Konzepte und Ansätze benötigen individualisierte Alleinstellungsmerkmale

Primärbedeutsame Merkmale sind keine Konzepte, sondern gehören zu jeder professionell gestalteten Elementarpädagogik

Eine professionell gestaltete Pädagogik orientiert sich stets an unterschiedlichen Ausgangsdaten mit ihren besonderen, klar beschriebenen und festgelegten Aussagemerkmalen. Überträgt man diese Aussage auf die Elementarpädagogik, so fallen verschiedene Merkmale ins Gewicht, die sich vor allem aus berufspolitischen Verbindlichkeiten, gesetzlichen Vorgaben, bundes- und länderspezifischen Richtlinien bzw. Verordnungen und vor allem aus wissenschaftlichen Forschungsergebnissen sowie Erkenntnissen ergeben.

Wann Kindertagesstättenarbeit gelingt

Die Elementarpädagogik, in der die Krippen- und Kindertagesstättenarbeit angesiedelt ist, trägt neben der elterlichen Erziehung in ganz besonderer Weise mit einem überaus hohen Bedeutungswert zum prozessualen Entwicklungsgeschehen in Kindern bei. Hier werden in bestem Falle Entwicklungsgrundlagen mit einer nachhaltigen Wirkung in Gang gesetzt bzw. stabilisiert, die wesentliche Persönlichkeitsmerkmale in eine förderliche Entwicklung bringen. Im Gegensatz dazu kann es allerdings auch passieren, dass die institutionelle „Erziehung, Betreuung und Bildung“ ihren Auftrag nicht angemessen erfüllt, wenn eine Konzeptionslosigkeit, indifferente Aussagen, fehlende Konzepte, ungenaue bzw. allgemein gehaltene Konzeptbeschreibungen, nur punktuell umgesetzte pädagogische Ansätze oder unangemessene pädagogische Ansätze die Arbeit bestimmen.

Konzepte sind Wegweiser – pädagogische Ansätze haben verbindliche Merkmale!

In der pädagogischen Praxis werden die beiden Termini häufig gleichgesetzt oder verwechselt, was aus professioneller Sicht nicht geschehen sollte. Konzepte sind so genannte „Wegweiser“ für die pädagogische Arbeit, in der Ziele, Methoden, Inhalte, Werte, das Menschenbild sowie Struktur- und Prozessvorschläge genannt sind. Sie sind in der Regel durch Absichten, Beispiele, persönliche Erfahrungen und generell bedeutsame Allgemeinaussagen belegt.

Im Gegensatz dazu fußt ein pädagogischer Ansatz auf einem differenziert beschriebenen Menschenbild, erfasst und beschreibt sämtliche Grundsätze und Grundlagen als verbindliche Anforderungen, vernetzt bei neueren Ansätzen wissenschaftliche Erkenntnisse aus den unterschiedlichen Fachdisziplinen der Entwicklungspsychologie, Bindungs- und Bildungsforschung, beschreibt ethische, ästhetische und kommunikative/ interaktionsbedeutsame Werte, leitet aus den Zielsetzungen praktische Handlungskompetenzen und -notwendigkeiten ab und entwickelt sich anhand neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse wenn nötig weiter.

Damit ist einer persönlich geprägten Vorliebe oder subjektiven Arbeitsausrichtung stets ein fachlich gesetzter Riegel vorgeschoben.   

Konzepte bzw. pädagogische Ansätze ergeben sich stets aus einer Situationsanalyse

Im Feld der Elementarpädagogik stehen viele pädagogische Ansätze bzw. Konzepte bereit, um der jeweiligen Einrichtung ein eigenes Profil zu geben. Genannt seien beispielsweise die folgenden Ansätze: Reggio-Pädagogik, die Fröbel-Pädagogik, die Montessori-Pädagogik, der lebensbezogene Ansatz, der Waldkindergarten, der Situationsansatz, der Situationsorientierte Ansatz, die Pestalozzi-Pädagogik, die Korczak-Pädagogik bzw. die Konzepte der Offenen Arbeit, die Situative Arbeit oder die Freinet-Pädagogik. Welches Konzept bzw. welcher pädagogische Ansatz als Ausgangs- bzw. Schwerpunkt für die jeweilige elementarpädagogische Einrichtung am besten geeignet ist, ergibt sich in erster Linie immer aus den Ergebnissen einer sorgsam durchgeführten Situationsanalyse unter Berücksichtigung des einzugsorientierten Sozialraumes sowie einer biographischen Grundsatzbetrachtung der meisten Kinder aus dem vorhandenen Einzugsbereich in Verbindung mit der aktuellen Situation heutiger Kindheiten!

Das Kind steht im Mittelpunkt, nicht die eigenen Vorlieben

Insofern kann und darf es nicht darum gehen, aus persönlichen Vorlieben oder Wünschen, abgeschlossenen Fort- oder Zusatzausbildungen oder einer persönlichen Faszination für ein bestimmtes Konzept/einen pädagogischen Ansatz ein Konzept bzw. einen pädagogischen Ansatz für die jeweilige Einrichtung festzulegen, wenn gleichzeitig die Aussage getroffen wird, dass „Kinder als Ausgangs- und Mittelpunkt der Pädagogik“ dienen. In diesem Fall wären die Fachkräfte die „vorgabebestimmenden Akteure“ und Kinder würden zu „Erfüllungsgehilfen“ (Reakteure) degradiert.  


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Elementarpädagogik und Professionalität – Lebens- und Konfliktraum Kindergarten

Eine qualitätsgeprägte Elementarpädagogik verlangt von den Fachkräften ein identisches und professionelles Handeln. Nur so geben ErzieherInnen und Leitungskräfte dem Kindergarten ein eigenes, unverwechselbares Profil und sorgen damit für Voraussetzungen und Merkmale einer kompetenten Pädagogik.

192 Seiten, Klappenbroschur
zahlreiche Abbildungen
ISBN: 978-3-944548-00-5
24,95 €


Allgemeinaussagen in Konzepten verhindern notwendige Alleinstellungsmerkmale

Es gibt einige wenige Konzepte, die sich mit Allgemeinaussagen hinsichtlich ihrer selbstbenannten Qualitätsbereiche zu definieren versuchen, obgleich diese vorgestellten Merkmale für alle Konzepte und pädagogischen Ansätze eine begründbare und fachlich notwendige Verbindlichkeit besitzen (müssen). Diese Verbindlichkeiten ergeben sich aus den länderspezifischen Bildungsrichtlinien, aktuellen Forschungsergebnissen aus der Bildungs- und Bindungsforschung sowie der Neurobiologie, dem berufsspezifischen Berufsbild, aus entwicklungspsychologischen Gesetzmäßigkeiten, den qualitätsdefinierten Items eines fachlich abgesicherten Qualitätsinstrumentariums, aus der Faktenlage zur Situation heutiger Kindheiten und aus den zutreffenden Artikeln der UN-Charta ‚Rechte des Kindes‘.

So muss es beispielsweise selbstverständlich sein,

  • dass Fachkräfte ihr berufliches Selbstverständnis aus dem „Berufsbild der Erzieher:innen“ ableiten,
  • dass sie den Prinzipien einer „Selbstbildung des Kindes“ zustimmen und funktionsorientierte, teilleistungsgeprägte Angebote nicht durchführen,
  • ihre pädagogische Arbeit zur Außenwelt, zum Gemeinwesen öffnen und Projekte mit der Außenwelt vernetzen,
  • die UN-Charta „Rechte des Kindes“ in allen Artikeln kennen und die zutreffenden Artikel in einen praktischen Bezug zur Gestaltung der Arbeit umsetzen,
  • ihr erzieherisches „Rollenverständnis“ immer wieder sorgsam und selbstreflexiv auf den Prüfstand legen, um aus tiefgehenden Selbsterfahrungserkenntnissen notwendige Weiterentwicklungsprozesse entdecken und umsetzen,
  • partizipatorische Grundlagen in die Alltagspädagogik implementieren
  • für eine Entwicklungsatmosphäre sorgen, die Kinder motiviert, Bindungs- und Selbstbildungswünsche zu entwickeln,
  • Individualisierungsbedürfnisse der Kinder unterstützen,
  • emotional-soziale sowie handlungsgeprägte Werte exakt benennen und zur Praxis werden lassen,
  • psycho-soziale und motorische Grundbedürfnisse des Kindes ableiten und sättigen können, hinter Kinderwünschen deren eigentliche Bedürfnisse entdecken und diese zum Arbeitsschwerpunkt werden lassen,
  • die vielzitierten Begriffe wie „Achtsamkeit“, „ein wertschätzender Umgang mit Kindern, Eltern und Kolleg:innen“ inhaltlich ausführen und einer Überprüfung mit eigenen Verhaltensweisen zuführen,
  • den vielfältigen „Spuren der Kinder“ folgen und deren Ausdrucksweisen und Erzählwerte fachlich deuten können,
  • normative/ tradierte Regelungen entdecken und deren Sinnhaftigkeit in Frage stellen,
  • Interesse an fachorientierter Fort- und Weiterbildung bekunden und entsprechende Angebote wahrnehmen,
  • Interesse an wissenschaftlich belegter Fachliteratur zeigen,
  • Teamarbeit regelmäßig auf den Prüfstand legen, Differenzen thematisieren und Lösungen bei Problemen finden,
  • formulierte Zielsetzungen umsetzen und mit den erreichten Ergebnisse vergleichen, ob Ziele erreicht wurden,
  • die Prozess-, Produkt- und Strukturqualität anhand eines Qualitätsinstrumentariums alljährlich überprüfen,
  • zeitaktuelle Neuerungen und Forderungen für die Einbeziehung in die Elementarpädagogik einer fachkritischen Berechtigungsanalyse unterziehen.

Primärbedeutsamen Merkmale sind keine konzeptspezifischen Merkmale

Diese primärbedeutsamen Merkmale, die zu jeder (!) kindorientierten, professionell gestalteten Elementarpädagogik gehören, sind damit keine Konzept-/ Ansatzalleinstellungsmerkmale, die eine individuelle, spezifische Konzept-/Ansatzbegründung rechtfertigen, auch wenn sie diese als konzeptspezifische Merkmale anführen, wie dies immer wieder der ‚Offene Kindergarten‘ propagiert und in den Vordergrund einer fachlichen Begründung stellt. Gleichwohl tragen die gefundenen und differenziert ausgeführten Beschreibungen zu einem notwendigen, begründbaren bzw. begründeten Beleg der durchgeführten/ durchzuführenden Arbeit bei. Insofern besteht für jede Einrichtung die Aufgabe, diese 20 Basaleckwerte Stück für Stück prioritätsorientiert zu besprechen, inhaltlich ausführlich mit Hintergrundbelegen zu füllen und durch alltägliche Praxis inhaltsstimmig auszuführen.   

Nur Alleinstellungsmerkmale geben Konzepten und Ansätzen ein Profil

Wie zuvor erwähnt haben alle „pädagogischen Ansätze“ spezifisch benannte Alleinstellungsmerkmale, die dem jeweiligen Ansatz ein unverwechselbares Profil verleihen. Diese sind in der jeweiligen Grundlagenliteratur der Ansatzentwickler sowie in darauf aufbauende Fortsetzungsliteratur stets punktgenau beschrieben und mit entsprechenden Aussagen aus den betreffenden fachwissenschaftlichen Disziplinen begründet bzw. begründbar.

Fehlen hingegen ganz spezifische Alleinstellungsmerkmale, wie es in den meisten pädagogischen Konzepten üblich ist bzw. sind in den Konzeptausführungen lediglich viele allgemeinübliche Aussagen schlagwortartig benannt, besteht immer die Gefahr, dass ein von den Mitarbeiter: innen vertretenes und für die Kindertageseinrichtung festgelegtes Konzept nach eigenen, persönlichen Vorstellungen konzipiert wurde und in der Praxis entsprechend nach subjektiven Vorlieben ausgefüllt wird. Dabei besteht die große Gefahr, dass zwischen professionell bestehenden Ansprüchen und einer umgesetzten Praxis eine Kluft entsteht, die der Elementarpädagogik aus ihrem Anspruch als eigenständige Wissenschaftsdisziplin anerkannt zu werden, abträglich ist.

Fachtheoretischen Grundlagen differenziert beschreiben und belegen

So gilt es dringender denn je, dass Konzepte ihre fachtheoretischen Grundlagen differenziert beschreiben und belegen sowie deren Alleinstellungsmerkmale daraus ableiten. Und Mitarbeiter:innen, die einen bestimmten pädagogischen Ansatz für ihre Einrichtung festgelegt haben, müssen gleichfalls darauf achten, auch tatsächlich die vorgegebenen Alleinstellungsmerkmale vollständig zu beachten und umzusetzen. Wenn dies geschieht, entsteht eine wunderbare Vielfalt, die dem Kindeswohl auf breiter Basis dienlich ist.

Armin Krenz, Prof. h.c. Dr. h.c. et Hon.-Prof. für Entwicklungspsychologie und Elementarpädagogik i.R., war über 4 Jahrzehnte als Wissenschaftsdozent, Wissenschaftsberater, Supervisor und Qualitätsbeauftragter in Deutschland und an einigen (außer)europäischen Universitäten tätig.

Kontakt: armin.krenz@web.de

Bücher des Autors:

Krenz, Armin: Grundlagen der Elementarpädagogik. BurckhardtHaus-Laetare, Freiburg 2014
Krenz, Armin: Elementarpädagogik aktuell. BurckhardtHaus-Laetare, Freiburg 2013
Krenz, Armin (Hrsg.): Psychologie für Erzieherinnen und Erzieher. 3. Aufl., Cornelsen, Berlin 2017
Krenz, Armin: Elementarpädagogische Grundsätze auf den Punkt gebracht. BurckhardtHaus-Laetare, Freiburg 2023




Wir müssen selbst die Musik als ein Erlebnisinstrument entdecken!

Prof. Armin Krenz im Interview zur Bedeutung von Musik und Tanz für Kinder

Im Interview mit dem renommierten Sozialpädagogen und Entwickler des „Situationsorientierten Ansatzes“ Prof. Armin Krenz (Foto) versuchen wir dem Widerspruch auf den Grund zu gehen, warum Musik und Tanz einerseits von so elementar wichtiger Bedeutung von Kindern sind, andererseits aber nur ein Mauerblümchendasein im pädagogischen Alltag vieler Kindertageseinrichtungen und Grundschulen spielen.

Dabei zitiert Krenz neben vielen anderen den Musikwissenschaftler und Bildungsexperten Prof. Hans Günther Bastian mit den Worten: „Es musiziert in jedem Kind, ob es das weiß oder will oder nicht.“ Laut Krenz werden Kinder als „Ohrenmenschen“ geboren mit einer „musikalischen Biographie“. „Sie haben die Stimme der Mutter wahrgenommen, reagieren schon im Mutterleib auf Musik und Melodien, hören den Herzschlag, nehmen Vibrationen der Stimme der Mutter wahr … Somit ist eine Bereitschaft zum Musikempfinden immer vorhanden – und wir können diese Kompetenz aufgreifen oder verkümmern lassen!“

(Das komplette Interview können Sie sich hier anhören)

Interview mit Armin Krenz

Entsprechend groß ist die Bedeutung der Musik für Kinder: „Lernen mit allen Sinnen“, „Rhythmik“, „Wahrnehmungsbereitschaft, Geräuschesensibilisierung und Wahrnehmungsdifferenzierung“, „Inklusionsmethode“, „Bewegungsfreude und Tanz“, „Hinhören, soziales Lernen, Kontaktfähigkeit und Aktivitätswünsche“ seien hier als Stichworte genannt, die Krenz im Interview weiter ausführt.

Lernprozesse durch Musik

Zu den Lernprozessen erläutert er, dass Musik immer beide Gehirnhälften anrege und damit für die Ausformung des Gedächtnisses und alle Bildungsprozesse von größter Bedeutung sei. „Insofern kann man sagen: Musik ist hör- und fühlbare Mathematik, weil sich der Rhythmus immer in einem Takt ausdrückt und für eine systematische Wahrnehmung mit festzustellenden Entwicklungsfortschritten sorgt“, so der Professor. Musik schaffe soziale Gelegenheiten und fördere ein Gemeinschaftsgefühl. Durch Musik könnten Kinder ihren Körper ganz intensiv spüren und so sorge sie dafür, ganz in sich und bei sich selbst zu sein. Mit Musik würden Kinder auch ihre Stimme entdecken, indem sie die Melodie sprachlich unterstützten und Freude dabei empfänden, mit der Musik in einen Dialog einzutreten. Sie rege die Sprache an – den Wunsch, Gefühle und Erlebnisse in Worte zu fassen, zu beschreiben und entstandene Gedanken in Handlungen umzusetzen. Sie helfe einen individuellen Musikgeschmack zu entwickeln, mit dem sich das Kind identifizieren könne. Gerade solche Identifikationen tragen zu einer persönlichen Stabilität bei, die das Selbstwertgefühl eines Kindes stärke Diese Zusammenfassung zeige damit auf, dass es beim Erleben von Musik immer um die Trinität von „Musikerleben-Bewegungsaktivität-Sprachentwicklung“ gehe.


Was Erzieherinnen und Erzieher wissen sollten

Die Rolle der Erzieherinnen und Erzieher ist vielfältig und stets im Wandel begriffen. Weiterbildung zu Themen wie Bindungs- und Bildungsforschung, Neurobiologie und Lern- und Entwicklungspsychologie ist daher ständig notwendig. Damit das Wissen um die neuesten Erkenntnisse im Bereich Elementarpädagogik immer zur Hand ist, hat Dr. Armin Krenz 20 zentrale Präsentationen aus seinen Seminaren und Workshops zusammengestellt.

Armin Krenz
Elementarpädagogische Grundsätze auf den Punkt gebracht
20 Fact-Sheets für Fortbildungen, Beratungsgespräche, Teamgespräche und zur Prüfungsvorbereitung
344 Seiten mit den Abbildungen von 20 Powerpoint Präsentationen
ISBN: 978-3-96304-613-1
29,95 €


Musik dürfe allerdings nicht zur Geräuschkulisse oder Berieselung verkommen. Sie brauche Stille und Konzentration, um zum Bildungserlebnis zu werden. „Musik muss sich immer – stimmlich, instrumentell, rhythmisch und textbezogen – an den Themen der Kinder, ihren Musikorientierungen und an den spezifischen Bedürfnissen der Kinder orientieren!… Kinder wollen Akteure sein – gespürte Selbstaktivitäten zum Ausdruck bringen und damit ihre Selbstwirksamkeit erleben: Ich bin wichtig, bedeutsam, jemand, der beachtet und gesehen wird, nicht überflüssig, ich bin Ich und ich kann schon Vieles mitbewirken, Einfluss nehmen, mich freuen und Zufriedenheit spüren… Diese zwei grundlegenden Erfahrungen – ich bin und ich kann – bilden die Grundlage für eine Identitätsentwicklung und sind eine Voraussetzung für die Entwicklung von Sicherheit im Sinne einer Persönlichkeitsstabilisierung!“

Gründe für den Bedeutungsverlust

Gründe für den Bedeutungsverlust von Musik in der pädagogischen Praxis sieht Krenz unter anderem darin begründet, dass mittlerweile vielen elementarpädagogische Fachkräfte nicht gerne an „Bewegungsaktivitäten“ teilnehmen, nicht gerne singen oder Schwierigkeiten damit haben, nur noch selten ein Instrument und selbst nur noch ein recht kleines Repertoire an Liedern und Singspielen haben.

Ein Plädoyer für viel mehr Musik

„Wir müssen endlich – unumstößlich – der MUSIK (mit Rhythmus und Tanz) den bildungsrelevanten Bildungswert zugestehen, diesen in die Elementarpädagogik aufnehmen und in die projektorientierte Arbeit integrieren, auch um wissenschaftliche Erkenntnisse umzusetzen.
Wir müssen aufhören, eine Elementarpädagogik zu konzipieren und den Kindern aufzudrücken, die nur noch auf kognitive Frühförderung ausgerichtet ist und funktional, lieblos, lernzielorientiert gestaltet wird.
Wir müssen damit beginnen, Musik, Bewegung, Tanz nicht wie ein Nebenfach in der Schule zu betrachten und immer mehr in den Hintergrund zu schieben.
Wir müssen selbst die Musik als ein Erlebnisinstrument entdecken und wertschätzen, um die „Sprache der Musik“ als ein durch nichts zu ersetzendes Medium zu begreifen!“, lautet das Plädoyer von Armin Krenz. „Nur die Töne sind imstande, die Gedankenrätsel zu lösen, die oft in unserer Seele geweckt werden.“, zitiert er Hans Christian Andersen und schließt mit den Worten: „Und weil wir selbst der Musik, dem Rhythmus des Lebens und dem Tanz in der Pädagogik eine immer geringere Bedeutung beimessen, bleiben uns viele Geheimnisse des Lebens verborgen. Doch sie zu entdecken, hilft dabei, ganz spannende Gedankenrätsel zu lösen. Was kann es Spannenderes geben?!“




Mit freundlicher Aufforderung zur Selbstreflexion

Irina Pendorf: Einladung zum Dialog

Gerade in einer Zeit, in der die (Elementar)Pädagogik immer stärker auf ein kognitives Effizienzlernen, eine funktionale Belehrung ohne ein tiefgreifendes Bindungsgeschehen und auf konsumausgerichtete Leistungsangebote ausgerichtet ist, hebt sich die Veröffentlichung von Irina Pendorf mehr als wohltuend und sehr deutlich von diesen Gestaltungsmerkmalen ab.

Der erste Teil des Buches wendet sich „basalen Grundfragen mit ersten Antworten“ zu, indem unter anderem folgenden Fragen nachgegangen wird: Was ist Erziehung und wohin/wie wollen wir erziehen? Was ist eigentlich Bildung und wie hängen Bildung und Erziehung zusammen? Was bedeutet es, Mensch zu sein? Was ist ein gelingendes Leben/eine hilfreiche Wegbegleitung? Was sind Werte, was sind Normen? Welche Rolle spielt das Weltbild der Erziehenden für den Erziehungsprozess?

Teil zwei geht unter der Überschrift „Existenzielle Antworten – Konzepte einer Pädagogik des Vertrauens“ zunächst auf den Schwerpunkt „Dialogische Erziehung und Bildung“ ein und widmet sich, ausgehend vom Leben und Werk des österreichisch-israelisch jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber, den Fragen, wie eine Erziehung zum Leben mit Schicksal und Freiheit/zum Glauben aussehen kann und was eine umfassende/vertrauende/liebende Erziehung/eine dialogische Erzieher:in kennzeichnet.

Es folgt die weitere Betrachtung einer „existenziellen Erziehung und Bildung“ in Bezug zum Leben und Werk des Neurologen und Psychiaters Dr. Viktor Emil Frankl zur Geistigkeit, Freiheit, Verantwortlichkeit und Wertstrebigkeit des Menschen und endet mit der Anspruchs- und Antworthaltung in der existenziellen Pädagogik. Im dritten Teil des Buches finden interessierte Leser:innen kurze Hinweise zum Setting/Anspruch einer persönlichkeitsbildenden Aus-/Fort-/Weiterbildung, einer vertrauensgeprägten Teamarbeit, einer reflektierenden Supervision, eines selbstbildungsgeprägten Coachings, einer problemlösungsorientierten Beratung sowie einer gesundheitsförderlichen Therapie bei besonderen Problemstellungen. Und in einem Nachwort dreht sich alles um die Endlichkeit unseres Lebens und deren Bedeutungswert für die gegenwärtige Existenz.

Wer mit dem Lesen dieses Buches begonnen hat, taucht unweigerlich in einen tiefen Dialog mit sich selber ein, stößt auf Fragen und Aufgaben, die innere Bewegungen in Gang setzen, wird mit anthropologischen, existenziellen und pädagogischen Aussagen konfrontiert, befragt sich selbst, welche Haltung dem eigenen Leben zugrunde liegt und welche Auswirkungen unser haltungsgeprägtes Verhalten auf unser Gegenüber ausübt.

Dieses Buch sollte eine Pflichtlektüre für alle kindheitspädagogische Fachkräfte in der Ausbildung und in der Praxis sein, zumal die eigene Haltung der Ausgangspunkt für die Art und Weise sowie den Verlauf eines jeglichen Interaktionsgeschehens ist, das einen entwicklungsförderlichen oder -hinderlichen Einfluss auf den anderen hat.

Prof. h.c. Dr. h.c. Armin Krenz

Irina Pendorf
Einladung zum Dialog. Über eine Pädagogik des Vertrauens
288 Seiten
verlag modernes lernen, Dortmund 2021
ISBN: 978-3-8080-0900-0
22,95 €




Was Kinder für ihre Entwicklung wirklich brauchen

Über die Notwendigkeit zur Gegensteuerung bei einer zunehmend funktionalisierten und didaktisierten Elementarpädagogik

Die Corona-Pandemie hat mit ihren unterschiedlichen Regelungen und Einschränkungen für das öffentliche Leben nicht nur Auswirkungen auf die breite Bevölkerung sondern auch auf die Gestaltung der Alltagspraxis in Kindertageseinrichtungen. Ohne die Bedeutsamkeit einiger dieser Maßnahmen in Abrede zu stellen, besitzt die Fülle dieser Maßnahmen allerdings einen zunehmenden entwicklungseinschränkenden Bedeutungswert für (selbst)bildungsrelevante Entwicklungsprozesse bei Kindern. Zusätzlich deswegen, weil schon die immer stärker ausgeprägte durchgetaktete Didaktisierung und alltagsferne Funktionalisierung der Elementarpädagogik damit vorangetrieben wird. Kindern wird ihre Kindheit im Hinblick auf deren Entwicklungschancen immer stärker geraubt.

Alltagsbeispiele, die nachdenklich machen müssen und Konsequenzen erforderlich machen

Durch die Corona-Pandemie und die damit vorgegebenen Umgangsbeschränkungen konnten bzw. können keine Lichterfeste, keine Weihnachtsfeiern, kein Laternen-/ Martinsumzug und auch keine Sommer- und Herbstfeste stattfinden. Zusätzlich findet in der Regel kein gemeinsames Frühstücksbuffet statt und Kindern werden die Speisen/Getränke serviert; Kinder dürfen auch keine Einladungen zum Geburtstagsfest aussprechen bzw. selber wahrnehmen. Darüber hinaus ist es in vielen Kindertageseinrichtungen nur möglich, in Absprache mit den anderen Kita-Gruppen eine vorher festgelegte, mit einem Absperrband gekennzeichnete Außenfläche innerhalb eines bestimmten Zeitfensters zu nutzen und gegenseitige Besuche in andere Kita-Gruppen sind untersagt, womit feste Freundschaften gruppenübergreifend nicht gepflegt werden können.

Besucherlisten müssen mit genauen Person-/Anschriftangaben und einer Begründung für den Besuch ausgefüllt, Kinder müssen bei Ankunft von ihren Eltern vor dem Kindergarten einer Fachkraft übergeben, Spielsachen dürfen von Zuhause nicht mehr mitgebracht werden und das gemeinsame Singen ist – wenn überhaupt – nur noch im Gruppenverbund erlaubt. Darüber hinaus gab bzw. gibt es weitere und immer wieder neue Vorgaben, so, als seien Kinder eine vom Aussterben bedrohte Spezies.

Kinder haben Entwicklungsrechte, die es zu (be)achten und umzusetzen gilt

Durch diese Maßnahmen wachsen Kinder zunehmend in einem Umfeld auf, in dem es ihnen durch eingeschränkte Lebenswelten, zerrissene Zeiten und eingegrenzte Lebensräume immer schwerer gemacht wird, sich selbst nach eigenen, psychosozialen Grundbedürfnissen und genetisch in Gang gesetzte Aktionsimpulsen zu entwickeln, sich selbst dabei mit Ruhe, ohne Unterbrechungen, wahrzunehmen, um sich dabei als unverwechselbare Persönlichkeit zu stabilisieren. Insofern ergeben sich sowohl für die Aufgaben einer kindorientierten AlltagsKitaPraxis als auch für die Schwerpunktsetzung unverzichtbare Eckwerte, die es genauer zu erfassen gilt.

Und genau hier kommen diese Merkmale in vielen elementarpädagogischen Einrichtungen häufig zu kurz, weil durch manche politisch gesetzte Schwerpunkte (z.B. durch die vielerorts übermächtig eingesetzte Digitalisierung und eine gegenwartsferne, funktional gestaltete naturwissenschaftliche Bildung), wirtschaftlich initiierte, durch manche Stiftungen und Wirtschaftsverbände ins Leben gerufene, teilleistungskonzipierte Förderprogramme’ unterschiedlicher Art sowie Listenführungen ohne Ende elementare Kinder- und Kindheitsbedürfnisse beiseite geschoben werden, für längere Zeit im Abseits liegen bleiben und immer wieder Träger-, Eltern- und ErzieherInnenbedürfnisse sowie deren Wünsche die Richtung sowie die Ausgestaltung der Pädagogik vorgeben. Dieser sich nach vorne bewegender Rückwärtsgang der Pädagogik ist unter dem Gesichtspunkt einer entwicklungsförderlichen Pädagogik weder fachlich zu verstehen noch gut zu heißen und bedarf daher einer Kehrtwendung hin zum KIND.

Das Leben hält entwicklungsförderliche und -hinderliche Einrücke bereit

Negative Alltagserfahrungen und entwicklungshinderliche Geschehnisse offenbaren sich in der Regel in Entwicklungsverzögerungen, Entwicklungsrückschritten oder in den kindlichen Irritationen (= Verhaltensauffälligkeiten, bspw. Angstempfindungen, Zurückhaltung, gesteigerter Aggressivität/Gewalt, zwanghafte Verhaltensweisen, psychosomatische Ausdrucksformen, Leistungsverweigerung….). Eingeschränkte Lebenswelten, eingegrenzte Lebensräume und zerteilte Kinderzeiten sorgen für nachhaltige Entwicklungshindernisse und werden von Kindern insbesondere durch so genannte Trennungserlebnisse (z.B. wenn seelische Grundbedürfnisse nicht befriedigt werden, Kinder zu früh „vernünfteln“ müssen oder durch Einengungen in ihrem Erfahrungs-, Spiel- und Bewegungsbedürfnis eingeengt werden), Beziehungsnöte (z.B. wenn sich Kinder allein gelassen fühlen, Erwachsene Kinder mit einer belastenden Schuld belegen oder Kinder nur dann Liebe finden wenn sie möglichst früh „perfekt“ sind), Bedrohungsängste (z.B. wenn Kinder sich in problematisch erlebten Situationen alleine gelassen oder ausgegrenzt fühlen bzw. Gewalt in ihren unterschiedlichsten Formen erfahren müssen), Auslieferungserlebnisse (z.B. wenn Kinder sich in bestimmten Situationen völlig wehrlos erleben, unter einer  fehlenden Solidarität und mit einer fehlenden Wertschätzung aufwachsen/ leiden müssen) oder Ohnmachtserlebnisse (z.B. in denen Kinder beherrscht, gegängelt werden oder durch eine Machtausnutzung eines Erwachsenen schutzlos ausgesetzt sind) wahrgenommen.


Was brauchen Kinder für ihre Entwicklung?

„In einer Zeit wirtschaftlicher und technologischer Wandlungen, veränderter Situationen des Wohnens und Zusammenlebens, in der mediale Konsumorientierung bereits das frühkindliche Leben mitprägt, sollten wir einmal einen Schritt zurücktreten und – ohne uns den modernen Möglichkeiten zu verweigern – darüber nachdenken, was unsere Kinder, seien es eigene oder im pädagogischen Rahmen anvertraute, zu einer positiven Selbstentwicklung wirklich brauchen.“

Armin Krenz
Entwicklungsorientierte Elementarpädagogik
Kinder sehen, verstehen und entwicklungsunterstützend handeln
Klappenbroschur, 200 Seiten
ISBN: 978-3-944548-02-9
24,95


Psycho-soziale Grausamkeiten – in kleinen und großen Ausprägungen – gegenüber Kindern gibt es auch in Kindertageseinrichtungen: auch heute noch. Dazu folgende, ganz aktuelle Beispiele:  In manchen Kindergärten gibt es für jeden Tag der Woche genau festgelegte ‚Stundenpläne’, denen sich die Kinder unterordnen müssen. Partizipation und Alltagsorientierung sind dort völlige Fremdworte. Einem Kind in einer Kita in Bayern, das seine Speise nicht essen wollte, wurde mit folgenden Worten gedroht: „Wenn Du das nicht aufisst, darf Deine Mutter Dich heute nicht abholen und Du musst über Nacht ganz alleine hier im dunklen Kindergarten schlafen.“

In einem niedersächsischen Kindergarten wurde/wird ein Tag in der Woche als ‚räderfreier’ Kita-Tag von der Leitungskraft mit der Begründung festgelegt, Kinder müssen gezielt den Umgang mit Frustrationen lernen und dadurch Belastbarkeit aufbauen. Das heißt, dass alle Dreiräder und andere fahrbare Untersetzer im Gartenschuppen eingeschlossen bleiben. Alle Kinder in einer Gruppe, die nicht müde sind, müssen sich zu einem bestimmten Zeitpunkt und für eine bestimmte Zeit zum Schlafen legen, verbunden mit der Anordnung, in dieser ‚Schlafenszeit’ auch nicht miteinander zu reden. Zusätzlich hält sich eine >Schlafwache< im Raum auf, um für Ruhe zu sorgen. Spielaktive Kinder werden in ihren eh schon viel zu knapp bemessenen Spielzeiten immer wieder unterbrochen und zur Teilnahme an Tätigkeiten aufgefordert, die in keiner Weise ihrem Entwicklungsinteresse entgegenkommt.

Dem Spiel wird dort nur eine fachlich untergeordnete Rolle beigemessen. Eine ‚Kommunikation’ mit Kindern sieht oftmals so aus, dass die Fachkräfte Fragen stellen (sie sind hier die Akteure) und Kinder damit zu Antwortgebern (als Reakteure) degradiert werden. Viele Erzieher*innen nutzen während ihrer Arbeitszeit mit Kindern ihre Handys für Privatgespräche, anstatt die gesamte Zeit den Kindern zu widmen. Ungezählte, weitere Beispiele könnten an dieser Stelle folgen. Solche und ähnliche Vorkommnisse widersprechen nicht nur in eklatanter Weise den Grundprinzipien einer humanistisch orientierten Pädagogik und spezifischen QM-Items sondern auch verbrieften Kinderrechten. Insofern bedarf es einer ungeteilten Aufmerksamkeit, entwicklungshinderliche Fakten/ Ereignisse stets bewusst wahrzunehmen, im Kollegium öffentlich zu thematisieren und für eine Veränderung zu sorgen.

Doch damit nicht genug…

Auch schon vor der der Corona-Zeitrechnung kamen (und kommen weiterhin) neue Aufgaben bzw. einzuhaltende Einschränkungen auf die elementarpädagogischen Fachkräfte zu – zusätzlich zu den nicht zu akzeptierenden Gruppengrößen und dem eklatanten Mangel an Fachkräften: beim Wickeln der Kinder müssen Gummihandschuhe getragen werden; Toilettenpapierrollen zum Basteln dürfen wegen möglicher Fäkalienspuren nicht mehr zum Werken benutzt werden; Topfblumen sollen wegen möglicher Sporen in der Blumenerde aus den Gruppenräumen verbannt werden; beim Füttern kleiner Kinder müssen Erzieher*innen in manchen Einrichtungen eine ganzkörperbedeckende „Schutzkleidung“ tragen; eine Dokumentation bei einer Medikamentenverabreichung an erkrankte Kinder; das Backen darf nur nach genehmigten Rezepten erfolgen und bei den Rezepten müssen die Allergene gekennzeichnet sein; bis auf die Küchenhilfen darf niemand die Küche betreten; Eltern- und Kinderinterviews sowie Elterngespräche sind zu dokumentieren und auszuwerten; anonymisierte Zufriedenheitsabfragen müssen in regelmäßigen Abständen durchgeführt, ausgewertet und öffentlich ausgehängt werden; tägliche Spielplatzkontrollen sind an der Tagesordnung; statt ‚echten’ Kerzen dürfen nur noch LED-Leuchten genutzt werden; schwer einsehbare Außenfläche müssen ‚bereinigt’ werden; Entwicklungsberichte sind zu jedem Kind in regelmäßigen Abständen anzufertigen … und darüber hinaus umfassen die meisten QM-Verfahren über 400 Seiten mit Anforderungsitems, die erfüllt und protokolliert werden müssen.

(Anmerkung: So berechtigt die Anfänge eines Qualitätsmanagements waren, so unglaublich stark haben sich viele QM-Verfahren mit einer Eigendynamik erweitert als gäbe es in der Pädagogik nichts Wesentlicheres als eine permanente Listenführung und eine ständige Dokumentation – und das auf Kosten der Zeit, die vielmehr den Kindern zusteht!) Unter all’ diesen Einschränkungen und Vorgaben leidet die Qualität von Kindheit, weil Kindern damit auch die Unternehmenslust, die Initiative, Unbekanntes zu entdecken und zu erforschen, die Risikofreude sowie das sich Einlassen auf Wagnisse immer stärker abhanden kommt (und sich im Jugendalter durch Initiativlosigkeit/ Lethargie  oder durch Erlebnisswünsche ausdrücken, die sich wiederum durch ein besonders ausgeprägtes Wagnisverhalten auszeichnen.)

Fazit:

(1) Solange Konzeptionen Aussagen enthalten, die ‚kindorientierte Entwicklungsbedürfnisse als Ausgangspunkt der pädagogischen Alltagsgestaltung beschreiben und diese in der Praxis nur bruchstückhaft zu entdecken oder gar nicht wiederzufinden sind, werden diese zu unverbindlichen Konzepten degradiert und besitzen infolge dessen keine Aussagekraft.

(2) Solange sich elementarpädagogische Fachkräfte nicht deutlich von fachlich unberechtigten Trägererwartungen oder überzogenen Elternwünschen abgrenzen, solange wird die Einrichtung kein professionelles Profil besitzen können.

(3) Solange die Elementarpädagogik es nicht schafft, die pädagogische Wertigkeit vom Kinde aus zu betrachten und zu gestalten, solange bleiben bedeutsame psycho-soziale Grundbedürfnisse von Kindern unbeachtet und werden in nachhaltigen Folgen zum Ausdruck kommen.

(4) Solange alltagsferne, inhaltlich voneinander abgetrennte Themenangebote den Kindern vorgesetzt und untrennbar vernetzte Sinnzusammenhänge voneinander isoliert werden, so dass nahezu alles auf eine strikte Didaktisierung der Pädagogik hinausläuft, solange werden spannende und beziehungsförderliche Bindungserfahrungen und (Selbst)Bildungsprozesse (auf beiden Seiten!) einer funktionalen Kognitionserziehung geopfert.

(5) Solange Freude, eine innere Zufriedenheit, ein tiefes Glücksempfinden und eine wache Neugierde nicht als a-prioriertes Ziele der Elementarpädagogik im uneingeschränkten Vordergrund stehen, solange entfernen sich Kinder und Erwachsene immer weiter voneinander.

(6) Solange in Kindertageseinrichtungen ein funktionales, fachlich verkümmertes Bildungsverständnis im olympischen Sinne von ‚früher, schneller, höher, weiter’ die Alltagspädagogik prägt, solange liegt diesem Missverständnis von Bildung eine didaktisierte Vorschulpädagogik zu Grunde.

(7) Solange die Elementarpädagogik die von wirtschaftlich geprägten Interessensgruppen/ Verbänden/ Stiftungenentwickelten und teilisolierten‚Förderprogramme’ ohne Wertigkeitsüberprüfung übernimmt, solange wird es keine Pädagogik vom Kinde aus geben.

(8) Solange Fachschulen/ Fachakademien u.ä. Ausbildungsstätten für Erzieher*innen an inhaltlich starren Ausbildungsplänen, einer funktional orientierten Unterrichtsgestaltung und an rigiden Praxisbeurteilungen ihrer Praktikant*innen festhalten, solange ist es den Erzieher*innen in ihrem späteren Beruf auch umso schwerer möglich, sich auf eine kindorientierte, lebendige und damit innovative und auch mal ungeplante Pädagogik einzulassen.

(9) Und solange elementarpädagogische Fachkräfte keine Solidarität – selbstverständlich trägerübergreifend – miteinander herstellen und keinen bzw. nur wenig Mut aufbringen, mit ihrem Träger, FachberaterInnen und Eltern bei fachlich unberechtigten Forderungen in ein konstruktives Streitgespräch einzusteigen, solange bleibt die Elementarpädagogik nur ein ‚Anhängsel’ anderer Fachdisziplinen.

Mögen diese Ausführungen dazu beitragen, dass die Kindheitspädagog*innen endlich der >gestohlenen Kindheit< aktiv und zugleich fachkompetent entgegentreten.

Alle bedeutsamen Schwerpunkte der Elementarpädagogik müssen vom Kind ausgehen: von ihren Bedürfnissen (nicht von ihren Wünschen!!!), ihren Interessen, ihrem Können und ihrer motivationalen Ausgangslage. Das geht nur, wenn sich elementarpädagogischeFachkräfte immer wieder in Selbstreflexionen und Selbtklärungen begeben (a), Kinder wahr- und ernst nehmen (b), sie sich selbst – und das jeden Tag aufs Neue – die Frage stellen, was tut den Kindern gut’(?) (c) und dann gemeinsam mit Kindern erörtern, wie die Gestaltungsumsetzung aussehen, geplant und durchgeführt werden kann (d).

Daher liegt der Lösungsbeginn bei allen vorgegebenen und vorhandenen Einschränkungen darin, mit Kräften, ausgehend durch eine Selbstmotivation, diese eben beschriebene Orientierung anzunehmen, um auch in einer zunehmend schwierigen Zeit den Einschränkungen, Einengungen und einer Zeitzerrissenheit Paroli zu bieten.

 (Anmerkung: Ich danke der Kindheitspädagogin Doris Krümberg (NS) und dem Kindheitspädagogen Michael Modrow (SH) für deren Unterstützung bei den Recherchen zur Faktensammlung im Hinblick auf eine sich zunehmend formalistisch entwickelnde Elementarpädagogik)

Literaturhinweise:

Krenz, Armin: ENTWICKLUNGSORIENTIERTE ELEMENTARPÄDAGOGIK. Kinder sehen, verstehen und entwicklungsunterstützend handeln. Burckhardthaus-Laetare, Körner Medien UG. München 2014

Largo, Remo H.: DAS PASSENDE LEBEN. Was unsere Individualität ausmacht und wie wir sie leben können. S. Fischer Verlag, Frankfurt 2. Aufl. 2017

Lee, Jeffrey: Abenteuer für eine echte Kindheit. DIE ANLEITUNG. Piper Verlag, München 2005

Armin Krenz, (*1952), Prof. h.c. Dr. h.c., Wissenschaftsdozent (mit Zulassung zur heilkundlich, psychologisch-therapeutischer Tätigkeit) war zuletzt als Honorarprofessor an den staatl. Universitäten in Bukarest & Moskau sowie als Wissenschaftsberater in Chongqing (China) tätig.

Kontakt: armin.krenz@web.de




Kinderängste – Ausdrucksformen verletzter Kinderseelen

Kinder erleben und ertragen Ängste

Jedem Erwachsenen, Eltern und ErzieherInnen fallen sicher auf Anhieb etliche Beispiele ein, wenn es darum geht, Kinderängste zu nennen. Seien es Ängste aus der eigenen Kindheit oder Ängste eigener beziehungsweise anvertrauter Kinder. Sie sind ein Teil des Lebens und haben in bestimmten Grenzen etwas mit der Wahrnehmung des Lebens zu tun. Gleichzeitig können Ängste aber auch die gesamte Lebensgestaltung bestimmen und schränken damit die Lebensqualität ein.

Ängste werden als eine Bedrohung erlebt!

Kinder (und auch Erwachsene) kennen viele Ängste: die Angst vor dem Alleingelassen werden, einer Krankheit oder einer bedrohlich erlebten Dunkelheit; die Angst vor dem Krokodil unter dem Bett oder dem Verlust einer Freundin/eines Freundes; die Angst davor, ausgelacht zu werden oder Unverständnis für etwas zu ernten; die Angst vor irgendeiner Strafe oder vor einer drohenden Ungerechtigkeit, vor schlimmen Umweltkatastrophen oder unangenehmen Konsequenzen für Leib und Seele; die Angst vor Gewitter, Blitz und Donner oder die Angst vor be­stimmten Menschen; die Angst vor unbekannten Situationen oder die Angst, an bestimmten Aufgaben zu scheitern; die Angst, aus einer Gruppe ausgeschlossen zu werden und zum „Sündenbock“ erklärt zu werden oder die Angst davor, Erwartungen nicht zu erfüllen.

Kinder erleben Ängste ganz ursprünglich

Wenn sich Erwachsene über Ängste unterhalten, dann schauen sie auf viele Jahre Lebenserfahrung zurück und haben mit der Zeit (mehr oder weniger) gelernt, mit ihren Ängsten umzugehen. Bei Kindern ist das anders. Sie erleben ihre Ängste ganz nah, aktuell, tiefgehend und ur­sprünglich. So hält sich Jan vielleicht an der Mutter fest und lässt sie nicht los, wenn es darum geht, dass er „endlich allein im Kindergarten bleiben soll“. Jennifer läuft vielleicht zur ErzieherIn und bittet um Hilfe, weil andere Kinder sie verfolgen. Benno verkriecht sich vielleicht in der hintersten Ecke des Kindergartenraums, weil er Angst vor bestimmten Kindern hat, und Jonathan hält sich krampfhaft die Ohren zu, weil ihn die lauten Geräusche im Raum massiv ängstigen.

Lioba schreit ihre Welt zusammen, weil sie plötzlich nicht mehr allein von dem Baum herunterkommt, und Christian senkt immer dann seine Augen auf den Boden und dreht sein Gesicht weg, wenn andere etwas von ihm wollen. Dennis versteckt sein Spielzeug und bewacht es mit einem Schwert, aus Angst davor, andere könnten ihm etwas wegnehmen, und Esther weigert sich zu malen, weil sie Angst davor hat, nicht so gut wie andere Kinder ihre Ideen aufs Papier zu bringen. Frederick hält sich bei einer Kindertheateraufführung die Augen zu, weil er Angst hat, das Geschehen auf der Bühne weiter zu sehen, und Gerrit wirft sich auf den Boden, trampelt wild um sich und schreit unüberhörbar, weil er Angst hat, seinen Willen nicht durchsetzen zu können.

Kinderängste zeigen sich mit vielen Masken

Viele Kinder fühlen sich von ihren Ängsten regelrecht überfallen, sodass sie nicht die Angst in der Hand haben, sondern die Angst hat die Kinder in der Hand! Sie wird als eine gewaltige Macht erlebt, die so viel Dominanz besitzt, dass ein Kind glaubt, sich gegen sie nicht wehren zu können, weil sich Kinder selbst als schwach erleben. Kinderängste bergen das Gefühl in sich, dass sie stärker sind als alles andere auf der Welt und so reagieren Kinder auch körperlich auf erlebte Angstsituationen mit Schweißausbrüchen, einem schnelleren Herzschlag und einer deutlichen Veränderung der Pupillen. Das Gefühl Angst wird zu einer unüberwindbaren Macht, wobei sich Kinder in dieser Angstsituation völlig machtlos einschätzen.

Allerdings sind viele Kinderängste auch in Verhaltensweisen und körperlichen Reaktionen versteckt, die auf den ersten Blick gar nicht mit Ängsten in Verbindung zu stehen scheinen! Vor allem sei hier auf gewalttätige oder aggressive Ausdrucksformen verwiesen: die Angst, zu kurz zu kommen, lässt manche Kinder zum Knüppel greifen und zuhauen; die Angst, nicht beachtet zu werden, bringt manche Kinder dazu, laut herumzukommandieren und andere Kinder zu treten; die Angst davor, nicht zu seinen Wunschvorstellungen zu kommen, findet ihren Ausdruck darin, rücksichtslos das zu wollen, was man glaubt, jetzt unbedingt haben zu müssen. Die Angst davor, sich mit sich selbst auseinandersetzen zu müssen, lässt manche Kinder in eine ständige Unruhe fallen und immer aktiv sein.

Kinderängste zeigen sich also auf unterschiedliche Art und Weise. Zum einen im Weinen oder als Rückzugsverhalten, zum anderen in Wut, Aggressivität oder Gewalt. Darüber hinaus können sich Kinderängste auch in psychosomatischen Reaktionen äußern, etwa bei bestimmten Formen des Stotterns, des Einnässens, einer hohen Reizbarkeit, einer tiefen Antriebsschwäche oder einer ständigen Unruhe, in Schlaflosigkeit oder nächtlichen Auf­schreien und bösen Träumen, durch Magendruck und Völlegefühl, Darmbeschwerden, Atemschwierigkeiten oder in einer unkoordinierten Motorik oder in starken muskulären Verspannungen. Ja, selbst besondere Formen von Hautausschlägen können Ausdrucksformen von Ängsten sein.

Überforderungen sind die häufigsten Gründe für Kinderängste

Die Zeit der Kindheit dient der Entwicklung der Kinder in erster Linie dazu, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, eigenes Können auszuprobieren, die Tage als gegenwärtige Zeitgeschenke zu erleben und mit viel Ruhe zu genießen. Demgegenüber gibt es täglich unzählige Bedingungen, die genau diese Möglichkeiten und Notwendigkeiten einschränken: sei es die Hektik vieler Erwachsener, die Ungeduld im täglichen Miteinander oder die ungebremst starke Fülle an Erwartungen, wie ein Kind zu sein hat, was es in seinem Alter schon alles können müsste/sollte, was es selbst im Kindergarten zu leisten hat oder wie es sich verhalten muss! Sei es das überaus starke Angebot an Spielmaterialien oder die kaum zu steigernde Reizüberflutung durch Medien auf allen Ebenen und Kanälen. Sei es die Konsumorientierung, mit der Kinder täglich konfrontiert werden, oder sei es die Unzufriedenheit der Erwachsenen, die auf Kinder (in)direkt übertragen wird, sei es die Reizüberstülpung in Kinderräumen (auch Kindergartengruppen) oder die unüberschaubare Menge der Kinder in vielen Kindergruppen. Sei es die frühe Ausrichtung auf „kognitive Förderung“, obgleich Kinder über ihre motorischen Handlungsfähigkeiten „lernen“ und bis zum siebenten Le­bensjahr in ihrer „magischen Welt“ leben, oder die Verplanung der Zeit durch Kinderkurse oder Training, die Kindern die Zeit nimmt, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen.

Es gibt so viele Lebensbedingungen, in denen Kinder heute auf­wachsen, die von ihnen (unbewusst) als Überforderung erlebt werden müssen. Auf diese Weise können einzelne Wahrnehmungen nicht mehr von Kindern betrachtet, verstanden und geordnet werden, sodass sie in einer kognitiven (und damit gleichzeitig emotionalen!) Unru­he aufwachsen. Die Folge davon sind Ängste, weil es keine „Auszeit“ zur Strukturierung der Wahrnehmungsreize gibt.

Unterforderungen als Verstärker mancher Kinderängste

Kinder erleben alles, was um sie herum geschieht, als eine Herausforderung mitzuwirken, sich mit ins Spiel zu bringen, an Aktionen teilzuhaben und den Situationen einen eigenen Stempel aufzudrücken. Alles nach dem Motto: „Da habe ich mitgewirkt!“/„Ich war dabei!“/„Ich habe nicht nur zugeschaut, sondern ganz aktiv mitgemacht!“ Viele Be­obachtungen in der Praxis – bezogen auf Eltern und manche ErzieherInnen – zeigen auch das Bild, dass Kinder unterfordert werden, indem ihnen bestimmte Verhaltensweisen nicht zugetraut werden! Etwa, wenn es um ein wildes, ausgelassenes Herumrennen geht („Nicht so schnell! Was kann da alles passieren!“), wenn es sich um Kletter- und Springaktivitäten handelt („Das ist zu hoch! Ihr werdet euch verlet­zen!“) oder wenn sich die Handlungsmotive auf bestimmtes Hantieren mit irgendwelchen Werkzeugen beziehen („Eine Werkbank ist zu ge­fährlich!“). Oftmals werden Kinder von vielen Tätigkeiten ausgeschlossen, die sich Erwachsene selbst vorbehalten oder den Kindern noch nicht zumuten – etwa bei der Mithilfe beim Rasenmähen, bei der Mitarbeit zur Vorbereitung des Essens, bei dem Aufbau von Kinderhütten, Tierställen usw. oder bei der Reparatur von Haushaltsdingen. Kinder würden liebend gern dabei sein, mithelfen, mit anfassen und sich aktiv mit einbringen.


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Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:
Elementarpädagogik aktuell
Die Entwicklung des Kindes professionell begleiten
Krenz, Armin
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 9783944548012
208 Seiten, 24,95 €
Mehr auf oberstebrink.de


Machen Kinder des Öfteren die Erfahrung, dass ihnen bestimmte Dinge eher nicht zugetraut werden, können sie sich als klein, ­unvollkommen und überflüssig erleben und mit der Zeit auch Ängste vor bestimmten Gegenständen (Messer, Nägel, Hammer, elektrische Geräte, Sägen, hohe Bäume und Klettergerüste …) entwickeln. Nach der Devise: „Was mir nicht zugetraut wurde, traue ich mir mit der Zeit auch immer weni­ger zu.“ Viele Kinder sagen recht schnell: „Das kann ich nicht!“/„Dazu bin ich noch zu klein!“/„Mach du das mal lieber!“/„Ich weiß nicht, wie das geht.“

Die Macht der Kinderängste

Kinderängste werden immer dann für die Entwicklung von Kindern problematisch, wenn sie zu einem beherrschenden Merkmal des Kinderlebens werden, weil sich Kinder entweder kaum/gar nichts mehr zutrauen oder glauben, alles tun zu müssen und schaffen zu können! Beide Ausdrucksformen sind ein Beispiel für unterschiedliche Kinderängste! Normalerweise gehört die Angst als ein Grundgefühl (neben den emotionalen Werten wie Freude, Trauer und Wut) zu unserem Leben dazu. Sie ist allerdings nur dort „gesund“, wo sie uns Menschen vor realen Gefahren oder vor unüberlegten Handlungen warnt. Etwa beim Überqueren einer viel befahrenen Straße, beim Herunterlehnen über ein Fensterbrett in luftiger Höhe, beim Herunterspringen auf einen harten Steinboden, beim Verirren in einem großen Wald oder beim Verlaufen in einer fremden Umgebung mit gleichzeitiger Unkenntnis der Landes­sprache (Ausland), beim Rudern, wenn sich das Wetter ­dramatisch verschlechtert und womöglich die Schwimmweste fehlt oder etwa beim Klettern im Gebirge.

Ängste sind im Gegenzug dort hinderlich, wo sich kleine und große Men­schen Dinge nicht zutrauen, auch wenn sie notwendig/zu leisten sind, wie etwa beim Verlaufen fremde Menschen nach dem Weg zu fragen, sich in fremden Situationen zu helfen wissen, Handlungsschritte auszuprobieren und Risiken einzugehen. Haben Kinderängste eine solche Macht über Kinder, dass sie von ihren Ängsten beherrscht werden, dann warnen Ängste nicht mehr vor einer realen Gefahr, sondern viele Situationen werden subjektiv als angstauslösend erlebt. Das wiederum führt im Leben der Kinder (und auch der Erwachsenen) zu einer Einschränkung der Leistungsfähigkeit, Liebes- und Kommunikationsfähigkeit. Sie isoliert die „angstbesetzten“ Kinder, indem sie ihre Ansprüche entweder zunehmend zurückstellen oder diese mit massiver Macht in den Mittelpunkt ihres Lebens – und den anderer Menschen – stellen. Werden Kinderängste dann nicht frühzeitig erkannt und den Kindern genommen, können sie sich zu einem festen, starren Lebensplan entwickeln, der an lebenslanger Bedeutung gewinnt.

Kinderängste sind ein Ausdruck von Unsicherheiten und Irritationen

Kinderängste werden sich in Kinderseelen nur dort breit machen (können), wo Kinder durch bestimmte, für sie bedeutsame Situationen verunsichert beziehungsweise irritiert wurden/werden. Ein sicheres Kind, das ein stabiles Selbstwertgefühl besitzt, das bestimmte Sicherheiten in sich trägt (ich bin gut; ich kann was; ich schaffe Anforderungen, die ich mir selbst stelle) und damit ein bestimmtes Maß an Belastbarkeit besitzt (ich bin nicht am Boden zerstört, wenn mal was nicht klappt, was ich mir vorgenommen habe; die Welt hört nicht auf sich zu drehen, wenn ich mal meinen Willen nicht durchsetzen kann; auch andere haben Bedürfnisse und nicht nur ich), wird auch bei kleineren einmaligen Verunsicherungen keine Ängste entwickeln.

Diese prägen sich vielmehr dann aus, wenn entsprechende Verunsiche­rungen oder Irritationen entweder häufiger auftreten oder in ihrer Ausprägung so massiv sind, dass sie auch schon bei einem einmaligen Erlebnis von tragender Bedeutung sind (fachsprachlich wird von einem quantitativen beziehungsweise qualitativen Eindruckswert gesprochen). Also muss es in der Pädagogik immer darum gehen, Kindern in ihrer Entwicklung dabei zu helfen, ein ausreichendes Maß an Selbstwertgefühl entwickeln zu können.

Kinderängste können jederzeit abgebaut werden

Die Ängste der Kinder entstehen nicht dadurch, dass sie wie Regen vom Himmel fallen, sondern dadurch, dass Kinder Über- oder Unterfor­derungen in bestimmten, bedeutsamen Lebensbereichen erfahren, erdulden, erleiden müssen! So gibt es vielfältige Wege, Kinderängste ab­zubauen: Eltern und ErzieherInnen müssen gemeinsam auf die Suche gehen, Gründe/Auslöser für das angstbedingte Verhalten bei den Kindern zu finden. Das ist die Grundlage für die Möglichkeit, Ängste Stück für Stück abzubauen.

Eltern und ErzieherInnen müssen in einer sorgsamen Analyse der Umfeldbedingungen – sowohl im Elternhaus, in der Freizeit und im Freun­deskreis als auch im Kindergartenbereich – selbstkritisch und offen dafür sorgen, dass keine angstauslösenden Über- oder Unterforderun­gen an die Kinder gestellt werden.

Eltern und ErzieherInnen haben die Aufgabe, Kindern ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Das geschieht durch ein Zugestehen der humanen Kinderrechte ebenso wie durch die Bereitstellung eines großen Erfahrungsraums, in dem Kinder Kinder sein können, wo Kinder die Möglichkeit des Experimentierens haben und wo sie sich in ihrer Einmaligkeit angenommen fühlen.

Eltern und ErzieherInnen können Kindern dadurch helfen, Ängste abzubauen beziehungsweise gar nicht erst aufkommen zu lassen, wenn sie mit den Kindern gemeinsam feste Regeln besprechen, die eine hohe Sinnbedeutung haben. Kinderängste können sowohl durch starke Regeln und starre Strukturen aufgebaut und unterstützt werden als auch durch Unübersichtlichkeiten, fehlende Strukturen und erlebte Widersprüchlichkeiten.

Kinderängste werden dort abgebaut, wo gemeinsam mit anderen Kindern viele Angstsituationen hergestellt und „bestanden“ werden, etwa beim Bau von großen, dunklen Höhlen, bei dem Bau von dunklen Gän­gen, dem (gesicherten) Besteigen von Höhen, dem Bestehen von Gefahren, Abend- und Nachtwanderungen, beim Kämpfen gegen selbst hergestellte Drachen und andere Urzeit­tiere, bei dem Besteigen von Bäumen, beim Kampf gegen lebensgroße Stoffgespenster, bei einem Duell von Piratinnen und Piraten, beim Übernachten im Zelt, beim La­gerfeuer und im Erzählen von Gespenstergeschichten und bei anschl­ießenden Möglichkeiten, mit Zeit und in Ruhe die Erlebnisse nachzubereiten!

Kinderängste werden schließlich dadurch in Sicherheiten verwandelt, wo Kinder Erwachsene erleben, die sich durch Zuverlässigkeit Optimismus und Vertrauen auszeichnen, die auch über ihre Ängste spre­chen/berichten können und nicht im Sinne der Kinder immer die „Superhelden“ und BesserwisserInnen sind. Dann gehört auch der viel gehörte Satz „Davor brauchst du keine Angst zu haben“ endlich in die Mottenkiste einer kinderfremden Sprache.




Kindliche Entwicklungs­prozesse beobachten und dokumentieren

Ausgangspunkt und Grundlage für eine kindorientierte Pädagogik

Beobachtung ist die Grundlage für eine Pädagogik, in der das KIND und sein Recht auf eine möglichst förderliche Entwicklung im Mittelpunkt der Betrachtung stehen (…). Mit der Beobachtung fängt jede entwicklungsförderliche Pädagogik an und bildet den Grundstein (das Fundament) für wertschätzende Beziehungserlebnisse sowie begleitende Entwicklungsimpulse.

Im Unterschied zur Wahrnehmung, bei der sowohl äußere als auch innere Reize als Sinneseindrücke auf den Menschen einwirken und dabei subjektiv geprägte Empfindungen und Einschätzungen auslösen, ist Beobachtung anders konzipiert. Hier geht es nicht darum, dass Menschen durch persönliche, soziale oder strukturbedingte Einflussfaktoren zu einer individuell ausgerichteten Einstellung zur wahrgenommenen Person oder zum Wahrnehmungsgegenstand und damit zu einer subjektiven Beurteilung einer Person oder Situation kommen! Beobachtung ist demgegenüber eine „aktive, planmäßige, auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtete und methodisch aufgebaute, zweckorientierte Registrierung von Ereignissen oder Verhaltensweisen einzelner Menschen oder Gruppen in Abhängigkeit von unterschiedlichen Situationen und Rahmenbedingungen“.

Insofern ist Beobachtung immer eine aktive Suche nach bedeutsamen Informationen, ausgerichtet auf einen beobachtungsgeleiteten Zielgedanken. Das Beobachtungsergebnis führt zu einer Erkenntnis und dient dabei als Ausgangspunkt für das weitere Verhalten, um gesetzte Ziele, die erreicht werden wollen, in Angriff zu nehmen.

Stellenwert der Beobachtung in der (Sozial)Pädagogik

In der (Sozial)Pädagogik und (Sozial)Psychologie gibt es unterschiedliche Methoden zur Erfassung von Informationen. Hier sind vor allem folgende – in der Praxis gebräuchliche – „Datenerfassungstechniken“ zu nennen: das zielgerichtete Gespräch, das strukturierte Interview, die Fragebogenerhebung, soziometrische Verfahren (z.B. das Soziogramm), die Anamnese, Testverfahren und Inhaltsanalysen anhand eines vorliegenden Materials (z.B. die Auswertung von Dokumenten) sowie eine Fülle sehr unterschiedlicher Beobachtungsverfahren. In der (Sozial)Pädagogik hat dabei die Beobachtung einen besonders hohen Stellenwert! Sie ermöglicht es dem Beobachter, umfassende Kenntnisse über den Beobachtungsschwerpunkt/eine Situation/eine Person/eine Gruppe zu gewinnen. Die Beobachtung wird aber nur dann zu einem nutzbringenden Beobachtungsergebnis führen, wenn die Methodenentscheidungen (welche Beobachtungsform für die Fragestellung am besten geeignet ist; welche Situationsauswahl die umfassendsten Informationen liefern wird; welche Beobachtungsdokumentation angebracht ist) wohl überlegt sind.

Beobachtung als umfassende Grundlage für alle Facetten der (sozial)pädagogischen Arbeit

Es gibt keine Situation im Arbeitsalltag der ErzieherInnen, die es nicht erforderlich machen würde, Entscheidungen auf der Grundlage von Beobachtungsergebnissen zu fällen. Insofern gehören die Merkmale „Beobachtung“ und „Beobachtungsfähigkeit“ zur grundsätzlichen Kompetenz der elementarpädagogischen Fachkräfte.

Beobachtungen tragen dazu bei, Situationen und Geschehnisse im Berufsalltag gezielt zu registrieren, Personen in vernetzten Situationen zu verstehen sowie ihre besonderen Ausdrucksformen dokumentieren zu können und Vorhaben gezielt zu planen, durchführen und auswerten zu können. Dabei werden sich Beobachtungsvorgänge auf die unterschiedlichsten Arbeitsschwerpunkte beziehen:  vor allem auf die eigene Person und deren Wirkweisen, die Einflussnahme auf andere und die individuelle Arbeitsgestaltung, die Arbeits- und Verhaltensweisen der anderen Mitarbeiter/innen und ihre Auswirkung auf andere Personen und die Entwicklung von Geschehnissen, die Zusammenarbeit und Umgangsweisen mit den Eltern und die Kommunikation zwischen Kindern und deren Eltern, die allgemeine und besondere Kommunikation und Interaktion unter den Kindern, die allgemeine Umgangskultur zwischen Erwachsenen und Kindern, die besonderen Merkmale innerhalb der Beziehungs- und Interaktionsebene zwischen ErzieherInnen und einzelnen Kindern, die Entwicklungsgeschichte einzelner Kinder und ihre Entwicklungsverläufe, die Zusammenhänge von Entwicklungsverläufen bei Kindern und dem Einfluss der Gestaltung der von Kindern erlebten Projektarbeit, Entwicklungsbrüche in der Lebensgeschichte einzelner Kinder und die Deutung besonderer Ausdrucksformen. Dabei führen die vorgenommenen Beobachtungen zu einer umfangreichen Datengrundlage, die es den Fachkräften ermöglicht, Erkenntnisse zu gewinnen, die ihnen sonst häufig verschlossen bleiben und damit gleichzeitig eine professionell gestaltete Arbeit zunichte machen würden. Beobachtungen stellen darüber hinaus ein hilfreiches Instrumentarium dar, um einerseits ganz bestimmte Einzelsituationen zu erfassen und andererseits Zusammenhänge zwischen bestimmten Bedingungen und erfassten Beobachtungsergebnissen herzustellen. Beobachtungen sind nie isolierte Ergebnisse einzelner Facetten!

Beobachtungsformen

Entsprechend der besonderen Aufgabenstellung, die für jede Beobachtung als ein Einzelfall zu betrachten ist, ergibt sich für eine qualitätsgeprägte Beobachtung die jeweilige Beobachtungsform. Die erste Unterscheidung in den Beobachtungsformen bezieht sich auf das Feld einer Selbst- oder Fremdbeobachtung. Dabei geht es bei der Introspektion um die Registrierung eigener, persönlicher Vorgänge (im kognitiven, motorischen, emotionalen oder sozialen Bereich) und bei der Fremdbeobachtung um die Verhaltensbeobachtung äußerer Aspekte und anderer Menschen. Im Unterschied zur Gelegenheitsbeobachtung (auch naive Beobachtung genannt), bei der es zu zufälligen Beobachtungen kommt und situationsbedingte Zufälligkeiten im Vordergrund stehen, besitzt die systematische Beobachtung ein exakt beschriebenes Leitsystem. Letztere kann in Form einer nicht-teilnehmenden Beobachtung (protokollierenden/technischen) oder einer teilnehmenden Beobachtung durchgeführt werden – als aktiv teilnehmender Beobachter (als mithandelnde Person im Interaktionsgeschehen) oder passiv teilnehmender Beobachter (als „Zuschauer“ im Beobachtungsfeld). Die Beobachtung selbst kann als strukturierte oder unstrukturierte Beobachtung, als eine Beobachtung in natürlichen oder künstlich hergestellten Situationen, als offene oder verdeckte Beobachtung, als Kurzzeit- oder Langzeit- bzw. Dauerbeobachtung, als kontinuierliche oder diskontinuierliche Beobachtung, als beschreibende oder registrierende Beobachtung (Schätzskalen/Quantitätserfassungen) geplant und umgesetzt werden. (Sozial)Pädagogische Fachkräfte können nach entsprechender Auseinandersetzung mit den Beobachtungsformen und einer gezielten Einübung jede dieser Beobachtungsformen in ihrer Praxis planen, strukturieren und einsetzen. Die jeweilige Beobachtungsform erschließt sich einerseits aus der exakten Aufgaben- und Zielstellung, andererseits aus den Möglichkeiten der Person und den strukturellen Bedingungen vor Ort. Unabhängig davon werden allerdings immer die Qualität und Effizienz einer systematischen Beobachtung davon abhängen, wie folgende Beobachtungsprinzipien beachtet werden: Konzentration auf den Beobachtungsvorgang, Sachlichkeit in der Vorgehensweise, zielbestimmtes Verhalten, Berücksichtigung von Zusammenhängen und Bewusstmachung der Tatsache, dass jede Beobachtung lediglich das aktuelle Geschehen erfasst. Rückschlüsse auf bestimmte Hintergründe und in der Vergangenheit liegende Ereignisse sind ebenso häufig hypothetisiert – und damit fehlerbehaftet – wie der Versuch, aus aktuellen Einzelbeobachtungen Zukunftsentwicklungen abzuleiten.

Einflussfaktoren auf den Beobachter

Beobachtungsergebnisse sind stets in mehr oder weniger starkem Maße von einer ganzen Reihe sehr unterschiedlicher Einflüsse und Zusammenhänge vor, während und nach einem Beobachtungsvorgang abhängig. So können bestimmte Bedingungsfaktoren das Beobachtungsergebnis prägen und damit auch deutlich verfälschen.

Zum einen sind es häufig Merkmale, die mit dem Beobachter selbst zu tun haben (1), zum anderen sind es Faktoren, die sich aus der Einrichtungsstruktur (2) oder der Programmstruktur (3) ergeben. Und schließlich muss sich der Beobachter darüber im Klaren sein, dass das Beobachtungsergebnis ausnahmslos ein aktueller Ausschnitt aus einer Vielzahl zusammenhängender Vernetzungen ist. Selbst die zu beobachtenden personalen Verhaltensweisen bzw. Situationen sind stets einmalige und in ihrer Besonderheit nicht wiederholbare Ereignisse!

zu 1) Einflussfaktoren, die sich aus der Person des Beobachters ableiten können: z.B. aus seiner besonderen Persönlichkeitsstruktur und den damit automatisch verbundenen Persönlichkeitsmerkmalen; seiner beruflichen Erfahrung/Unerfahrenheit; den schon vor der Beobachtung feststehenden (un)bewussten und handlungsleitenden Erwartungen an das Beobachtungsergebnis; der Einstellung zum Beobachtungsvorgang selbst; der Einstellung zur Situation und/oder zur Person, die beobachtet werden soll; den zurückliegenden – und emotional besetzten – Erfahrungen und Erlebnissen im Hinblick auf den Beobachtungsgegenstand; den von außen gesetzten Erwartungen; der individuellen methodisch/didaktischen Arbeitsgestaltung des Beobachters; das Werte- und Normensystem des Beobachters; der grundsätzlichen Einstellung zum Beruf …

zu 2) Einflussfaktoren, die mit der Einrichtungsstruktur zusammenhängen: mit der Raumgestaltung; der konzeptionellen Grundlage für die Arbeitspraxis (dogmatische Prägung); der Gruppengröße; dem in einer bestimmten Form gestalteten Tagesablauf; den verhaltensbeeinflussenden Materialien; der besonderen Ortslage der Einrichtung; der besonderen soziokulturellen Gruppenzusammensetzung;

zu 3) Einflussfaktoren, die mit der Programmstruktur der Einrichtung verbunden sind: mit den Schwerpunkten der Didaktik; der ideologischen Ausrichtung der Einrichtung; der spezifischen Methodik zur Umsetzung von Zielen; der besonderen Auslegung und Gestaltung der konzeptionellen Schwerpunkte; …

Ausgangspunkte für eine qualitätsgeprägte Beobachtung

Jede Beobachtungsaktivität wird nur dann zu einem qualitätsgeprägten Ergebnis führen,

a) wenn sie gut vorbereitet worden ist,

b) eine klare, unmissverständliche Zielsetzung besitzt,

c) der Beobachter während der Beobachtungszeit konsequent das Beobachtungsziel verfolgt,

d) die Beobachtung eine offene Zielfindung zulässt – ohne dass schon im Vorfeld frühzeitige Bewertungen das Beobachtungsergebnis beeinflussen –

e) und dabei auch die Beobachtungsergebnisse praktische Konsequenzen für die weitere Gestaltung hergeben.

Systematische Beobachtungen werden immer schriftlich festgehalten. Dafür bieten sich – je nach Aufgabenstellung – unterschiedliche Beobachtungsbögen, -schemata und -protokolle an (s. Literaturverzeichnis: A. Krenz). 

Fragen des Beobachters vor jeder Beobachtung

Damit jede Beobachtung zielorientiert durchgeführt werden kann und gleichzeitig die formulierte Ausgangsfrage auch tatsächlich zum Ausgangspunkt des weiteren Vorgehens wird, hat sich der Beobachter vor jeder Beobachtungsaktivität folgende Fragen zu stellen:

Warum soll beobachtet werden? (z.B. um typische Kommunikations- und Interaktionsmuster zwischen sich und dem Kind zu entdecken; um die (Un)Wirksamkeit bisheriger pädagogischer Maßnahmen zu überprüfen; um eine aktuelle Bestandsaufnahme spezifischer Fähigkeiten und/oder Fertigkeiten bestimmter Kinder mit Blick auf die Beurteilung ihrer Schulfähigkeit vornehmen zu können; …)

Wer soll beobachtet werden? (z.B. ein bestimmtes Kind in seiner Spielsituation mit einem anderen Kind; die Gesamtkindergruppe, um die aktuelle Verteilung von Rollen in der Gruppe zu erkennen; eine bestimmte Teilgruppe von Kindern, um ihr besonderes Kommunikationsverhalten im Vergleich mit einer anderen Teilgruppe in Beziehung zu setzen; man selbst im Sprach- oder Spielkontakt mit bestimmten Kindern, um Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede im eigenen Verhalten in Abhängigkeit von eigenen Einstellungen/bestimmten Kindern zu erkennen; …)

Was genau soll beobachtet werden? (z.B. welches Kind in welcher Situation welche Spielform bevorzugt bzw. welcher Spielform aus dem Wege geht; welche besonderen Fähigkeiten und/oder Fertigkeiten bestimmte Kinder in bestimmten Situationen zum Ausdruck bringen; welche Kommunikations- und Konfliktkultur zwischen Mitarbeiter/innen und Kindern ausgedrückt wird; …)

Wann soll beobachtet werden? (z.B. in der Zeit der Ankunft der Kinder oder vor/während des Abholens durch die Eltern; während bestimmter Spielphasen; während des Frühstücks; in der Zeit des Freispiels; …)

Wie lange soll beobachtet werden? (z.B. in einer festgelegten Zeitspanne von 15, 30, 45 oder 60 Minuten; einen ganzen Vor- oder Nachmittag; während des Frühstücks; …)

Wo soll beobachtet werden? (z.B. im Gruppenraum; wenn die Kinder sich auf dem Außengelände aufhalten; bei Exkursionen außerhalb des Kindergartengeländes; …)

Wie soll beobachtet werden? (z.B. mit einer Video-Kamera; mit einem bestimmten Beobachtungsbogen; in Form einer teilnehmenden Gelegenheitsbeobachtung; als offene oder verdeckte Beobachtung; …)

Sorgsam geplante und durchgeführte sowie zielgerichtete Beobachtungen tragen dazu bei, Beobachtungsergebnisse zu deuten (nicht zu interpretieren), beobachtete Vorgänge zu beschreiben (nicht zu beurteilen) und beobachtbare Prozesse in Zusammenhängen zu verstehen (nicht zu isolieren bzw. zu funktionalisieren).

Wie oben erwähnt, ist es nicht möglich oder aus fachlicher Sicht zu empfehlen, sich bei einer Beobachtungsaufgabe (mit einer festgesetzten Fragestellung) als erstes auf das Kind auszurichten. Die erste Form einer Beobachtung ist stets die Selbstbeobachtung, ganz im Sinne von Prof. Dr. Wolfgang Liegle, der einmal gesagt hat: >Erkenne dich selbst, bevor du andere zu erkennen trachtest<. Selbstbeobachtung ist nicht einfach, weil dies bedeuten würde, sich selbst mit einem sachlich-kritischen Blick und einer notwendigen Distanz zu sich selbst ins „Kreuzverhör“ zu nehmen und damit sowohl ganz bestimmten entwicklungsförderlichen als auch -hinderlichen Verhaltensmerkmalen auf die Spur kommen zu können. Dabei würden sich Vorlieben und Abneigungen, Vorurteile und vorurteilsarme Einstellungen herauskristallisieren, es würden berufliche Stärken und auch Schwächen offenkundig, liebgewonnene Gewohnheiten kämen gleichzeitig auf einen kritischen Prüfstand und vor allem könnten sich gerade liebgewonnene Denk-/Handlungsmuster als entwicklungshinderliche Facetten herausstellen, die es im Hinblick auf das zu beobachtende Kind zu verändern gilt. Jeder Mensch hat dabei seine „rosarote Brille“ aufgesetzt, indem er unangenehme Beobachtungen/Erkenntnisse beschönigt und intrasubjektiv verstellt. Doch das entbindet ihn nicht von seiner Verpflichtung, sich dieser Herausforderung zuzuwenden. So könnten sich elementarpädagogische Fachkräfte beispielsweise folgende Fragen stellen:

1.) Was kann ich bei meinem Beobachtungswunsch des Kindes schwer aushalten bzw. was fällt mir leicht?

2.) Welche „Bilder“ habe ich zu dem Kind im Kopf und welche Vermutungen schränken meine Wahrnehmungsoffenheit bezüglich eines noch offenen Ergebnisses vielleicht ein?

3.) Wie schätze ich mein Beziehungsverhältnis zu dem Kind ein und welchen Einfluss könnte die Beziehung auf die Beobachtung/das Beobachtungsergebnis haben?

4.) Betrachte ich die Ausdrucksweisen des Kindes aus meiner eigenen Werte-/Normenwelt oder gelingt es mir, mich in die Biographie des Kindes einzudenken/einzufühlen?

5.) Bin ich eher darauf ausgerichtet, die Stärken des Kindes zu erfassen oder richte ich meine Aufmerksamkeit eher auf dessen Schwächen?

6.) Was könnten die Ausdrucksformen des Kindes mit meiner Person/der Qualität meiner Beziehung zum Kind/meiner pädagogischen Arbeit/den Rahmenbedingungen zu tun haben?

Grundsätze zur Durchführung und Auswertung erhobener Daten

Auch wenn die Beobachtung einzelner Kinder oder einer Gruppe im Mittelpunkt der gesamten Pädagogik steht und den Ausgangspunkt für kindorientierte Entwicklungsbegleitungen bildet, müssen sich Beobachter/innen selbst immer wieder bestimmter Grundsätze bewusst sein. Dazu hat Dr. Erika Kazemi-Veisari 10 Thesen aufgestellt, die in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung sind. (2005, S. 124 f.).

1. „Beim Be(ob)achten werden keine Fakten, sondern Botschaften wahrgenommen (gesehen, gehört, gefühlt, gedacht).“ Beobachtungen werden über unsere Wahrnehmungssinne registriert, und diese provozieren automatisch eigene Erinnerungen, eigene Vorlieben, eigene Abneigungen, eigene Ängste und Befürchtungen, eigene Glücksempfindungen oder eigene Abwehrmechanismen. Insofern sind es stets persönliche Bilder, die sich aus Fremdbeobachtungen und der eigenen Lebensbiographie zusammensetzen und ein Konglomerat aus persönlichen Einschätzungen und beobachteten Einzelfaktoren bilden.

2. „Be(ob)achtungen wählen aus; sie heben hervor, übersehen, deuten.“ Beobachtungen sind immer in ein vielfältiges Bild eingebunden, das durch Beobachtungsaufgaben in Einzelteile zerlegt wird. Gleichzeitig kann bzw. muss davon ausgegangen werden, dass Beobachter/innen schon im Vorwege ein bestimmtes „Ergebnisbild“ im Kopf haben und eine Bestätigung von Annahmen suchen. Solche Teilbilder können nur unvollständig sein und es besteht immer die Gefahr, dass nicht nur Situationsausschnitte ein Ergebnis verzerren, sondern auch vorgefertigte Antworten zu subjektiven Ergebnissen führen müssen.

3. „Be(ob)achtungen erfassen nur sichtbare und hörbare Aspekte; die Persönlichkeit des Kindes ist aber immer mehr als die Summe der beobachtbaren Teile.“ Jedes Verhalten eines Menschen ist zu jeder Zeit von zwei Einflussgrößen abhängig: der individuellen Persönlichkeit selbst und dem Umfeld. Bei allen Beobachtungen kann nur das registriert werden, was das Kind in einer Beobachtungssituation mit wem, wo und wie lange tut. Beobachtungen erfassen nicht (un)mittelbare Vorgeschehnisse, die aktuelle Grundstimmung des Kindes und seine Lebensgeschichte mit den entsprechenden verhaltensprägenden Erlebnissen, die zum Zeitpunkt der Beobachtung mit zum Ausdruck kommen.

4. „Die Art und Weise, wie Kinder sich ausdrücken, ist nicht unmittelbar zu verstehen.“ Die Vielfalt der Ausdrucksmöglichkeiten von Kindern – ihr Malen und Zeichnen, ihr Verhalten, ihre Motorik, ihre Sprache und ihr Sprechen, ihre Träume und ihr Spiel(en) – steckt voller Symbole (Metzinger, A.,2005; Hauch, G., 2004; Romberg-Asboth, I., 1999; Finger, G. & Simon-Wundt, T., 2003; Steinhausen, H.-Chr., 2004; Krenz, A., 2012). Beobachtungen ergeben zwar eine Bestandsaufnahme der kindeigenen Ausdrucksformen – sie lassen sich aber erst aus einem professionellen Verstehen begreifen. Dadurch ergeben sich häufig völlig andere Sichtweisen zum Kind und seinen offenbarten Ausdrucksmöglichkeiten.

5. „Be(ob)achtungen werden oft durchgeführt, weil Erwachsene ihre Probleme mit dem Kind lösen wollen.“ Bei allen Beobachtungen muss immer wieder die Frage im Vordergrund stehen, wer tatsächlich das Problem mit den vom Kind geäußerten Verhaltensweisen hat. In der Regel ist es so, dass die Probleme „im Kind liegend“ gesehen werden – vielleicht ist es aber eher so, dass Erwachsene Schwierigkeiten mit der Lautstärke des Kindes, seiner Lebendigkeit, seiner Offenheit, seiner Direktheit, seiner Neugierde, seinem kreativen Verhalten, seiner angemessenen Aggressivität haben.

6. „Be(ob)achtungen sind entscheidend geprägt von der Haltung, mit der sie durchgeführt werden. Beobachtungen unterliegen einer ethischen Verantwortung.“ Erfahrungen zeigen, dass die meisten Beobachtungen darauf ausgerichtet sind, „Defizite“ in bestimmten Entwicklungsbereichen von Kindern genauer zu erfassen, ohne vor allem Hintergründe sowohl im mittelbare Umfeld des Kindes (z.B. in der vergangenen bzw. gegenwärtigen Familiengeschichte) und insbesondere im unmittelbaren Einflussbereich (z.B. der Gruppenzusammensetzung, dem räumlichen Umfeld in der Einrichtung, der Hausatmosphäre, der Didaktik, dem pädagogischen Ansatz, der Erzieher/in selbst) zu suchen. So entscheidet die Sichtweise, die Einstellung der Fachkräfte über die Zielrichtung der Beobachtung und vor allem über die Frage, ob die gewählte Beobachtung vor allem einen lösungsorientierten oder festschreibenden Ausgangspunkt besitzt.

7. „Kinder reagieren auf Be(ob)achtungen; sie ‚richten sich darauf ein’, was sie als Beobachtete spüren.“ Beobachtungen finden nicht in einem „verdunkelten, versteckten“ Raum statt. Vielmehr registrieren Kinder sehr genau, dass Erwachsene Beobachtungen durchführen. Durch diese erlebte Aufmerksamkeit kann es passieren, dass sie ihr Verhalten ändern, was letztlich zu einem anderen Beobachtungsergebnis führen kann als bei einer Beobachtung, die von dem Kind nicht wahrgenommen werden würde.

8. „Be(ob)achtungen können nur zu Achtungen führen, wenn sie dialogisch sind. Sie werden nicht „am Kind“ durchgeführt, sondern sind eine Form der Kommunikation mit dem Kind.“ Beobachtungen stellen keine „Methode“ dar, um etwas „am Kind vorbei“ zu unternehmen. Vielmehr haben Kinder unter dem Aspekt von Wertschätzung und Achtung ein Recht darauf zu erfahren, warum, was und wozu entsprechende Beobachtungen angestellt werden sollen. Das hat in der Praxis drei Konsequenzen. Zum einen sollten Kinder um ihre Einverständniserklärung für die Datenerhebung gebeten werden, zum anderen ist es möglich, ihnen die Aufzeichnungen oder Ergebnisse mitzuteilen. Schließlich erhalten Kinder die Möglichkeit, ihre persönliche Einschätzung zu den Aufzeichnungen und Ergebnissen abzugeben.

9. „Auch Kinder be(ob)achten ständig und aufmerksam; auch sie deuten, was sie wahrnehmen.“ Kinder bewerten ihre Erlebnisse, ihre Erfahrungen und die Ereignisse um sie herum ebenso wie Erwachsene. Aus dieser Tatsache heraus leitet sich die Forderung ab, auch mit Kindern immer wieder über ihre Deutungen und Situationsinterpretationen ins Gespräch zu kommen.

10. „Aus Be(ob)achtungen lassen sich immer (!!) widersprüchliche und verschiedene Schlussfolgerungen ziehen. Deshalb müssen Schlussfolgerungen kommuniziert werden.“ Beobachtungen laufen nicht in einer eindimensionalen Kausalität ab – sie geben lediglich Hinweise auf mögliche Korrelationen. Um sich selbst vor einseitigen oder vorschnellen „Wenn-dann-Aussagen“ zu schützen und vor allem auch die beobachteten Kinder nicht in persönlich geprägten Alltagstheorien einzubinden, sollten Beobachtungsergebnisse immer in einem Austausch mit anderen besprochen und kritisch reflektiert werden.

Die Gestaltung von Entwicklungsberichten und die aktive Durchführung einer Entwicklungsbegleitung

Damit die elementarpädagogischen Fachkräfte selbst und auch die Adressaten von Entwicklungsberichten (Eltern, Grundschulen, sozialpädagogische/psychologische Dienste, Fachpraxen, Kinderärzte) entsprechende kompetent verfasste Informationen erhalten, müssen alle Entwicklungsberichte fachlich korrekt strukturiert und inhaltlich klar aufgebaut sein.

Darüber hinaus bilden konkrete Beobachtungsergebnisse die Grundlage für aktive Entwicklungsbegleitungen, um den Kindern zu helfen, Stärken zu stärken und Schwächen zu schwächen.

Der Versuch, an dieser Stelle einen zumindest einigermaßen vollständigen Überblick über Aufbau und Struktur von Entwicklungsberichten und Gliederungshilfen für die Erstellung von Beurteilungen auf der Grundlage von gewonnenen Erkenntnissen aus Beobachtungen wiederzugeben, ist aufgrund der unüberschaubaren Vielfalt an Möglichkeiten und unterschiedlichen Herangehensweisen von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Auf der einen Seite liegt es daran, dass die Merkmale und Schwerpunktsetzungen von Entwicklungsberichten und Beurteilungsbögen aufgrund der vielfältigen Fragestellungen sehr unterschiedlich gehalten sind, auf der anderen Seite ist festzustellen, dass sich auch im Laufe der Zeit die Schwerpunkte für Entwicklungsberichte und Beurteilungshilfen immer wieder verändert haben und sich auch heute noch in Veränderungen befinden. Dazu kommt, dass jede psychologische Richtung und jeder pädagogische Ansatz eigene, besondere Schwerpunkte setzt.

Eine in der Praxis vielbewährte Form zur Ersterfassung der unterschiedlichen Entwicklungsbereiche könnte in folgender Gliederung liegen:

a) Grobmotorik (Gleichgewichtsreaktionen; Körpergeschick; Situationsangepasstes Bewegungsverhalten),

b) Feinmotorik (Handgeschick; Zusammenspiel von Auge und Hand),

c) Emotionale Entwicklung (Ausdruck von Gefühlen und Bedürfnissen; Einfühlungsvermögen; Frustrationstoleranz; Selbstbewusstsein),

d) Soziale Entwicklung (Kontaktfähigkeit; Hilfsbereitschaft; Konfliktbewältigung; Regelorientierung; Selbstständigkeit),

e) Sprachentwicklung (Freude am Sprechen, Lautbildung und Artikulation; Wortschatz; Satzbau und Grammatik; Inhalts- und Sprachverständnis),

f) Kognitive Entwicklung (Merkfähigkeit; Erfassung von Zahlen, Mengen und Größen; Abstraktes und logisches Denken),

g) Spiel- und Lernverhalten (Verschiedene Interessen; Kreativität; Ausdauer und Konzentration)

Neben vielen Beispielen für typische Verhaltensweisen sind die (elementar)pädagogischen Fachkräfte aufgefordert, kindbezogene Beobachtungen zu verschriftlichen, eine Beurteilung des Förderbedarfs vorzunehmen und bestimmte Maßnahmen zur Förderung aufzuführen.

Die Beobachtungsbögen zur Erfassung kindlichen Verhaltens und kindlicher Entwicklungen von Lueger (2005) gehen auf folgende fünf Schwerpunktbereiche ein:

1. Zunächst steht das äußere Erscheinen und der motorische Gesamteindruck im Vordergrund (Körperlicher Entwicklungsstand, körperliche Auffälligkeiten, Gepflegtheit, Gesundheitszustand & Leistungsfähigkeit, Körperbeherrschung, Grobmotorische Bewegungen, Feinmotorik, Körperkoordination, Psychomotorik).

    Es folgen Beobachtungskriterien zu den grundlegenden Bewegungsprinzipien und Bewegungsabläufen (Muskelspannung, Bewegungssicherheit, Bewegungsgleichgewicht, Bewegungselastizität, Bewegungskoordination, Bewegungsschnelligkeit, Bewegungskräfte, Reaktionsfähigkeit und Bewegungsabläufe), der Feinmotorik (Allgemeine Geschicklichkeiten im Spiel- und Arbeitsverhalten, Hand-Finger-Geschicklichkeit, Umgang mit Pinsel und Farbe, Visumotorische Geschicklichkeit und feinmotorische Koordination), Psychomotorik, Handlungsplanung und Steuerung (Soziale Kompetenz, Eigenaktivität, Körperschema, Motorische Überaktivität bzw. Gehemmtheit),

2. zur visuellen Wahrnehmung (Visumotorische Koordination, Figur-Grund-Wahrnehmung, Wahrnehmungskonstanz, Wahrnehmung der Raumlage und Wahrnehmung räumlicher Beziehungen), zur auditiven Wahrnehmung (Auditive Lokalisation, Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit, Diskrimination, Figur-Grund-Wahrnehmung, auditiv-kinästhetische Koordination), zur vestibulären Wahrnehmung, zum taktil-kinästhetischen Bereich, Stellungssinn, Bewegungssinn, Kraftsinn, Spannungssinn und taktiles Differenzierungsvermögen, zur gustatorischen und olfaktorischen Wahrnehmung (= Geschmack und Geruch),

3. zum allgemeinen Sprachverhalten (Sprachliche Umgebung des Kindes, Sprachvorbild/er, Kommunikation mit Erwachsenen, der Erzieherin und mit anderen Kindern, Beteiligung des Kindes an Gesprächssituationen, Interesse an sprachlichen Aktivitäten, Begegnung des Kindes mit Schrift etc.) und den physiologischen Voraussetzungen, zur Gesprächsbereitschaft und zum Anweisungsverständnis, zur Sprachfähigkeit, zum Sprachgedächtnis, zur phonologischen Bewusstheit und zur Begegnung mit Symbolen und Schrift.

4. Schließlich geht es im Entwicklungsbereich „Denken“ um die differenzierte Wahrnehmung, das kausale Denken, die Art und Weise der Wissensaneignung, das Gedächtnis und um die Intelligenz sowie Problemlösung.

5. Der letzte Bereich befasst sich mit der Erfassung emotionaler und sozialer Kompetenzen. Auch hier sind zu allen Bereichen entsprechende Beispiele genannt und die Fachkräfte sind aufgefordert, aus einem Beobachtungszeitraum über vier Quartale entsprechende Ziele zu formulieren, Angebote zu entwickeln und Ergebnisse zu reflektieren.

Eine sehr umfangreiche Grundlage für Entwicklungs- und Beurteilungsberichte liefert Prof. Ledl von der Pädagogischen Akademie des Bundes in Wien (2003). Auch wenn er einen speziellen Bogen zum Schuleingangsbereich vorschlägt, kann die Struktur grundsätzlich auch auf ältere oder jüngere Kinder übertragen werden. Dabei entsprechen die 5 Strukturfelder exakt den Entwicklungsbereichen, die Dagmar Lueger ihren Beobachtungsbögen zur Erfassung kindlichen Verhaltens und kindlicher Entwicklungen zu Grunde legt:

1. Motorischer Bereich (Grobmotorik – allgemeine Geschicklichkeit, Bewegungssicherheit, Bewegungselastizität, Bewegungskoordination, Bewegungsschnelligkeit, Reaktionsfähigkeit, Visumotorische Koordination; Bewegungsgeschicklichkeit. Feinmotorik – allgemeine Geschicklichkeit, Hand-Finger-Geschicklichkeit, feinmotorische Koordination. Handlungsplanung und Handlungssteuerung – Körperschema, Raumlage, bilaterale Koordination, Überkreuzung der Körpermitte, motorische Aktivität, ausgewogene Lateralität, Seitigkeitsprüfung.);

2. Wahrnehmungsbereich: a) visuelle Wahrnehmung, b) auditive Wahrnehmung, c) taktil-kinästhetische Wahrnehmung, d) Gleichgewichtswahrnehmung, e) Mnestische Funktionen (=Aufmerksamkeit und Konzentration);

3. Sprachlicher Bereich: a) Gesprächsbereitschaft, b) Anweisungsverständnis, c) Sprachfähigkeit, d) Sprachgedächtnis, e) Auffälligkeiten in der Sprache;

4. Kognitiver Bereich: a) Kurz- und Langzeitgedächtnis,
b) Produktives und rechnerisches Denken;

5. Sozial-emotionaler Bereich: a) emotionale Stabilität, psychische Verfassung, Selbstsicherheit und Selbstwertgefühl; b) Sozialverhalten (Kontaktverhalten, Kooperations- und Konfliktverhalten, Selbstkontrolle und Regelbewusstsein); c) Lern- und Arbeitsverhalten (Lernbereitschaft, Arbeitshaltung, Selbstständigkeit).

Der „Beobachtungsbogen zur Erfassung von Entwicklungsrückständen und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindergartenkindern“ (Mayr, 1998) soll die Früherkennung besonderer Schwierigkeiten erleichtern und Fachkräften dabei behilflich sein, Alltagsbeobachtungen festzuhalten, zu strukturieren und als Hinweis für Hilfsangebote, Gesprächsgrundlage mit Kolleginnen, Eltern oder Fachdiensten dienen. Die Höhe der Ausprägung eines Problems kann dabei in drei Stufen skizziert werden (unauffällig, leicht ausgeprägt und stark ausgeprägt) und eigene Beispiele, Beschreibungen und Anmerkungen sollen eine möglichst genaue Faktenabbildung wiedergeben.

Im Einzelnen geht es um die 5 folgenden Bereiche:

a) Sprache und Sprechen (Lautbildung, Satzbau, Grammatik, Stimme, Atmung, Redefluss, Kommunikation, altersgemäße Sprache, Sprachverständnis, Mundmotorik),

b) Kognitive Entwicklung (ordnen & unterscheiden, Merkfähigkeit & Gedächtnis, Auffassungsgabe & logisches Denken, Ideenreichtum & Kreativität),

c) Wahrnehmung und Orientierung (visueller, auditiver, taktil-kinästhetischer Bereich), Motorik (Grobmotorik, Krafteinsatz, Feinmotorik),

d) Verhalten (Aggression in der Gruppe, Aggression im Kontakt mit der Erzieherin, Schüchternheit & Hemmung, Distanzlosigkeit, Angst vor Nähe, Überempfindlichkeit, motorische Unruhe, Aufmerksamkeit, Konzentration & Ausdauer, Arbeitsverhalten, Selbstständigkeit, Soziale Kontakte & Stellung in der Gruppe),

e) Einzelsymptome, Gesundheit & körperlicher Zustand sowie familiäre und psychosoziale Belastungen.

Im Unterschied zu den bisher vorgestellten Verfahren ist es auch möglich, Entwicklungsberichte oder Beurteilungen frei von bestimmten Entwicklungsbereichen zu formulieren. So schlägt Strätz (2005) in Ausrichtung auf den Vorschlag des Caritasverbandes für die Diözese Münster e.V. (Referat Tageseinrichtungen für Kinder, 2004) folgenden Aufbau einer persönlichen Dokumentation über alle Kinder in der Gruppe vor und dabei sieht er es als hilfreich an, durch Impulsfragen und freie Formulierungen zu aussagekräftigen Beschreibungen zu kommen:

1. Welche Stärken und individuellen Talente oder Vorlieben hat das Kind? (Bezogen z.B. auf Bewegungsfähigkeit, Sprachkompetenz/Ausdrucksfähigkeit/Kommunikationsfähigkeit, Spielverhalten, Gestalten/Kreativität/Fantasie, Umgang mit Medien, Erschließung von Lebenswelten/Natur und kultureller Umwelt, soziale Kompetenzen …);

2. Persönlichkeitsentwicklung des Kindes (z.B. Selbstständigkeit, Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl, Ausgeglichenheit, Emotionalität, Empathie …);

3. Engagiertheit des Kindes (Womit beschäftigt sich das Kind besonders gern? Wie intensiv, engagiert und konzentriert geht es dieser Beschäftigung nach? Welche Themen/Anliegen sind für das Kind besonders wichtig? Welches Spiel oder welche Aktivitäten bevorzugt das Kind? Wie ist das individuelle Lerntempo des Kindes?)

4. Wie setzt das Kind seine eigenen Selbstbildungspotenziale im Bildungsprozess ein? (z.B. Wahrnehmungsfähigkeit, innere Verarbeitung durch Eigenkonstruktion, Fantasie, durch sprachliches und naturwissenschaftlich-mathematisches Denken, Fähigkeit zum sozialen Austausch, Umgang mit Komplexität und Lernen in Sinnzusammenhängen, Neugierde/forschendes Lernen/individuelle Lernstrategien …);

5. In welchem Bereich/welchen Bereichen seines individuellen Lernweges benötigt das Kind Unterstützung, Anregung, Förderung oder Freiräume? (Hinsichtlich der Bildungsbereiche/der individuellen Selbstbildungspotenziale des Kindes);

6. Welche pädagogischen Handlungsstrategien ergeben sich auf der Grundlage der aktuellen Beobachtung für das Kind? (z.B. individuelle Förderangebote, Gruppensituation, Beratungsgespräche mit Eltern, Reflexion im Team).

Neben diesen Aufzeichnungen folgen Fragen zur Selbstreflexion: Was berührt mich bei dem Kind? Welche Erwartungshaltung habe ich dem Kind gegenüber? Wodurch löst es bei mir Zuwendungs- oder Abwehrverhalten aus? Was hat dieses Erleben mit meiner eigenen Biografie zu tun? Was will mir das Kind mit seinem Verhalten sagen? An welchen Punkten hat sich meine Wahrnehmung und Einschätzung des Kindes unter Berücksichtigung meiner Selbstreflexion verändert? Was hat sich im Vergleich zur letzten Beobachtung verändert? Mit welcher Einstellung und Haltung führe ich das Gespräch mit den Eltern zu den Inhalten und Ergebnissen der Beobachtung? Wurde dies vorab im kollegialen Austausch im Team oder im Gespräch mit der Leitung zur Sicherung möglichst hoher Objektivität beraten?

Denkbar wäre aber auch ein Beobachtungsraster, bei dem die 9 Entwicklungsbereiche eines Kindes als Ausgangspunkt angesetzt und vielfältige, unterschiedliche Beobachtungen mit Beispielen beschrieben (und damit dokumentiert) werden (Sprache/Sprechen; kognitive Intelligenz; Denken, kognitive Kompetenz, Fantasie; Kommunikationsverhalten, Soziabilität; Gefühle, emotionale Intelligenz; Werte, Umgangskultur; Motorik, Selbstständigkeit; Interessen, Spiel, Freizeitverhalten; Neugierde, Lernverhalten). Auch wenn diese 9 Entwicklungsbereiche als einzelne Schwerpunktfelder aufgeführt sind, so ist in der entwicklungspsychologischen Forschung bekannt, dass alle Entwicklungsbereiche miteinander verzahnt (=vernetzt) sind. Das heißt: Selbstverständlich ist es möglich, spezifische Beobachtungen einzelnen Bereichen zuzuordnen. Gleichzeitig gilt es aber auch als eine Selbstverständlichkeit, im Nachhinein Vernetzungen herzustellen, weil zwischen den Entwicklungsbereichen gegenseitige Abhängigkeiten bestehen. So beispielsweise zwischen emotionalen Kompetenzen und kognitiven Leistungen, sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten und der motorischen Entwicklung, der Sprachkompetenz und dem Spielverhalten, dem umgangskulturellen Verhalten und der sozialen Kompetenz, der emotionalen Intelligenz und dem Lernverhalten… Wer daher um diese Interdependenzen weiß, wird nicht überrascht sein feststellen zu können, dass Entwicklungsunterstützungen in einem Entwicklungsfeld (z.B. der Werteentwicklung) direkte Auswirkungen auf einen anderen Entwicklungsbereich haben können (in diesem Fall z.B. auf den sozialen Bereich). In umgekehrter Betrachtung kann es aber auch bedeuten, dass direkte, gezielte Entwicklungsförderungen (z.B. im sprachlichen Bereich) keine nachhaltigen Auswirkungen nach sich ziehen müssen, wenn beispielsweise Neugierde, Lernfreude und Lernmotivation nicht gleichzeitig in einem Entwicklungsvorgang provoziert wurden. Die (Un)Wirksamkeit von „Fördermaßnahmen“ bekommt dadurch ihren Sinn und liefert gleichzeitig eine stimmige Begründung.

Schließlich schlägt Thomas Denning (2007) eine Aufbaustruktur für Beobachtungs- und Entwicklungsdokumentationen vor, aus der an dieser Stelle einige Beispiele in Stichworten genannt seien:

a) Selbstständigkeit/Vertrauen (Lösung von Bezugspersonen; selbstständiges An- und Ausziehen; sicheres Verhalten in der Einrichtung; Ausprobieren von neuen Tätigkeiten; selbstständige Beschäftigung …)

b) Soziales Lernen (Spiel mit anderen Kindern; Akzeptanz von Spielregeln; Pflege von Freundschaften; Äußerung von Bedürfnissen; Ausdruck von Gefühlen; Konfliktlösekompetenz; Kooperationsverhalten …)

c) Spielverhalten (kann sowohl alleine als auch mit anderen Kindern spielen; kann bei einem Spiel bleiben; beherrscht unterschiedliche Spielformen; nutzt die Vielfalt der Spielmaterialien …)

d) Lebenspraxis (versorgt sich selbstständig mit Speisen; beachtet Tisch- und allgemeine Umgangsregeln; kann sich angemessen bei Unter-/Überforderungen zur Wehr setzen …)

e) Motorik (kann balancieren, hüpfen, springen, klettern, laufen; beherrscht einige Ballspiele; kann mit dem Roller, Dreirad, Fahrrad fahren; kann einen Stift entspannt halten und Gedanken in gemalte Bilder umsetzen; kann Perlen etc. auffädeln …)

f) Wahrnehmung (erkennt und unterscheidet akustische Signale, Formen, Farben; kann sich gezielt konzentrieren; kann eigene und fremde Bedürfnisse erkennen …)

g) Kognition (kann Handlungsschritte aufeinander aufbauend umsetzen; besitzt eine Merkfähigkeit; beendet begonnene Tätigkeiten; erkennt Kausalzusammenhänge; entwickelt eigene Ideen; kennt Größen- und Mengenbegriffe; erkennt Regeln; ist lernbegierig und probiert Neues aus…)

h) Sprache (beherrscht die Muttersprache vollständig; zeigt in unterschiedlichen Situationen eine Sprechbereitschaft; ist sprechsicher; erzählt von Erlebnissen und Erfahrungen; drückt Sprechfreude aus; kommuniziert mit anderen Kindern und Erwachsenen; hat eine deutliche Aussprache; bildet vollständige Sätze; formuliert die Sätze grammatikalisch richtig; hat einen altersgemäßen Wortschatz …)

i) Emotion (besitzt sowohl Frustrationstoleranz als auch eine Frustrationsgrenze; bringt seine aktuelle Befindlichkeit zum Ausdruck; besitzt Empathie; kann eigene Wünsche und Vorstellungen auch einmal zurückstellen …)

Es gilt festzuhalten, dass es aufgrund der jeweils besonderen Fragestellungen und der unterschiedlichen Zielsetzungen für Entwicklungsberichte und Beurteilungen keine eindeutige „Empfehlung für das ‚richtige’ oder ‚beste’ Verfahren“ geben kann (vgl. Rohrmann, 1996, S. 59). Vielmehr ergibt sich die Entscheidung durch die genaue Aufgabenstellung selbst und die damit verbundenen, besonderen Merkmale, die für die aufgeworfene Fragestellung besonders hilfreich zu sein scheinen und die für den Entwicklungsbericht bzw. die Beurteilung die größte Aussagekraft besitzen. Dabei kann jeder Aufbau und jede Struktur einer bestehenden Arbeitshilfe auch durch eigene Kriterien erweitert werden.

krenz elementarpaedagogik

Diesen Artikel haben wir folgendem Buch entnommen:
Entwicklungsorientierte Elementarpädagogik
Kinder sehen, verstehen und entwicklungsunterstützend handeln

Krenz, Armin
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 9783944548029
200 Seiten, 24,95 €
Mehr dazu auf www.oberstebrink.de

Literatur

Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) (2008): Frühe Bildung beobachten und dokumentieren. Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung

Denning, Thomas (2007): Schritt für Schritt zur eigenen Beobachtung und Dokumentation. Praxisbeispiele, Entscheidungshilfen, Anregungen und Musterbögen. Troisdorf: Bildungsverlag EINS

Gartinger, Silvia (2009): Früheste Beobachtung und Dokumentation. Bildungsarbeit mit Kleinstkindern. Troisdorf: Bildungsverlag EINS

Held, Nina (2010): Spielanlässe zur Erstellung von Bildungsdokumentationen. Spielerische Angebote für gezieltes Beobachten und Dokumentieren in der Kita. Münster: Ökotopia Verlag

Kazemi-Veisari, Erika: (2005) Von der Beobachtung zur Achtung. In: KiTa aktuell ND, Heft Nr. 6/2005

Krenz, A (2009): Beobachtung und Entwicklungsdokumentation im Elementarbereich. München: Olzog Verlag

Krenz, A. (2001): Qualitätssicherung in Kindertagesstätten. München, Reinhardt

Mayr, Toni + Ulich, Michaela (1998): BEK – Beobachtungsbogen zur Erfassung von Entwicklungsrückständen und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindergartenkindern. München: Staatsinstitut für Frühpädagogik

Rohrmann, Tim (1996): Beobachtungsverfahren und Befragungsmöglichkeiten von Kindern im Kleinkindalter. Eine Expertise im Rahmen des Projekts „Konfliktverhalten von Kindern in Kindertagesstätten“ des Deutschen Jugendinstituts München: München, DJI

Strätz, R. und Demandewitz, H. (2003): Beobachten. Anregungen für Erzieherinnen im Kindergarten. Weinheim: Beltz




Wertebildung sollte an erster Stelle stehen

Werteerziehung bedeutet Zukunftssicherung für die ganze Gesellschaft

Werte sind die Leitlinien im Leben eines Menschen. Sie sind die Basis für ein verantwortungsvolles Dasein und den Umgang der Menschen in einer Gesellschaft. Ohne Werte kann keine Gesellschaft existieren. Hier würde lediglich das Gesetz des Stärkeren regieren, in dem Verbrechen, Unterdrückung und Gewalt an der Tagesordnung wären. Aber im Gegensatz zu vielem anderen sind Werte nicht in uns angelegt. Wir müssen sie erst lernen und erfahren. Dabei ist jedes Kind auf die Erfahrung mit seiner Umwelt angewiesen. Uns kommt dabei eine enorme Verantwortung zu.

Bildung ist die Entwicklung der Anlagen des Menschen

In seinem Buch „Grundlagen der Elementarpädagogik“ setzt sich der bekannte Sozialpädagoge Prof. Dr. Armin Krenz mit dem Thema intensiv auseinander. In den Mittelpunkt seiner Betrachtung stellt er dabei eine Begriffsdefinition aus dem Brockhaus von 1960.

„Bildung ist die (bewusste) Entwicklung der Anlagen des Menschen mit Hilfe der Erziehung und des eigenen Strebens zur innerlichen Erfassung der religiösen, sittlichen, künstlerischen und wissenschaftlichen Werte.“

Für Krenz sind hier gleich mehrere Aspekte von besonderer Bedeutung. „Eine Bildung von Werten sowie die Existenz einer Bildung als Werteorientierung existiert nicht von Anfang an – sie ist weder genetisch programmiert noch anlagebedingt existent. Vielmehr ergibt sich eine Bildung aus bzw. von Werten durch eine Entwicklung.

Werteentwicklung geschieht bewusst und unbewusst

Eine Bildung und Werteentwicklung umfasst offensichtlich zwei Aspekte, durch die sie selbst entstehen kann: Zum einen ist es möglich, sie selbst bewusst zu initiieren und damit zu steuern, zum anderen geschieht sie auch unterbewusst (nebenbei) durch bestimmte Erlebnisse, Erfahrungen und Eindrücke, denen der Mensch im Laufe seiner Biografie ausgesetzt ist.“

Auf Basis von Werten gestalten wir unser Leben

Es sind diese beiden Aspekte, von denen nicht nur die Wertebildung, sondern letztlich unser aller Zukunft abhängt. Denn wenn Werte die Basis unserer Handlungen bilden, gestalten wir mit diesen auch unser Leben und beeinflussen das Leben von anderen. Unsere Werte finden Eingang in unsere gesellschaftliche Verfassung, in unsere Gesetze, in unsere Wirtschaft, Politik und unser Sozialsystem. Von daher ist der Spruch „Seid nett zu euren Kindern, sie suchen eines Tages euer Altersheim aus“, nicht nur witzig, sondern auch wahr. Denn auf Basis der Werte, die wir unseren Kindern vermitteln, werden diese uns eines Tages auch behandeln.

Binsenweisheiten sind Wahrheiten

Mag dies auch eine Binsenweisheit sein, scheint sie im Alltag kaum präsent zu sein. Ebenso wenig wie andere Binsenweisheiten, die da heißen „Wie man in den Wald hineinschreit, so schallt es zurück“ oder „Was Du nicht willst, das man Dir tut, das füg‘ auch keinem andern zu.“

Krenz schreibt dazu:

„So zeigen uns viele Alltagsbeispiele, dass eine „Spaßgesellschaft“ hauptsächlich einer egozentrischen Wunschbefriedigung nachgeht und damit sozialgeprägten Werten (z.B. Rücksichtnahme auf andere; Mitverantwortung für das Wohlergehen anderer; Aufgabenerfüllung im Dienste der Gemeinschaft …) keine wesentliche Bedeutung beimisst.“

Wohin das führt, zeigt sich unter anderem in den enormen sozialen Ungerechtigkeiten, dem verantwortungslosen Umgang mit der Umwelt, der letztlich in die Klimakatastrophe führen wird oder den menschenverachtenden Handlungen gegenüber den Armen und Schwachen in unserer Gesellschaft.

Missstände sind das Ergebnis einer mangelhaften Bildungslandschaft

All diese und viele andere Missstände sind letztlich nichts anderes als Ausdruck einer mangelhaften Bildungslandschaft, der es eben nicht gelungen ist, die Bedeutung von Werten zu vermitteln. Dabei findet Bildung inmitten unserer Gesellschaft statt. Kinder lernen von ihren Vorbildern. Sie lernen das zu schätzen, was ihre Vorbilder schätzen.

Wenn für diese aber eben nicht die sozialgeprägten Werte im Vordergrund stehen, sondern das Streben nach Reichtum, hoher sozialer Stellung und großer Macht entsteht unter anderem aufgrund der Unerreichbarkeit dieser Ziele für die meisten Menschen eine sinnentleerte Gesellschaft. Diese füllt ihre Leere durch dauernden Konsum und tut jene, die sich verantwortungsvoll der Zukunft stellen gerne als Gutmenschen ab.

Der Schlüssel zur Zukunft liegt in unserer Hand

Und wenn es sich nun auch pathetisch anhören mag, liegt der Schlüssel für eine glückliche Zukunft in der Bildung und damit in unserer Hand. Kinder lernen von unserem Vorbild und wenn dieses glaubhaft ist, haben wir die Möglichkeit, ihnen jene Werte nahe zu bringen, die ihnen und uns helfen, eine glückliche und sinnvolle Zukunft zu gestalten. Wie wir das tun sollen, dafür gibt es etliche Anregungen für spielerisches Wertelernen, das in seiner Bedeutung ganz sicher vor dem Erlernen von MINT-Fächern und vielem anderen steht. Dass wir das tun sollten, daran gibt es keinen Zweifel.

Krenz schreibt dazu:

„Wertebildung wird demnach als eine persönlichkeitsbildende und nachhaltige Entwicklung angesehen, die sich in erster Linie auf emotional-soziale und handlungsorientierte Kompetenzen bezieht, ausgerichtet auf bedeutsame Einstellungen, Werte und Sichtweisen. Diese gilt es auf der Grundlage von verinnerlichten Erkenntnissen in eigene Entscheidungen und in das eigene Handeln einfließen zu lassen.“

Gernot Körner

krenz grundlagen

Buchtipp:

Armin Krenz
Grundlagen der Elementarpädagogik
Unverzichtbare Eckwerte für eine professionelle Frühpädagogik
ISBN 978-3-944548-03-6
192 Seiten
24,95 €




Was Kinder wirklich brauchen

Damit sich Kinder selbst erfahren und entwickeln können

In den vergangenen Jahrzehnten haben sich der Alltag, die Lebens­situation und der Lebensraum für die Kinder in unserer Gesellschaft stark verändert. Die Entwicklungsphase Kindheit droht verloren zu gehen. Gesucht sind Orte und Menschen, die vielfältige Erfahrungen und Entwicklung ermöglichen. Dem geht Prof. Dr. Armin Krenz aus seinem Beitrag nach. Wir haben diesen aus seinem Buch „Elementarpädagogik aktuell“.

Kinder müssen eine ständige Zunahme an Erfahrungsverlusten hinnehmen

Wer mit Kindern arbeitet, wird sich sicher manchmal fragen, ob es wünschenswert wäre, heute noch einmal Kind zu sein. Da ist es nahe­liegend, zunächst nachzuspüren, wie es einem in der eigenen Kindheit ergangen ist, was gute und was schlechte Erinnerungen ausmachen. An was erinnern wir uns? Ans Höhlen­bauen im Wald, an Versteckspiele in Kornfeldern, ans Bäumeklettern, an ausgelassene Spiele auf bun­ten Wiesen, an Fahrradtouren mit den Eltern, an die Wochenendfahrten zu Verwandten …

In der Erinnerung verklärt sich vieles, und schnell ist man ver­sucht, ein­schränkende, verletzende, zerstörende und belastende Erfahrungen außen vor zu lassen. War da nicht auch die Strenge mancher Lehrer in der Schule, das eingeschränkte Spielmaterial zu Hause, die klei­ne Woh­nung oder die leidige Gemüsesuppe, die trotz innerer Ablehnung ge­gessen werden musste?

Ungeachtet persönlicher Erfahrungen hat sich die Kindheit – das be­stätigt die Forschung – in den vergangenen beiden Jahrzehnten drastisch verändert. Das Leben in unserer Gesellschaft wird für Kinder (und nicht nur für diese) immer unübersichtlicher. Sie können das Leben in all sei­nen Facetten nicht mehr in Ruhe und mit ausreichend Zeit wahrnehmen oder bestimmte Verhal­tensmuster durchspielen und ausprobieren.

Die Entwicklungsphase Kindheit droht verloren zu gehen. Zu den ein­schneidendsten Veränderungen gehören:

  • Kinder sind als Konsumenten entdeckt worden. Konsum, so wird ihnen versprochen, bedeutet Glück, und der Besitz bestimmter Markenprodukte ist zu seinem Grad­messer geworden. Dies betrifft inzwischen bereits die Kinder im Kindergartenalter. Das Habenmüssen und diesbezügliche Vergleichen verdrängt zunehmend andere elementare Bedürfnisse.
  • Erfahrungen werden zunehmend aus zweiter Hand, aus dem übergroßen Angebot der Medien gewonnen. Für viele Kinder erschließt sich die Welt nur noch zum kleinen Teil über die eigene Aktivität. Fernsehen, Videospiele, Computer und Internet haben den Kinder­alltag mittlerweile fest im Griff. Nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich hinterlassen diese Medien ihre Spuren im Erleben der Kinder.
  • Der Urlaub unterliegt zunehmend einem Anspruch, der sich nicht an den Bedürfnissen der Kinder orientiert. Für Kinder reicht es in der Regel völlig aus, gemeinsam mit den Eltern und anderen Kindern (Geschwistern) spielerisch ihre Umwelt zu entdecken. Die Reisever­anstalter und die Werbung suggerieren aber schon den Kindern, dass Urlaubsreisen in die entferntesten Winkel unserer Erde beson­ders attraktiv seien.
  • Die hohe Bevölkerungsdichte Deutschlands hat zur Folge, dass der Einzelne immer weniger Platz hat. Das Straßennetz wird enger gezogen. Brachliegende Grundstücke, auf denen es sich ins unserer Kindheit herrlich spielen ließ und die zum Treffpunkt aller Kinder der Wohngegend wurden, gibt es immer seltener. Gepflegte Grünanlagen sind mit Regeln belegt, und öffent­liche Spielplätze lassen wenig Raum für freies Spielen, da sie bestimmte Spielfunktionen vorgeben. Selbst dort, wo es noch Wald oder Wiesen gibt, ist es meist nicht mehr möglich, „mal eben“ rauszugehen und andere Kinder zu treffen. Bedenkt man, dass es immer mehr Einzelkinder gibt, ist diese Entwicklung umso problematischer.
  • Eltern versuchen, auf eingeschränkte Spielmöglichkeiten ihrer Kinder zu reagieren, indem sie deren Tagesrhyth­mus durch Kurse wie Judo-, Ballett- oder Klavier­unter­richt neben Kindergarten- oder Schulzeit strukturieren.
  • Die Angst vor Gefahren, allein durch den Straßenverkehr, verhindert, dass sich die Kinder in der ihnen verbleiben­den freien Zeit informell mit ihren Freunden treffen können. Wieder muss alles arrangiert und geregelt wer­­den. Das Mobiltelefon ist für viele Kinder zum ver­längerten Sprachrohr in einer anonymisierten Welt geworden. Spontane, lebendige Beziehungen der Kinder unter­einander werden immer seltener.

Soziale Kompetenz lässt sich nur dadurch erlernen, indem man sich auf andere Menschen und deren Erfahrungen einlässt

Kinder hatten früher viel größere Chancen, sich in selbst organisiertem Maße zu entwickeln, selbst gewählte Freundschaften in selbstbe­stimmter Art zu gestalten und räumliche sowie persönliche Schwer­punkte neben alltäglichen Verpflichtungen zu r­ealisieren. Auf den Punkt gebracht bedeutet diese Entwicklung, dass das ­Kinderleben heute immer zerrissener, Kindertagesabläufe in zunehmendem Maße zerteilt und Kinder­welten immer stärker eingeengt werden.


krenz-elementarpaed-aktuell

Diesen Artikel haben wir aus folgendem Buch entnommen:
Elementarpädagogik aktuell
Die Entwicklung des Kindes professionell begleiten
Krenz, Armin
Burckhardthaus-Laetare
ISBN: 9783944548012
208 Seiten, 24,95 €
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Dem mag man entgegenhalten, dass Kinder heutzutage mehr Spielmaterial, größere Bildungschancen, eine bessere Förderung und vielschichtigere Kommunikationswege nutzen können. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber, dass Kinder trotz dieser Chancen eine ständige Abnahme an Erfahrung hinnehmen müs­sen! Aus entwicklungspädagogischer Sicht muss diese Tatsache sowohl Eltern als auch pädagogische Fachkräfte aufrütteln, weil Kinder vor allem über das eigene Handeln lernen. Nicht um­sonst heißt es: „Aus Erfahrung wird man klug.“ Wenn Kinder zunehmend Erfahrungsverlusten ausgesetzt sind, können sie sich nicht gleichzeitig als Akteure ihrer ei­genen Entwicklung begreifen.

Viele Möglichkeiten haben die Kinder dann nicht mehr: Entweder sie resignieren, ziehen sich zurück und klagen darüber, dass ihnen „sooo langweilig“ sei, oder sie suchen sich Mittel und Wege, die Welt trotzdem zu entdecken, etwa durch Regel- und Grenzüberschreitungen oder den Versuch, auf sich aufmerksam zu machen, nach dem Motto „Seht her, hier bin ICH!“

Gesucht: Orte und Menschen, die vielfältige Erfahrungen und Entwicklung ermöglichen

Wenn Kinder in einer Weise aufwachsen, in der ihnen bedeut­same Er­fahrungen vorenthalten und Zeitstrukturierungen sowie organisatori­sche Vorgaben übergestülpt werden, sind sie mehr denn je darauf angewiesen, noch Handlungsschritte unternehmen zu können, die ihrer Entwicklung dienen. Wie aber müssen Orte sein, die Kindern das bieten, was sie brauchen?

  • Kinder brauchen einen Ort, an dem sie ihre eigene Iden­tität auf- und ausbauen, sich von Spannungen freispielen und erfahren können. Sie sind auf der Suche nach sich selbst: „Das bin ich, das kann ich, das schaffe ich, und das traue ich mir zu.“ Indem sie aktiv werden und Eigeninitiative zeigen, entwickeln sie eine Beziehung zu ihrem Können und erwerben das notwendige Selbst­bewusstsein. Warum klettern Kinder auf Bäume oder Dächer, lassen sich auf verschie­dene kleine und große Abenteuer ein, hüpfen von Mauern und laufen um die Wette? Weil Kinder ihre Kraft erfahren und erpro­ben möchten!
  • Kinder brauchen Gelegenheiten, ausgiebig und immer wieder mit anderen Kindern zusammenzutreffen und den Umgang mit ihnen zu erfahren und zu erleben. Soziale Kompetenz lässt sich nur durch ein Einlassen auf andere Menschen, durch Erfahrungen mit anderen erlernen. Kinder suchen das Miteinander, sie brauchen die Erfahrung, gemeinsam etwas auszuhecken und solidarisch zusammenzuhalten. In spielerischen Gefahrensituationen erleben sie, wie stark und stützend Gemeinschaft sein kann.
  • Sie brauchen die Erfahrung von der Verlässlichkeit menschl­i­cher Beziehungen, besonders dann, wenn es darum geht, Erlebnisse einzuordnen oder unverständ­liches Verhalten (zum Beispiel der Eltern/ErzieherInnen) auszuhalten.
  • Kinder brauchen Rückzugsmöglichkeiten, um dem allgegen­wärtigen Blick von Erwachsenen zu entrinnen und sich allein (oder mit anderen) Beschäftigungen hinzugeben, die nur ihnen bekannt sind.
  • Kinder brauchen Freiräume, um sich zu bewegen, zu laufen, zu toben, zu rollen, zu springen und zu hüpfen, kurz: um ganzheitliche Körper- und Sinneserfahrungen machen zu können.
  • Kinder brauchen genügend Zeit, in der sie mit Ausdauer und nach eigenem Zeitempfinden Dinge in Ruhe zu Ende führen können. Sie benötigen und suchen Orte, an denen sie ihr eigenes Zeitmaß leben können, wo wenig gedrängelt wird und ihre geistigen Fähigkeiten Entfaltungsmöglichkeiten erhalten.
  • Kinder brauchen einen Ort, an dem sie ein aktives Mit­sprache­­recht haben. Dies beginnt bei der täglichen Kommuni­­kation und endet bei fest eingeplanten Kinder­konferenzen. Sie haben zudem das Recht auf Versuch und Irrtum, ohne dafür bestraft oder ausgelacht zu werden.
  • Kinder brauchen eine Umgebung, in der sie sich in ihrer Individualität entwickeln können, und sie brauchen Menschen, die ihnen einen Freiraum zugestehen, in dem sie durch Auspro­bieren und auch Irrtümer die Vorgänge in ihrer Umgebung, ihrer Umwelt begreifen können.
  • Kinder brauchen Erwachsene (und ein entsprechendes Umfeld), die der Prozesshaftigkeit eine höhere Beachtung schenken als dem Herstellen von „ästhetischen Produkten“, und sie brauchen diese Erwachsenen als Bündnispartnerinnen ihrer ureigenen Interessen.

Aufgaben des Kindergartens

Wenn es Kindern nicht mehr möglich ist, grundsätzliche und entwick­lungsrelevante Erfahrungen zu Hause oder im häuslichen Umfeld zu machen, so muss es einmal mehr die Aufgabe des Kindergartens be­ziehungsweise der Kita sein, hier ausgleichend einzugreifen. Wer sich dieser Herausforderung bewusst stellt, kommt nicht darum herum, seine bisherigen Aufgaben hinsichtlich Schwerpunkten, Arbeitsweisen und Methoden neu zu überdenken. ErzieherInnen gestalten die Arbeit in Kindergarten und Kita vor allem vor dem Hintergrund von drei Erfah­rungshorizonten: ihrer eigenen Biografie (mit den erlebten Werten und Normen), ihrer Ausbildung (mit den teilweise immer noch herr­schenden traditionellen pädagogischen Vorstellungen) und ihrer kon­kreten individuellen Erfahrung, die sie während ihrer Arbeit als Erzie­herin bisher gemacht haben. Gespräche mit den Kolleginnen bieten die Chance, gesellschaftliche und lokale Veränderungen wahrzunehmen und in der Einrichtung entsprechend zu reagieren.

Kindergarten und Kita als pädagogische Institutionen unterliegen immer auch der Gefahr, sich von bildungspolitischen Strömungen beeinflus­sen zu lassen und die tatsächlichen Gegebenheiten nicht ausreichend zu berücksichtigen. Gegen eine vorbehaltlose Übernahme dieser Strö­mungen sollten sich die Fachkräfte vor Ort solidarisieren. Denn theore­tische oder politische Vorstellungen und Betrachtungen über die „Ge­staltung der Zukunft von Kindern“ haben nicht unbedingt etwas mit der Realität heutiger Kind­heit (und ihren entwicklungsbe­zogenen Folgen für die Kinder) zu tun. Gerade weil soziale Erfahrungen in der „natürlichen“ Lebenswelt der Kinder gegenwärtig nur noch ein­geschränkt möglich, zum Teil sogar unmöglich geworden sind, müssen Kindergarten und Kita diesen Aspekt in ihrer Einrichtung gezielt berücksichtigen: So dramatisch der Verlust sozialer Beziehun­gen der Kinder unter­einander in ihrem Lebensumfeld ist, desto bedeut­samer wird für viele Kinder ihre Zeit im Kindergarten/in der Kita.

Anregungen zur Reflexion im Team: Kindergarten – ein Garten für Kinder

Ein großer Garten mit altem Baumbestand und einer reichen Tier- und Pflanzenwelt entführt uns in ein wahres „Reich der Sinne“. Es gibt allerlei Farben, Formen und Düfte zu entdecken. Blumen und Sträucher entwickeln ihre Pracht zu unterschiedlichen Jahreszeiten, sodass eine Blütezeit die andere ablöst. Hecken dienen Kleintieren zum Schutz und bieten Nistgelegenheiten für verschiedene Vogelarten. Große Bäume spenden Schatten, sodass der Boden in regenarmen Zeiten nicht gänz­lich austrocknet. Ein solcher Garten zeichnet sich durch seine Vielfalt und Widerstandsfähigkeit aus, im Gegensatz zu Monokulturen mit ihrer besonderen Anfälligkeit für Krankheiten und gegenüber ungünstigen Witterungsbedingungen.

Die ErzieherInnen im Kindergarten beziehungsweise in der Kita können ihre Aufgaben entsprechend eines Gärtners/einer Gärtnerin nun auf dreierlei Arten verstehen: Es gäbe die Möglichkeit, alles einfach wach­sen zu lassen und darauf zu vertrauen, dass sich der Garten „irgend­wie“ von selbst entwickeln wird (Laisser-faire-Stil). Eine zweite Mög­lichkeit bestünde darin, das Gelände in einen gepflegten Vorstadtgarten verwandeln zu wollen, in dem die Beete „unkrautfrei“ gehalten werden und der Gärtner/die Gärtnerin nach eigenem Geschmack und Gutdün­ken entscheidet, was, wo, wie, neben wem und in welcher Höhe wächst (autoritärer Stil). Drittens könnten aber auch Gartenfachleute, die über ein profundes Wissen verfügen, dafür Sorge tragen, dass sich alle Pflanzenarten optimal entwickeln, wobei ihnen selbstverständlich auch ihre Ausbreitung und Ausweitung zugestanden wird. Solche GärtnerInnen sorgen vor allem für eine gute Bodenbeschaffenheit nach dem Motto: „Nicht die Pflanze ist krank, wenn sie nicht gedeiht, son­dern der Boden ist für ihr Wachstum ungeeignet.“ Diese Sichtweise entspricht einem demokratischen Stil, weil die elementaren Bedürfnis­se der einzelnen Pflanzen berücksichtigt und wertgeschätzt werden. Dieses Bild von einem Garten soll dazu anregen, allein oder im Team darüber zu reflektieren, ob die eigene Einrichtung einem solchen Garten für Kinder entspricht, in dem sie sich individuell entwickeln und entfal­ten können.

Armin Krenz