Ein Programm, das Kindern Selbstvertrauen schenkt

Ben Furman, Ich schaff’s!, Spielerisch und praktisch Lösungen mit Kindern finden – Das 15-Schritte-Programm für Eltern, Erzieher und Therapeuten

Kinder geraten im Alltag immer wieder in schwierige Situationen – und damit oft auch in Konflikte mit den Menschen, die sie betreuen. Eltern und pädagogische Fachkräfte können davon ein Lied singen, und die Belastung ist in vielen Familien groß. Umso wertvoller ist ein Ansatz, der nicht nur Symptome bekämpft, sondern Kindern und Erwachsenen gleichermaßen hilft.

Mit „Ich schaff’s!“ stellt der finnische Psychiater Ben Furman ein 15-Schritte-Programm vor, das weltweit erfolgreich eingesetzt wird – und dennoch längst nicht überall bekannt ist. Das Besondere daran: Kinder werden nicht wie kleine Erwachsene behandelt, sondern als eigenständige Persönlichkeiten, die lernen wollen und können.

Vom Problem zur Fähigkeit

Der entscheidende Perspektivwechsel: Nicht das Defizit steht im Mittelpunkt, sondern die Fähigkeit, die das Kind noch entwickeln darf. Bereits im ersten Schritt wird ein unerwünschtes Verhalten in eine positive Lernaufgabe übersetzt. Im zweiten Schritt wird das Kind aktiv einbezogen – es erlebt, dass man ihm etwas zutraut. Diese Haltung unterscheidet sich deutlich von vielen herkömmlichen pädagogischen und therapeutischen Ansätzen. Das Kind ist nicht Objekt von Maßnahmen, sondern handelndes Subjekt, das selbst Einfluss nehmen kann.

Wertschätzend, strukturiert, wirksam

Das Programm zeigt Kindern klar, welche Verhaltensweisen sie verändern möchten. Und es gibt ihnen Werkzeuge an die Hand: unterstützende Gedanken, Helferfiguren, ermutigende Namen für ihre neue Fähigkeit. Fortschritte werden gefeiert – Strafen oder Beschämung haben hier keinen Platz. Lernen wird als normaler, gemeinsamer Prozess verstanden, nicht als Mangel, der sanktioniert werden muss.

Ein Ansatz für alle, die mit Kindern arbeiten

„Ich schaff’s!“ vermittelt den Kindern das Gefühl von Selbstwirksamkeit – und stärkt zugleich das Miteinander in Familien und Einrichtungen. Die vielen Praxisbeispiele im Buch machen deutlich, wie auch bei hartnäckigen Verhaltensmustern positive Veränderungen möglich sind, wenn man mit Respekt, Geduld und klarer Struktur vorgeht.

Ein empfehlenswertes Buch für Eltern, Erzieherinnen, Lehrer und Therapeuten – und für alle, die Kindern nicht nur Verhaltensänderungen abverlangen, sondern sie dabei wirklich unterstützen wollen.

Daniela Körner




Arbeitsgedächtnistraining steigert Leistungen und bessert Bildungswege

Langfristige Effekte einer im Unterricht verankerten Intervention bei Erstklässlern

Kinder, die bereits in der ersten Klasse gezielt ihr Arbeitsgedächtnis trainieren, profitieren langfristig nicht nur in diesem Bereich, sondern auch in anderen schulischen und kognitiven Fähigkeiten. Das zeigt eine groß angelegte Feldstudie, geleitet von Ernst Fehr, Professor für Mikroökonomik und experimentelle Wirtschaftsforschung an der Universität Zürich sowie Direktor des UBS International Center of Economics in Society. Gemeinsam mit Eva M. Berger, Henning Hermes, Daniel Schunk und Kirsten Winkel untersuchte er die kausalen Auswirkungen eines in den regulären Schulunterricht eingebetteten Arbeitsgedächtnistrainings bei 6- bis 7-jährigen Grundschulkindern.

„Wir stellen erhebliche Zuwächse bei der WM-Kapazität fest und dokumentieren positive Spillover-Effekte auf Geometrie, fluiden IQ und inhibitorische Kontrolle“, so die Autorinnen und Autoren. Drei Jahre nach Abschluss der Intervention war die Wahrscheinlichkeit, dass die teilnehmenden Kinder einen akademischen Bildungsweg einschlagen, um 16 Prozentpunkte höher als in der Kontrollgruppe.

Fünf Wochen Training im Schulalltag

Das Training erstreckte sich über 25 aufeinanderfolgende Schultage und wurde anstelle des regulären Unterrichts in Mathematik oder Deutsch in einer der ersten beiden Stunden durchgeführt. Die Kinder erhielten eine Reihe strukturierter Übungen, die von den Lehrkräften als normale Unterrichtseinheit präsentiert wurden. „Die Kinder in der Versuchsgruppe wussten nicht, dass sie an einem Experiment teilnahmen“, betonen die Forschenden.

Diese Einbettung in den Schulalltag sorgte für hohe Akzeptanz bei Kindern und Lehrkräften. Dass dabei 25 Unterrichtsstunden in den Hauptfächern ersetzt wurden, erwies sich nicht als Nachteil. Im Gegenteil: „Unsere Behandlungseffekte beinhalten bereits die Opportunitätskosten der versäumten Schulstunden. Das bedeutet, dass die Kinder einen Nettonutzen aus dem WM-Training gezogen haben.“

Langsame, aber nachhaltige Wirkung

Während sich Verbesserungen im Arbeitsgedächtnis sofort nach dem Training zeigten, traten andere Effekte erst mit zeitlichem Abstand auf. „Die Spillover-Effekte treten nicht kurzfristig auf. Stattdessen zeigen sie im Verlauf mehrerer Evaluierungswellen ein steigendes Muster.“

Nach sechs Monaten wurden Fortschritte in Geometrie und im fluiden IQ messbar, nach zwölf bis dreizehn Monaten kam eine Verbesserung der inhibitorischen Kontrolle hinzu – also der Fähigkeit, impulsive Reaktionen zu hemmen. Die Effektstärken in diesen Bereichen lagen zwischen 0,24 und 0,38 Standardabweichungen.

Warum frühe Förderung wirkt

Die Forschenden führen die Erfolge auch auf die hohe Plastizität des kindlichen Gehirns in diesem Alter zurück. Früh erworbene Fähigkeiten erleichtern den Erwerb weiterer Kompetenzen – ein Prozess, den die Bildungsökonomie als Selbstproduktivität und dynamische Komplementarität beschreibt. „In einer Phase erworbene Qualifikationen erhöhen die in späteren Phasen erworbenen Qualifikationen“, heißt es in der Studie.

Bedeutung für die Praxis

Für Lehrkräfte macht die Untersuchung deutlich, dass gezielte Förderung exekutiver Funktionen wie des Arbeitsgedächtnisses nicht nur kurzfristige Lerneffekte bringen kann, sondern langfristig den gesamten Bildungsweg beeinflusst. Entscheidend ist dabei die Integration in den regulären Unterricht und die kontinuierliche Durchführung über mehrere Wochen.

Quelle:

Berger, Eva M.; Fehr, Ernst; Hermes, Henning; Schunk, Daniel; Winkel, Kirsten (2025): The Causal Effects of Working Memory Training on Cognitive and Noncognitive Skills in Children. Journal of Political Economy, 133(2), The University of Chicago Press.




Ausgezeichnet von spiel gut: Follies von Lessing

spielgut-follies

Ein Bauspiel, bei dem Kinder frei bauen und Erfahrungen mit Statik und Balance machen können

Der Begriff Folly, bzw. die Mehrzahl Follies, ist eine englische Bezeichnung für Gartenkunst und Architektur und bezeichnet skulpturale Turmbauten.

Im Follies-Grundkasten sind keilförmige Bausteine in drei unterschiedlichen Größen enthalten. Die Oberfläche der unbehandelten Steine ist geriffelt, dadurch entstehen neuartige Baumöglichkeiten. Einfach ausprobieren, was hält und was nicht – sogar Torbögen können gebaut werden.

spielgut_logo

Der Ergänzungsbausatz „Follies plus“ enthält die Formen Dreieck, Quadrat und Rechteck und damit noch mehr Möglichkeiten beim Turmbau. Bei der Packung „Follies im Sack“ sind alle Größen und Formen enthalten. Nicht nur Kindern macht es Spaß, damit Erfahrungen mit Statik und Balance zu machen. Die Bausteine eignen sich auch gut als Ergänzung zu anderem Baumaterial.

Ab sechs Jahren ist mit den Follies ein Gesellschafts-Bauspiel spielbar: Alle Steine werden gleichmäßig unter den Mitspielenden verteilt. Abwechselnd werden Steine zu einem Turm verbaut. Es gewinnt derjenige, der als Letzter einen Stein legt, ohne dass der Turm einstürzt.

Follies: 18 Keile in 3 verschiedenen Größen, geriffelte Oberfläche, Buche natur.
Follies plus: 14 Steine, drei verschiedene Formen, geriffelte Oberfläche, Buche natur.
Follies im Sack: 30 Steine – Keile, Dreiecke, Quadrate, Rechtecke in verschiedenen Größen, geriffelte Oberfläche.

Grundmaß: 5,5 cm.

Follies ist ein Bauspiel, bei dem Kinder frei bauen und Erfahrungen mit Statik und Balance machen können – und das auch Erwachsene zur Entspannung gern in die Hand nehmen. Ein guter Grund, das Baumaterial mit spiel gut auszuzeichnen.

Follies, Follies plus + Follies im Sack
Preis
: 30 bis 40 €
Marke: Lessing
Hersteller: Lessing Produktgestaltung




Tagung zur Kindheitsforschung: Zwischen Normalisierung und Behinderung

Vom 10. bis 12. September 2025 treffen sich internationale Expertinnen und Experten in Duisburg-Essen, um über Selbstbestimmung, Vulnerabilität und Inklusion in der Kindheit zu diskutieren.

Wie lässt sich die grundsätzliche Abhängigkeit von Kindern ernst nehmen, ohne ihnen ihre Selbstbestimmung abzusprechen – insbesondere, wenn sie mit einer Behinderung leben? Diese Frage steht im Zentrum der internationalen Tagung „Exploring Vulnerability in Childhood. Between Normalization and Disablement“, die vom 10. bis 12. September 2025 an der Universität Duisburg-Essen stattfindet.

Wissenschaftlicher Austausch mit globaler Perspektive

Die Tagung bringt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Kindheitsforschung, den Disability Studies und der Philosophie der Kindheit zusammen. Eingeladen hat die Arbeitsgruppe Kindheitsforschung am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Duisburg-Essen. Forschende aus sieben Ländern reisen an, um sich über aktuelle Diskurse auszutauschen und neue Impulse zu setzen.

Veranstaltet von der Universität Duisburg-Essen

Prof. Dr. Anja Tervooren, Leiterin der Arbeitsgruppe Kindheitsforschung, betont: „Die Kindheitsforschung ist gefordert, sowohl die Verletzlichkeit aller Kinder als auch ihr Recht auf Selbstbestimmung in den Blick zu nehmen. Besonders wichtig ist es, Kindheiten von als behindert verstandenen Kindern zu analysieren, um Kindheit insgesamt besser zu verstehen.“ Sie verweist dabei auf die englischsprachige Forschung, die hierzulande bislang nur unzureichend rezipiert werde.

Keynotes, Panels und Poster – ein vielfältiges Programm

Die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Tagung findet im Glaspavillon am Campus Essen statt. Neben Keynotes aus Kanada, Großbritannien und Deutschland sind drei thematische Panels geplant, in denen aktuelle Forschungsprojekte vorgestellt werden. Eine Posterausstellung ergänzt das Programm.

Politik und Praxis im Blick

Ein besonderer Programmpunkt ist die Podiumsdiskussion mit Bezug auf aktuelle politische Entwicklungen – insbesondere zum Zusammenspiel von Forschung und Elterninitiativen in Großbritannien. Prof. Tervooren sieht darin ein mögliches Vorbild für andere Länder.

Weitere Informationen zur Tagung und zum Programm finden sich demnächst auf der Website des Instituts für Erziehungswissenschaft der Universität Duisburg-Essen. Die Veranstaltung richtet sich an Fachpublikum, Promovierende, Studierende und Interessierte aus Wissenschaft, Praxis und Politik.

Weitere Informationen und Anmeldung: https://www.uni-due.de/biwi/kindheitsforschung/exploringvulnerablity.php




Emotionen verstehen: Wie Kinder lernen, Gefühle einzuordnen

Mit dem Alter steigt die Bedeutung von konzeptuellem Wissen, während die reine Wahrnehmung an Einfluss verliert

Wie entwickeln Kinder die Fähigkeit, die Gefühle anderer zu verstehen? Diese zentrale Frage beantwortet eine aktuelle Studie des Forschungsteams um Shuran Huang, Seth D. Pollak (University of Wisconsin–Madison) und Wanze Xie (Peking University), veröffentlicht im Fachjournal Nature Communications (Band 16, Artikelnummer 6838, 2025). Im Fokus der umfangreichen Untersuchung stehen zwei grundlegende Prozesse: die spontane Wahrnehmung von Gesichtsausdrücken und das konzeptuelle Wissen über Emotionen. Die Ergebnisse zeigen: Bereits Kinder im Vorschulalter können Gesichtsausdrücke differenziert erkennen – doch mit zunehmendem Alter wird das Verständnis anderer Menschen immer stärker durch erlerntes Wissen geprägt.

Die Studie belegt, dass sich das Emotionsverständnis von einer rein wahrnehmungsbasierten Analyse hin zu einer komplexeren, kontextsensiblen Deutung auf Basis von Erfahrungswissen verschiebt. Der Einfluss der bloßen Wahrnehmung nimmt im Laufe der Kindheit messbar ab, während die Rolle des konzeptuellen Wissens – etwa über kulturelle Bedeutungen von Emotionen – wächst. Die Ergebnisse haben direkte Implikationen für Bildungs- und Erziehungsprozesse und stützen aktuelle emotionstheoretische Ansätze, die auf das Zusammenspiel von Wahrnehmung, Sprache und sozialen Erfahrungen setzen.

Drei Studien – ein entwicklungspsychologischer Gesamtblick

Die Forschenden führten drei eng miteinander verknüpfte Studien mit derselben Kinderkohorte im Alter von fünf bis zehn Jahren durch. Ziel war es, die Entwicklung des Emotionsverständnisses aus verschiedenen Perspektiven systematisch zu analysieren:

  1. Studie 1 untersuchte mithilfe eines EEG-Frequenzmarkierungsverfahrens (Fast Periodic Visual Stimulation, FPVS), wie spontan und differenziert Kinder Gesichtsausdrücke unterscheiden.
  2. Studie 2 erfasste das konzeptuelle Wissen über Emotionen mit einer Bewertungsaufgabe, bei der Kinder Assoziationen zwischen emotionalen Begriffen und Gefühlskategorien herstellten.
  3. Studie 3 testete das konkrete Emotionsverständnis über zwei Verhaltensaufgaben – eine Sortieraufgabe und eine Zuordnungsaufgabe.

Durch eine Repräsentative Ähnlichkeitsanalyse (RSA) wurde anschließend untersucht, inwiefern die neuronalen und konzeptuellen Prozesse das emotionale Urteilsvermögen der Kinder vorhersagen – unter Berücksichtigung ihres Alters.

Wahrnehmungsfähigkeit ist früh vorhanden – verliert aber an Bedeutung

Die EEG-Daten aus Studie 1 zeigen: Kinder im Alter von fünf bis sechs Jahren verfügen bereits über eine stabile Fähigkeit, zwischen verschiedenen stereotypen Gesichtsausdrücken zu unterscheiden – auch innerhalb negativer Emotionen wie Angst, Traurigkeit und Wut. Diese Fähigkeit bleibt über das gesamte Kindesalter hinweg bestehen. Die Oddball-Reaktionen im EEG waren dabei in allen Altersgruppen nachweisbar, insbesondere für Unterschiede zwischen positiven und negativen Emotionen. Eine zusätzliche Kontrollgruppe zeigte, dass diese Reaktionen tatsächlich auf die Verarbeitung der Gesichtskonfigurationen und nicht auf einzelne Merkmale zurückzuführen sind.

Doch obwohl die Fähigkeit zur Unterscheidung früh vorhanden ist, nimmt ihr Beitrag zur Emotionsbeurteilung mit zunehmendem Alter ab. Die RSA-Modelle belegten, dass insbesondere jüngere Kinder sich bei der Einschätzung emotionaler Zustände stärker auf wahrnehmungsbasierte Hinweise verlassen – dieser Einfluss schwindet jedoch im Grundschulalter deutlich.

Konzeptuelles Wissen wird zum zentralen Faktor

In Studie 2 wurde sichtbar, dass das konzeptuelle Wissen über Emotionen im Alter zwischen fünf und zehn Jahren deutlich differenzierter wird. Kinder lernten, die Ähnlichkeit und Unterschiede zwischen emotionalen Konzepten besser zu erfassen. Während jüngere Kinder noch starke konzeptuelle Überschneidungen zwischen Glück und negativen Emotionen zeigten, konnten ältere Kinder diese klarer voneinander abgrenzen. Gleichzeitig entwickelten sie ein differenzierteres Verständnis dafür, wie ähnlich sich beispielsweise Wut und Angst in bestimmten Kontexten sein können.

Diese Entwicklung wurde mithilfe von Korrelationen zwischen Emotionspaaren und einer multidimensionalen Skalierungsanalyse belegt. Die zunehmende Differenzierung deutet darauf hin, dass Kinder mit wachsendem Alter nicht nur über mehr emotionales Wissen verfügen, sondern auch über eine strukturiertere emotionale Kategorisierung, die über einfache Valenz-Urteile hinausgeht.

Verhaltensexperimente bestätigen den Entwicklungsverlauf

Die Verhaltensaufgaben in Studie 3 bestätigten die Ergebnisse der EEG- und Wissensmessungen. Jüngere Kinder konnten Emotionen zwar unterscheiden, verwechselten jedoch häufig einzelne negative Ausdrücke. Erst mit zunehmendem Alter wurden ihre Urteile präziser. Besonders auffällig: In der Zuordnungsaufgabe stieg der Einfluss des konzeptuellen Wissens mit dem Alter signifikant an. Bei der Sortieraufgabe zeigte sich hingegen, dass Wahrnehmungsunterscheidung vor allem bei jüngeren Kindern eine Rolle spielte.

Die Kombination beider Aufgaben legt nahe, dass emotionale Beurteilung keine einheitliche kognitive Leistung ist, sondern durch verschiedene Teilprozesse getragen wird. Je nach Aufgabe und Kontext werden dabei unterschiedliche Strategien aktiviert – entweder eher wahrnehmungsbasiert oder wissensbasiert.

Emotionale Intelligenz ist beeinflussbar

Die Ergebnisse dieser Forschungsreihe liefern wichtige Erkenntnisse für die Entwicklungspsychologie, Emotionsforschung und Bildungspraxis. Sie zeigen, dass sich das Verständnis von Emotionen bei Kindern nicht nur durch sensorische Erfahrung, sondern in hohem Maße durch begriffliches Lernen, sprachliche Einbettung und kulturelle Prägung entwickelt. Die emotionale Kompetenz ist damit nicht nur biologisch verankert, sondern stark durch Umwelt und Erziehung beeinflussbar.

Für Eltern, pädagogische Fachkräfte und Bildungsinstitutionen bedeutet dies: Die Förderung emotionaler Kompetenzen sollte sich nicht ausschließlich auf die Erkennung von Mimik oder Körpersprache konzentrieren, sondern auch gezielt das Verständnis für emotionale Konzepte, deren sprachliche Bezeichnungen und deren soziale Kontexte einbeziehen.

Quelle:

Huang, S., Pollak, S. D. & Xie, W. (2025). Developmental shift from perceptual to conceptual processes in children’s emotion understanding. Nature Communications, 16, Artikelnummer: 6838.
https://www.nature.com/articles/s41467-025-62210-1

Universitäten:

  • Department of Psychology, Peking University, China
  • Department of Psychology, University of Wisconsin–Madison, USA

Gernot Körner




Kosmetikprodukte sollten nicht auf zarte Kinderhaut

Ein kritisches Licht wirft eine Kurzzeitstudie der Times auf einen besorgniserregenden Trend: Bereits Babys im Alter von sechs Monaten kommen in Kontakt mit Kosmetika, was große gesundheitliche Risiken birgt

Kinder lieben es, sich zu verkleiden, in Rollen zu schlüpfen und dabei manchmal auch das Verhalten von Erwachsenen nachzuahmen. Ob Prinzessin mit Lippenstift oder Tierpfleger mit Bartschatten – im Spiel ist fast alles erlaubt. Doch was harmlos beginnt, kann in der Realität problematisch werden, wenn Kosmetika mit potenziell schädlichen Inhaltsstoffen direkt auf empfindlicher Kinderhaut angewendet werden.

Eine aktuelle Kurzzeitstudie aus Schottland hat nun erstmals systematisch untersucht, wie verbreitet der Gebrauch von Kosmetikprodukten bei sehr kleinen Kindern ist – und welche Folgen er haben kann. Die Ergebnisse sind alarmierend.

Kosmetikprodukte auf Babyhaut – ein wachsendes Phänomen

Die Untersuchung wurde im Zeitraum von zwölf Monaten ab Januar 2024 an der Kinderklinik des Ninewells Hospital in Dundee (Schottland) durchgeführt. Befragt wurden über 60 Eltern, deren Kinder aus anderen medizinischen Gründen in dermatologischer Behandlung waren. Fast die Hälfte der Kinder war regelmäßig atypischen Kosmetikprodukten ausgesetzt – also Produkten, die nicht zur regulären Körperpflege zählen, wie Parfüm, Make-up oder Haarbleichmittel.

Die Bandbreite des Einsatzes war erstaunlich: Lipgloss bei sechs Monate alten Babys, Parfüm bei Einjährigen, temporäre Tattoos bei Vorschulkindern. In einem besonders drastischen Fall wurde ein einjähriges Mädchen mit künstlicher Bräune, Acrylnägeln, Haarentferner, Lippenstift und Parfüm behandelt – ein ganzer Schönheitskatalog auf einem kindlichen Körper.

Allergien und Hautreaktionen nehmen zu

Die Konsequenzen solcher Anwendungen zeigen sich in der dermatologischen Praxis: Laut den Studienautoren verzeichnen Allergieambulanzen eine steigende Zahl von Kindern mit allergischer Kontaktdermatitis – einer entzündlichen Hautreaktion, die mit Rötung, Juckreiz oder sogar Blasenbildung einhergehen kann.

Besonders problematisch: Die Haut von Babys und Kleinkindern ist deutlich dünner als die von Erwachsenen und nimmt chemische Substanzen schneller auf. Duftstoffe, Konservierungsmittel und andere Inhaltsstoffe, wie sie in vielen Kosmetika vorkommen, können bereits in kleinsten Mengen allergische Reaktionen auslösen.

Einige der verwendeten Produkte – etwa temporäre Tattoos oder Nagellacke – enthalten nachgewiesene Kontaktallergene wie Paraphenylendiamin oder Acrylate. Diese können nicht nur lokale Reizungen hervorrufen, sondern auch eine Sensibilisierung bewirken, die lebenslang bestehen bleibt.

Was Eltern motiviert

Warum Eltern ihren Kleinkindern derart früh Zugang zu Kosmetikprodukten ermöglichen, hat viele Gründe. Einige sehen darin ein „harmloses Spiel“ oder möchten den Kindern ein modisches Erlebnis bieten. Andere folgen unbewusst medialen Vorbildern, in denen Beauty-Tutorials und „Glow-ups“ längst zum Kinderalltag geworden sind.

Auch Marketing spielt eine Rolle: Inzwischen gibt es ganze Produktlinien, die sich gezielt an sehr junge Zielgruppen richten. Influencer-Kinder, Social-Media-Challenges und Eltern, die ihre Kleinen wie Mini-Erwachsene stylen, tragen zur Normalisierung bei – oft ohne Wissen über die Inhaltsstoffe oder gesundheitlichen Risiken.

Was können Eltern und Pädagog*innen tun?

Die Fachgesellschaft British Association of Dermatologists empfiehlt ganz klar: Weniger ist mehr – vor allem bei Kinderhaut. Während Pflegeprodukte wie milde Shampoos oder Sonnencreme notwendig und sinnvoll sind, sollten Kosmetika wie Make-up, Parfüm oder Nagellack in den ersten Lebensjahren tabu sein.

Das bedeutet jedoch nicht, dass Rollenspiele oder kreative Ausdrucksformen unterbunden werden müssen. Im Gegenteil: Viele Kinder haben Freude daran, sich zu schminken oder zu „verschönern“ – das gehört zum kindlichen Spiel- und Lernverhalten. Der entscheidende Punkt ist: Es braucht sichere Alternativen.

Kindgerechtes Schminken – aber bitte ohne Chemie

Anstatt echter Kosmetika lassen sich fantasievolle Alternativen nutzen: hautverträgliche Kinderschminke, Sticker, Masken oder wasserlösliche Malfarben. Auch Bastel- oder Rollenspiele, bei denen Kinder ihre eigenen „Pflegeprodukte“ herstellen oder anwenden dürfen – etwa aus Ton, Papier oder Naturmaterialien – bieten kreative und sichere Möglichkeiten.

Zudem lohnt es sich, mit Kindern (und Eltern) früh über Inhaltsstoffe, Werbung und Hautgesundheit zu sprechen – altersgerecht, aber ehrlich. Wer weiß, dass „Glow“ nicht auf Kosten der Gesundheit geht, wird vielleicht ganz von selbst kritisch auf die Lippenstiftflasche für Kleinkinder schauen.

Kosmetik gehört nicht auf Babyhaut

Was zunächst wie ein harmloses Spiel aussieht, kann ernsthafte gesundheitliche Folgen haben. Eltern, Erziehende und pädagogische Fachkräfte tragen gemeinsam Verantwortung dafür, Kinder nicht nur zu schützen, sondern sie auch stark und kritisch zu machen. Denn Schönheit beginnt nicht mit Lipgloss – sondern mit Wissen, Vertrauen und gesunder Haut.

Mehr zur Studie:

https://academic.oup.com/bjd/article/193/Supplement_1/ljaf085.286/8162027




Studie warnt: früh am Smartphone – später in der Krise

Trotz eindeutiger Forschungsergebnisse setzen viele Kitas in Deutschland weiterhin auf Tablets – und ignorieren damit gravierende Risiken für die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen

Es ist immer einfacher, dem eigenen Kind das Smartphone in die Hand zu drücken, während man sich der Präsentation für den nächsten Arbeitstag widmet. Doch nach und nach wird aus dem gelegentlichen Ablenken ein immer häufiger geäußerter Wunsch – und schließlich ein nicht selten dramatisch inszenierter Anspruch. Auf Social Media kursieren inzwischen unzählige Clips, in denen Kleinkinder wütend oder gar hysterisch reagieren, wenn ihnen Smartphones oder Tablets verwehrt werden.

Dass es sich hierbei nicht nur um kurzfristige Erziehungskrisen handelt, zeigt nun eine aktuelle, internationale Langzeitstudie, die im Journal of Human Development and Capabilities veröffentlicht wurde. Die Forschenden rund um Dr. Tara Thiagarajan, Chefwissenschaftlerin der gemeinnützigen Organisation Sapien Labs, haben Daten von über 130.000 jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 24 Jahren aus weltweit mehr als 60 Ländern ausgewertet – darunter allein 14.000 in Indien.

Der frühe Smartphone-Zugang hinterlässt Spuren

Das zentrale Ergebnis der Untersuchung: Wer bereits vor dem 13. Lebensjahr ein Smartphone besaß, zeigte als junger Erwachsener deutlich häufiger Symptome schwerer psychischer Belastungen. Betroffen waren nicht nur depressive Verstimmungen und Angstzustände, sondern auch Realitätsverlust, Halluzinationen, Aggressionen und Suizidgedanken. Bei Frauen, die bereits mit fünf oder sechs Jahren ein Smartphone nutzten, lag der Anteil derjenigen mit suizidalen Gedanken bei alarmierenden 48 Prozent – bei gleichaltrigen Männern immerhin bei 31 Prozent.

Die Studie stellt zudem klar: Dieser Trend ist kulturübergreifend und unabhängig vom Herkunftsland konsistent – was die These untermauert, dass der Einfluss digitaler Geräte auf das sich entwickelnde Gehirn tiefgreifend und global vergleichbar ist. Die vollständige Studie ist öffentlich zugänglich über Sapien Labs (PDF) sowie auf EurekAlert.

Trotz Warnungen: Digitale Medien in deutschen Kitas auf dem Vormarsch

Vor diesem Hintergrund erscheint es geradezu paradox, dass es in Deutschland weiterhin Krippen und Kindertageseinrichtungen gibt, die gezielt Tabletzeiten für Krippen- und Kindergartenkinder einführen, statt Eltern über die langfristigen Risiken digitaler Mediennutzung im frühen Kindesalter aufzuklären.

Wissenschaftliche Warnungen gibt es längst nicht nur von Sapien Labs. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und UNICEF weisen seit Jahren auf die negativen Folgen übermäßiger Bildschirmnutzung bei Kindern hin – insbesondere auf emotionale Belastungen, Schlafstörungen, Konzentrationsprobleme und soziale Rückzugsverhalten.

Doch anstatt klare Präventionsmaßnahmen zu treffen oder medienfreie Räume zu schaffen, wird vielerorts weiterhin die sogenannte digitale Teilhabe auch im U3-Bereich als pädagogischer Fortschritt verkauft. Eine kritische Debatte über die tatsächlichen Kosten dieser Frühdigitalisierung findet bislang kaum statt.

Besonders bemerkenswert ist, dass Deutschland – gemeinsam mit Norwegen – offenbar eine der wenigen Ausnahmen bildet: Während in Schweden, Finnland, Estland und Dänemark der Einsatz von bildschirmgestützten Lernmitteln in Krippen nicht zum Standard gehört und teilweise durch Empfehlungen oder gesetzliche Einschränkungen ausdrücklich vermieden wird, experimentieren deutsche Träger sogar in U3-Gruppen mit Touchscreens, Tablets und digitalen Bildungsangeboten. Damit steht Deutschland international nahezu allein da – und das, obwohl viele der genannten Länder als Vorreiter einer wissenschaftlich fundierten Frühpädagogik gelten.

Was jetzt gebraucht wird

Dr. Thiagarajan fordert angesichts der Studienergebnisse nichts weniger als einen strikten Ausschluss von Smartphones für Kinder unter 13 Jahren – sowie umfassende politische und bildungssystemische Reformen, um Kinder und Jugendliche in digitalen Umgebungen besser zu schützen. Sie betont: „Wir sehen in den Daten eine sehr klare Altersgrenze, unterhalb derer der Zugang zu Smartphones massiv mit psychischer Instabilität im späteren Leben korreliert.“

Die Frage, die sich nun stellt: Wie viele wissenschaftlich fundierte Warnsignale braucht es noch, bis auch im deutschen Bildungswesen gehandelt wird? Und wie lange wird die Verantwortung für psychische Belastungen bei Heranwachsenden noch allein den Eltern zugeschoben – während Bildungseinrichtungen selbst aktiv zur digitalen Frühprägung beitragen?

Weiterführende Quellen:

Gernot Körner

cover-krenz-medienkompetenz

Medienkompetenz beginnt bei den Erwachsenen

Kinder jeden Alters erleben die vielfältige digitale Mediennutzung überall in ihrem Lebensalltag. Da bleibt es nicht aus, dass sie sich ebenfalls der Faszination digitaler Medien nicht entziehen können. Gleichzeitig gehört es zu den >Lebenskompetenzen< eines Menschen, mit den unübersehbaren und besonders verlockenden Angeboten in einer stark konsumorientierten […]weiterlesen

Armin Krenz: Medienkompetenz beginnt mit der Sach- und Medienkompetenz bei den Erwachsenen und nicht zuvorderst „am“ Kind! Heft, 28 Seiten, 5 €.




Frühkindliche Betreuung: Was bleibt langfristig?

Internationale Studien zeigen: Die Qualität und Dauer frühkindlicher Betreuung haben Einfluss auf die kindliche Entwicklung – aber nicht auf alles und nicht bei allen

Wie wirken sich frühe außerfamiliäre Betreuungsformen auf Kinder langfristig aus? Dieser Frage gingen Forschende in mehreren groß angelegten Studien nach – allen voran das US-amerikanische „NICHD Early Child Care Research Network“. In der bis heute vielfach zitierten Langzeitstudie (n = 1.364) wurden Kinder von der frühen Kindheit bis zur sechsten Klasse (Ø Alter: 12 Jahre) begleitet. Die Ergebnisse zeigen ein differenziertes Bild: Die Qualität der elterlichen Erziehung blieb durchgängig der stärkste Prädiktor für die Entwicklung der Kinder – deutlich gewichtiger als Betreuungsform oder -dauer. Dennoch hatten auch Betreuungseinrichtungen messbare Effekte.

Sprachförderung versus Verhaltensauffälligkeiten?

Kinder, die früh qualitativ hochwertige Betreuung erhielten, erzielten später bessere Ergebnisse in Wortschatztests. Gleichzeitig zeigte sich ein Zusammenhang zwischen der Länge des Aufenthalts in Kindertagesstätten und sogenannten externalisierenden Verhaltensproblemen (z. B. Impulsivität, Aggression) – zumindest aus Sicht der Lehrkräfte.

Die Studienautoren betonen jedoch: Die beobachteten Effekte waren zwar statistisch signifikant, in ihrer Größe jedoch vergleichsweise klein. In der Diskussion wird daher vor allem auf die potenziellen kollektiven Effekte hingewiesen – also auf die Frage, wie sich selbst kleine individuelle Effekte auf gesellschaftlicher Ebene auswirken könnten. Die Langzeituntersuchung läuft derzeit weiter – aktuell mit Fokus auf die Jugendlichen im Alter von 15 Jahren.

Keine grundsätzliche Gefahr für die Bindungssicherheit

Ein oft diskutiertes Thema ist der Zusammenhang zwischen frühkindlicher Fremdbetreuung und der Entwicklung einer sicheren Bindung. Auch hier geben die Daten des NICHD Netzwerks zunächst Entwarnung: Säuglinge mit umfangreicher Betreuungserfahrung zeigten im Alter von 15 Monaten keine grundsätzlich andere Bindungsqualität als Kinder ohne solche Erfahrungen. Wichtiger für die Bindung war laut Studie vor allem die mütterliche Sensibilität im Umgang mit dem Kind.

Allerdings traten Risiken dann auf, wenn mehrere belastende Faktoren zusammenkamen: etwa eine geringe mütterliche Feinfühligkeit und eine schlechte Qualität der Betreuung, viele Betreuungsstunden oder häufige Betreuungswechsel. Bestimmte Geschlechterkonstellationen – z. B. Jungen mit langen Betreuungszeiten oder Mädchen mit sehr wenig Betreuung – waren zusätzlich anfälliger für Bindungsunsicherheit.

Die Haifa-Studie: Qualität als Schlüsselfaktor

Eine israelische Langzeitstudie mit 758 Säuglingen stützt diese Befunde: Kinder, die in klassischen Kindertagesstätten betreut wurden, hatten eine höhere Wahrscheinlichkeit, eine unsichere Bindung zur Mutter zu entwickeln – insbesondere im Vergleich zu Kindern, die zu Hause oder in kleineren Settings betreut wurden (z. B. durch Verwandte oder Tagesmütter). Als zentrale Ursache identifizierten die Forschenden die Qualität der institutionellen Betreuung – insbesondere in Einrichtungen mit schlechtem Fachkraft-Kind-Schlüssel.

Auf die Qualität kommt es an

Die Ergebnisse der Studien belegen: Frühkindliche Betreuung per se ist weder schädlich noch automatisch förderlich. Entscheidend sind die Qualität der Betreuung, die Sensibilität der Eltern und individuelle Konstellationen. Betreuungsmodelle, die auf stabile Beziehungen, geringe Gruppengrößen und eine enge Zusammenarbeit mit den Familien setzen, können Kinder gut unterstützen – insbesondere dann, wenn Eltern durch berufliche oder soziale Belastungen weniger präsent sein können.

Langfristig bleibt die wichtigste Aufgabe der frühen Betreuungseinrichtungen also nicht nur, Kinder zu „versorgen“, sondern Bindung, Sprache, soziale Kompetenz und emotionale Sicherheit gezielt und feinfühlig zu fördern.

Gernot Körner