wird das besonders deutlich.

Neben den Sorgen um die finanzielle Situation der Eltern (33 Prozent; in sozial schwieriger Lage: 48 Prozent) beobachtet jede dritte Lehrkraft häufiger, dass Schüler:innen Schulmaterialien fehlen (37 Prozent; in sozial schwieriger Lage: 64 Prozent) und sie ohne Frühstück in die Schule kommen (30 Prozent; in sozial schwieriger Lage: 54 Prozent). Auch besuchen weniger Kinder und Jugendliche Vereine (29 Prozent; in sozial schwieriger Lage: 51 Prozent) und nehmen seltener an Aufenthalten im Schullandheim teil (24 Prozent; in sozial schwieriger Lage: 37 Prozent).

„Arme Kinder werden zu oft zu armen Erwachsenen. Dieser Kreislauf muss durchbrochen werden“, sagt Dr. Dagmar Wolf, Leiterin des Bereichs Bildung der Robert Bosch Stiftung. „Fehlendes Geld im Elternhaus verhindert die Teilhabe junger Menschen am sozialen und kulturellen Leben. Das hat auch Auswirkungen auf die psychosoziale Gesundheit. Neben einer bedarfsdeckenden Kindergrundsicherung brauchen wir deshalb eine armutssensible Haltung der Pädagog:innen. Sie müssen nicht nur in der Lage sein, die Auswirkungen von Armut auf Kinder und Jugendliche zu erkennen, sondern auch Stigmatisierungen entgegenwirken.“

Lehrkräfte beobachten Konzentrationsprobleme und Ängste 

Das Verhalten der Schüler:innen (34 Prozent) und die eigene Arbeitsbelastung (31 Prozent) sind aktuell die größten Herausforderungen für die Lehrkräfte. Mehr als drei Viertel beobachten Konzentrationsprobleme in ihren Klassen (81 Prozent; 2022: 80 Prozent) und beklagen eine übermäßige Online-Nutzung (79 Prozent; an Grundschulen bereits 66 Prozent). Beinahe jede dritte Lehrkraft (31 Prozent) nimmt zudem Ängste bei den Kindern und Jugendlichen wahr. Motivationsprobleme (70 Prozent; 2022: 80 Prozent), aggressives Verhalten (27 Prozent; 2022: 39 Prozent) und unentschuldigtes Fernbleiben vom Unterricht (15 Prozent; 2022: 38 Prozent) haben im Vergleich zu den Befragungen während der Corona-Pandemie abgenommen.  

Zwei Drittel der befragten Teilzeitkräfte sind grundsätzlich bereit aufzustocken

Seit Beginn des Jahres werden Maßnahmen gegen den akuten Lehrkräftemangel diskutiert. Als kurzfristige Lösung wird u.a. die Aufstockung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten vorgeschlagen. Vor diesem Hintergrund geben 38 Prozent der Befragten an, derzeit in Teilzeit zu arbeiten. Zwei Drittel dieser Teilzeit-Lehrkräfte sind grundsätzlich bereit, aufzustocken – bei den unter 40-Jährigen sind es sogar 73 Prozent. Allerdings nur unter bestimmten Bedingungen. So fordern sie u.a. die Umstellung des Deputatsmodells auf ein Arbeitszeitmodell, das die tatsächliche Arbeitszeit abbildet und auch Aufgaben außerhalb des Unterrichts berücksichtigt (73 Prozent). Weniger private Sorgearbeit in der Familie (40 Prozent) und eine bessere Betreuungssituation für die eigenen Kinder (26 Prozent) sind weitere Voraussetzungen dafür, dass Lehrkräfte mehr Stunden arbeiten könnten. 

„In unserem aktuellen Schulsystem wird der Lehrkräftemangel nicht dadurch behoben, dass Teilzeit-Lehrkräfte mehr arbeiten“, sagt Wolf. „Der Arbeitsplatz Schule muss wieder attraktiver werden. Dazu gehört, die Sorgen der Lehrkräfte ernst zu nehmen und auf ihre Reformforderungen einzugehen. Eine umfassende Änderung des Arbeitszeitmodells kann Druck aus dem System nehmen und wäre ein erster Schritt zu einem zukunftsfähigen Bildungssystem.“

Über das Deutsche Schulbarometer 

Mit dem Deutschen Schulbarometer lässt die Robert Bosch Stiftung seit 2019 regelmäßig repräsentative Befragungen zur aktuellen Situation der Schulen in Deutschland durchführen. Für die aktuelle Ausgabe wurden zwischen dem 13. und 23. Juni 2023 insgesamt 1.032 Lehrkräfte an allgemein- und berufsbildenden Schulen in Deutschland vom Meinungsforschungsinstitut forsa befragt.

Weitere Informationen finden Sie hier: Und hier das Pdf zum Download

Quelle: Pressemitteilung Robert Bosch Stiftung




E-Book kostenlos: Technik spielend kennenlernen

Neue Publikation gibt praxisnahe Beispiele – um Kinder an MINT-Themen heranzuführen

Die TU Berlin hat in Zusammenarbeit mit Jugendfreizeiteinrichtungen in Berlin-Neukölln und im Rahmen des Förderprogramms „Bildung im Quartier“ des Berliner Senats spannende Workshop-Beschreibungen entwickelt. Sie sollen Lehrkräfte in der offenen Jugendarbeit dazu inspirieren, Technik und MINT-Themen auf faszinierende Weise an junge Menschen heranzutragen.

Grundlagen für die Beteiligung an gesellschaftlicher Transformationen schaffen

Das Ziel dieser seit 2017 bestehenden Partnerschaft ist es, Grundlagen zu schaffen, die es jungen Menschen ermöglichen, gesellschaftliche Transformationen mitzugestalten. Die Projekte „EmoTek-Flexi“ und „ZuPer-Q“, finanziert durch EFRE-Mittel, haben in den letzten Jahren zahlreiche Kinder und Jugendliche erreicht. Einige von ihnen studieren heute sogar Arbeitslehre am Institut für Arbeitslehre und Berufliche Bildung der TU Berlin, das für die Umsetzung dieser Projekte verantwortlich ist.

Löten lernen mit Kunstwerken aus Kupferdraht

Bei „EmoTek-Flexi“ gestalten die zehn- bis 14-Jährigen zum Beispiel Kunstwerke aus Kupferdraht und lernen dabei das Löten. Sie erfahren die Leitfähigkeit, indem sie mit Alufolienbausteinen um die Wette eine elektronische Leitung bauen und durchschauen mit dem „heißen Draht“ unübersichtliche Stromkreise.

Drohnen programmieren und 3D-Konstruktionssoftware schreiben

Beim digitalen „ZuPer-Q“ programmieren die Kinder unter anderem eine Drohne so, dass sie „dringend benötigte Medikamente“ in Form eines Tischtennisballs in ein Papp-Krankenhaus liefert. Mit Puzzles helfen sie den OzoBots ans Ziel. Bei Minispielen wie Tic-Tac-Toe bemerken sie gar nicht, wie sie plötzlich selbstbewusst mit einer 3D-Konstruktionssoftware umgehen. Zum Schluss können sie ihren eigenen Fidget-Spinner entwerfen und in 3D ausdrucken.

Kreativität und Erfindungsgeist fördern

Die Workshop-Beschreibungen, die im Rahmen dieser Projekte erarbeitet wurden, sind nun als Open-Access-Materialien im wbv-Verlag veröffentlicht worden. Dieses Praxisbuch „Technik spielend (kennen)lernen“ ermöglicht es, in der offenen Kinder- und Jugendarbeit, Workshops im Bereich Physik, Technik und Informatik zu planen und durchzuführen. Die Workshop-Kurzbeschreibungen stellen Inhalte, Materialien und Methoden vor, die die Beschäftigung mit Elektrotechnik oder Programmieren so faszinierend gestalten, dass sie bei Kindern und Jugendlichen Interesse an MINT-Themen wecken.

Erprobt und entwickelt

Die handlungsorientierten Workshops rund um Physik, Elektrotechnik, Programmieren und 3D-Druck wurden in Berliner Jugendfreizeiteinrichtungen wie die „Manege“ erprobt und entwickelt. Die Kurse sind so konzipiert, dass sie auch von Fachkräften ohne technischen Hintergrund durchgeführt werden können. Ansätze, Ideen, Inhalte und Umsetzungsfragen der verschiedenen Kurse werden im umfangreichen Praxisteil des Praxisbuchs in verständlicher Sprache erläutert.

Kreativität und den Erfindungsgeist fördern

„Darüber hinaus präsentieren wir auch spannende Methoden, die Kinder und Jugendliche in den Bann ziehen. Uns war es wichtig, die Workshops so zu gestalten, dass sie nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch die Kreativität und den Erfindungsgeist der jungen Teilnehmer*innen fördern“, sagt Prof. Dr. Hans-Liudger Dienel, Leiter des Fachgebiets Arbeitslehre/Technik und Partizipation. In der wissenschaftlichen Einführung werden die Resonanztheorie nach Hartmut Rosa und weitere konzeptionelle Grundlagen der Kurse vorgestellt.

Alle Materialien stehen online als E-Book im Open Access zur Verfügung und können unter folgendem Link abgerufen werden: http://u.wbv.de/9783763972630 oder https://www.wbv.de/shop/Technik-spielend-kennen-lernen-I72647

Bibliographie

Janina Klose, Mesut Aktas, Hans-Liudger Dienel (Hg.), Technik spielend (kennen)lernen. Grundlagen & Workshops für die Kinder- und Jugendarbeit. Wbv-Verlag 2023, 248 Seiten, 39,90 Euro, ISBN 978-3-7639-7263-0
Stefanie Terp, Technische Universität Berlin