Leere Aussagen untergraben das Vertrauen und wirken nicht

Umfrage in den Vereinigten Staaten: Viele Eltern drohen ihren Kindern

Viele Eltern in den USA greifen bei der Kindererziehung auf Drohungen zurück. Laut der „C.S. Mott Children’s Hospital National Poll on Children’s Health“ reicht die Bandbreite vom Wegnehmen von Spielzeug bis dahin, dass der Weihnachtsmann dieses Jahr nicht kommen wird. Eltern von Kindern zwischen drei und fünf Jahren setzen eigenen Angaben nach am ehesten Drohungen ein, um ein Fehlverhalten anzusprechen. Ein Viertel droht entweder mit der Abwesenheit des Weihnachtsmanns oder dem Verweigern von Geschenken.

Verstärkung und Disziplin

Der Erhebung nach haben viele Eltern zudem damit gedroht, eine Aktivität oder einen Ort zu verlassen, Spielzeug wegzunehmen oder, dass das Kind kein Dessert bekommt. Fast die Hälfte der Befragten will den eigenen Nachwuchs zudem bestochen haben. Laut Co-Direktorin Susan Woolford hilft Disziplin kleinen Kindern dabei zu lernen, welche Verhaltensweisen sicher und angemessen sind. Sie können, so die Expertin, eine entscheidende Rolle dabei spielen, dass diese Kinder lernen, was richtig ist und was falsch.

„Leere Drohungen hingegen untergraben das Vertrauen und sind normalerweise nicht wirksam. Eine positive Verstärkung und die konsequente Disziplin formen das langfristige Verhalten viel eher.“ Die Hälfte der Befragten sehen sich beim Disziplinieren ihrer Kinder als sehr konsequent. Trotzdem geben viele an, dass sie gerade mit der Konsistenz ihre Probleme haben. Die Umfrage basiert auf 725 Antworten von Eltern mit mindestens einem Kind. Die Befragung wurde im August dieses Jahres in den USA durchgeführt.

Strategie besser vorausplanen

Zu den größten Herausforderungen gehören, dass das Kind zu klein ist, um zu verstehen, dass die eingesetzten Strategien nicht immer funktionieren und dass die Eltern versuchen, einen öffentlichen Wutanfall zu verhindern, heißt es. Fast ein Viertel der Eltern gibt zu, dass auch sie irritiert sind, wenn ihr Kind ungezogen ist und sie reagieren, bevor sie sich an ihre Strategien erinnern oder dass sie einfach zu müde sind, um sich stimmig zu verhalten.


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Wie Sie sprechen sollten, damit Ihr Kind Sie versteht

Ein Überlebenshandbuch für Eltern mit Kindern von 2 bis 7 Jahren. Richtig kommunizieren, Konflikte lösen: Hilfe bei der Kindererziehung

Der tägliche Kampf beim Anziehen, Gequengel am Mittagstisch, Trotzanfälle im Supermarkt: „Klassiker“, die alle Eltern schon erlebt haben. Wie lassen sich solche Alltagskonflikte lösen? Der Schlüssel liegt in der Art, wie wir zuhören und reden. Joanna Faber und Julie King haben einen Erziehungsratgeber entwickelt, in den sowohl eigene Erfahrungen mit ihren Kindern als auch Erkenntnisse aus der Wissenschaft eingeflossen sind. Mit ihren erprobten „Erziehungs-Werkzeugen“ gelingt ihnen eine respektvolle Eltern-Kind-Beziehung ohne Streit und Drama!

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Woolford nach kann es schwierig werden, beim Durchsetzen von Disziplin einen konsistenten Ansatz zu haben, wenn genaue Überlegungen und eine Planung fehlen. Sogar dann kann Beständigkeit schwierig sein. Das sei vor allem dann der Fall, wenn Eltern müde oder abgelenkt seien und sie sich überfordert fühlten. „Es ist wichtig, dass Eltern vorausplanen und bei Strategien auf der gleichen Seite stehen, um eine Grundlage für das Verstehen von Erwartungen zu liefern. Damit können auch gemischte Signale in Hinblick auf Grenzen vermieden werden.“

Viele Eltern sind unsicher

Eltern sind sich zudem nicht immer sicher, ob ihre Disziplinierungsstrategien funktionieren. Zwei Fünftel gehen davon aus, dass sie sehr wirksam sind. Drei von fünf Elternteilen glauben hingegen, dass diese Strategien einigermaßen effektiv sind. Die meisten Studienteilnehmer erhalten ihren Input zu Disziplinierungsstrategien von verschiedenen Quellen. Bei vielen ist es der andere Elternteil, das Reden mit der Familie oder Freunden sowie Erziehungsratgeber, Artikel oder Posts in den sozialen Medien.

Weniger als ein Fünftel der Eltern diskutiert das Thema Disziplin mit dem Gesundheitsdienstleister. Eines von acht Elternteilen sagt, dass er sich keine Gedanken über diese Disziplinierungsstrategien gemacht hat. Manche Teilnehmer geben auch zu, dass sie Strategien angewendet haben, die von Experten nicht empfohlen werden. Zwei von fünf Eltern schlagen ihre Kinder manchmal. Das kann, so die Experten, bei Vorschülern und Schülern zu Trotz und in weiterer Folge zu einer verstärkten Aggression führen.

Moritz Bergmann/pressetext.redaktion




Was folgt aus der PISA-Studie?

Viele Forderungen gehen an Kindern und Jugendlichen vorbei, dienen aber Profitinteressen

In den vergangenen Jahrzehnten entwickelte sich die PISA-Studie zu einem der effektivsten Werbemittel für die Bildungswirtschaft. War den zahlreichen Maßnahmen, die nach den ersten Studien ergriffen wurden, noch ein bescheidener Erfolg vergönnt, stehen wir nach 23 Jahren ziemlich schlecht da. Denn laut der aktuellen Studie haben die getesteten 15-Jährigen noch schlechter abgeschnitten als jene im Jahr 2000. Dabei handelt es sich um Leistungen in Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften. Für die Anstrengungsbereitschaft der Jugendlichen, ihre Motivation oder ihre sozialen Fähigkeiten interessiert sich dagegen die Studie nicht.

Aber sind die PISA-Ergebnisse nun wirklich ein „Debakel“ oder gar ein „Bildungs-Desaster“ wie vielfach zu lesen ist? Letztlich waren diese ja zu erwarten. Die Antwort darauf ist in einer Hinsicht einfach, in anderer nur schwer zu geben. Eines ist schon mal sicher: Unsere 15-Jährigen sind die Betroffenen, ganz sicher aber nicht die Schuldigen.

Viel hilft nicht viel

In Bezug auf die Maßnahmen, die in den vergangenen Jahrzehnten ergriffen wurden, ist das aktuelle Ergebnis eine Bankrotterklärung. Der ganze „Bildungswahn“, wie er seit der Jahrtausendwende einsetzte, hat uns nichts gebracht, manchmal sogar geschadet. Das war die einfache Antwort. Schon heute beschäftigen sich die ersten Forschenden mit Defiziten bei Studierenden, die daraus entstanden sind, dass sie vor allem zahlreiche sinnliche Erfahrungen in ihrer Kita-Zeit nicht mehr sammeln konnten, weil diese durch einseitige Förderprogramme erdrückt wurden.

Lösungen und gute Beispiele gibt es genug

Jetzt kommt das Komplizierte: Es stimmt, dass unser Bildungssystem seit etlichen Jahrzehnten nur unzureichend funktioniert. Deshalb ist es durchaus legitim, eine grundlegende Reform des Bildungssystems zu fordern. Nur worin sollte diese denn bestehen? Aus wissenschaftlicher Sicht wissen wir heute fast alles über das Lernen. Damit wäre auch geklärt, wie der Bildungsbetrieb heute laufen müsste. Und dass dies auch in der Praxis gut funktioniert, erleben wir Jahr für Jahr bei der Verleihung des deutschen Schulpreises. 102 Bildungseinrichtungen gibt es auf der Website des Deutschen Schulpreises zu bestaunen (https://www.deutscher-schulpreis.de/).

Wirtschaftliche Interessen verhindern den Fortschritt

Schade nur, dass die guten Beispiele so wenig Nachahmerinnen und Nachahmer finden. Die Gründe dafür sind vielfältig und gelegentlich kompliziert. Beginnen wir einmal damit, dass sich Entscheidungsträger nicht von Lobbyisten beraten lassen sollten, deren erstes Interesse darin besteht, die Profitinteressen ihrer Verbände und ihrer Mitglieder zu befriedigen. Das mag zwar billig und auf den zahlreichen Empfängen angenehm sein, entspricht aber bestenfalls teilweise den Interessen der von Bildungsbemühungen Betroffenen.

Bildung als gesellschaftliche Aufgabe

Nachdem diesen einfachen Umstand schon so viele nicht verstehen wollen oder können, wird es noch viel schwieriger, in der Gesellschaft das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Bildung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die wir nicht einfach den Behörden überlassen dürfen. Während sich letztere – frei von jeglicher pädagogischer und didaktischer Kompetenz – oftmals nicht als Unterstützer sondern Bremsklötze notwendiger Neuerungen auszeichnen, gilt es sich gesamtgesellschaftlich aus der Komfortzone zu begeben.

  1. Wir können nicht mehr Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte fordern, wenn die Menschen, die diese Berufe ergreifen sollen, niemals geboren wurden. Denn die oftmals zu Unrecht gescholtene Boomergeneration muss sich zumindest einen Vorwurf gefallen lassen: Sie hat zu wenige Kinder bekommen. Jetzt muss es darum gehen, wie wir mit dem vorhandenen Personal klarkommen und die Berufe im Bildungsbereich attraktiv gestalten können.
  2. Wir müssen uns wieder selbst mehr um unsere Kinder kümmern. Die oftmals überlasteten und von Personalnot gezeichneten Betreuungs- und Bildungsstätten können das voraussichtlich immer weniger leisten. Eltern und Elterninitiativen, die finanziell und organisatorisch deutlich besser gefördert werden müssen, sollten sich mehr engagieren können. Dabei wäre es von entscheidender Bedeutung, dass das Leben mit Kindern und die gesamtgesellschaftliche Verantwortung für diese stärker in den Mittelpunkt gerückt wird.
  3. Wenn die soziale Ungleichheit in dieser Gesellschaft dafür verantwortlich ist, dass Bildungschancen ungleich verteilt sind, müssen wir uns endlich nachdrücklich für mehr soziale Gerechtigkeit engagieren. Neu ist das übrigens überhaupt nicht. Das Problem gibt es schließlich schon seit Jahrtausenden.
  4. Gleiches gilt für die Inklusion. Selbstverständlich ist diese durch die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention durch die Bundesrepublik Deutschland ein verbindliches Recht. Das ist darin begründet, dass Inklusion eine große Chance für unsere Gesellschaft ist. Wenn wir aufhören, Menschen nach ihrem vermeintlichen materiellen Nutzen oder ihrer Macht Wert zu schätzen (was übrigens niemandem nutzt), wird unsere Gesellschaft zusammenwachsen. Sinn einer Gemeinschaft ist doch, sich gegenseitig zu helfen.
  5. Ebenso bekannt sind die Herausforderungen, vor denen Kinder stehen, die nicht oder nur schlecht unsere Sprache sprechen. Seit Jahrzehnten wissen wir, dass neben Sprachförderung nur eine gelungene Integration helfen kann, die Probleme zu beheben. Wie heißt es so schön in Goethes Faust: „Der Worte sind genug gewechselt, lasst uns nun endlich Taten sehen!“
  6. Wir müssen der Wissenschaft einen deutlich breiteren Raum im gesellschaftlichen Bewusstsein einräumen als bisher. Der Wissenschaftsbetrieb liefert uns regelmäßig Erklärungen für Fragen rund um Bildung und Lernen. Aber Vorsicht: Nicht jede oder jeder, der einen Professoren- oder Doktortitel trägt, ist auch eine ernsthafte Wissenschaftlerin oder ein Wissenschaftler.
  7. Alle an der Gesellschaft Beteiligten sollten über mehr Wissen im Bereich der geistigen und körperlichen Entwicklung des Menschen verfügen. Denn nicht was uns gefällt, ist gut für ein Kind, sondern das, was es auf seiner jeweiligen Entwicklungsstufe benötigt und ihm guttut.
  8. Investitionen in den Bildungsbetrieb sollten für alle von größter Bedeutung sein. Dabei sollte an erster Stelle stehen, dass die Kinder und das Bildungspersonal sich in ihrer Bildungseinrichtung wohl fühlen. Stinkende Toiletten oder kaputte Heizungen sind ein unverzeihlicher Skandal.
  9. Nicht zuletzt gilt es, Räume für Kinder und Jugendliche wieder zu öffnen, in denen sie ungestört spielen, ihren eigenen Interessen nachgehen und sich miteinander austauschen können. Naturräume würden zudem Möglichkeiten für sinnliche Erfahrungen öffnen, in denen Kinder auch Selbstwirksamkeit zusätzlich erleben könnten.
  10. Wir müssen jene Politiker untersützen, die diese Punkte unterstützen, und jene abwählen, die hier keinen Zugang finden.

Bildung gehört ins Zentrum der Politik

Neben der Gesellschaft sind selbstverständlich Politik und auch der Bildungsbetrieb gefragt. Es ist durchaus fraglich, ob es möglich ist, der heutigen Politikerinnen- und Politikergeneration klar zu machen, dass eine gute Bildung die Lösung für alle Herausforderungen ist. Deshalb gehört Bildung auch in das Zentrum der Politik. Dabei geht es aber eben nicht nur um Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften. An erster Stelle wären hier Kreativität, Forschergeist, Selbstbewusstsein, Anstrengungsbereitschaft und soziale Fähigkeiten gefragt. Bildung muss unabhängig sein von Weltanschauung, Ideologie und wirtschaftlichen Interessen. Bevor wir einen Menschen mit unseren Ansichten und unseren Erwartungen belasten, muss er sich erst soweit entwickeln können, dass er dies auch beurteilen kann. Insofern sollten auch Politikerinnen und Politiker sich an den Rat von wirklich unabhängigen Fachleuten halten und gegenüber Verbänden und Interessensgruppen eine gesunde Skepsis an den Tag legen.

Die berechtigen Interessen werden unterdrückt

Und der Bildungsbetrieb selbst? Qualifikation, Mut, Engagement und ein ehrliches Interesse an den Kindern wären gefragt. Bei der Ausbildung fängt es an. Aber viel fataler ist es, dass sich viele Fachkräfte, sobald sie in einer festen Anstellung oder gar verbeamtet sind, nicht mehr weiterbilden müssen. Das führt dazu, dass viele an alten Zöpfen hängen bleiben, die uns auch nicht vorangebracht haben. Dabei muss jedem, der im Bildungsbetrieb aktiv ist, klar sein, dass er die berechtigen pädagogischen Interessen der Kinder und Jugendlichen an erster Stelle zu vertreten und zu erfüllen hat. Dafür ist Mut und jede Menge Engagement notwendig. Gleichzeitig gilt es jeder Versuchung zu widerstehen, die darauf zielt, Menschen nach einem Idealbild zu formen. Erstens hat das noch niemals in der Geschichte geklappt und zweitens ist das der beste Weg zu verhindern, dass sich Kinder und Jugendliche wirklich entwickeln können.

Die vielgliedrige System hat erneut versagt

Zudem sollten wir uns endlich davon verabschieden, dass unser drei- bzw. viergliedriges Schulsystem eine sinnvolle Lösung ist. Kinder sind viel zu unterschiedlich dafür. Die internationale Erfahrung zeigt, dass die erfolgreichen Systeme vor allem jene sind, die auf ein möglichst langes gemeinsames Unterrichten setzen. Und genau das würde auch für einen besseren gesellschaftlichen Zusammenhalt setzen.

All das würde uns schon ein ordentliches Stück weiterbringen. Aktionismus, wie etwa die vielbeschworene Rückkehr in irgendwelche Pauksysteme oder das Vorantreiben der Digitalisierung werden uns dagegen nicht nutzen. Pauksysteme sind gut für eintönige Arbeiten oder den veralteten, überkommenen Militarismus, der uns in unsägliches Leid geführt hat. Und digitale Geräte mit dem notwendigen Lehrpersonal können nur ein zusätzliches Angebot sein, um den Kindern und Jugendlichen in Ihrer Orientierung in einer wachsenden digtalisierten Welt zu sein. Ihre Wirkung auf das Lernen ist nicht ansatzweise erforscht. Am Anfang stehen jedoch sinnliche Erfahrungen und Menschen, die für die Erfahrung des Lebens und der Welt begeistern.

Mehr Vertrauen in die Kinder und ihren eigenen Selbstbildungsprozess verlangt nicht mehr Aktion, sondern mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung. So wird aus weniger mehr, um Raum für echte Bildungserfahrungen zu öffen.

Gernot Körner




Kinder anzuschreien kann so schädlich wie körperlicher Missbrauch sein

Neue Studie bestätigt die schädlichen Folgen des Anschreiens und der Missachtung von Kindern

Die Art und Weise, wie Erwachsene mit Kindern sprechen, prägt diese ein Leben lang. Die besondere Herausforderung besteht darin, dass dies zu wenigen Erwachsenen bewusst ist. Dabei kann Kinder anzuschreien genauso schädlich sein wie körperlicher Missbrauch.

Vom Anschreien, Schreien, Verunglimpfen und Drohen

Das bestätigen nun auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einer us-amerikanischen/britischen Studie, die im vergangenen Monat in „Child Abuse & Neglect“ veröffentlicht wurde. Demnach ist der „verbale Missbrauch von Erwachsenen gegenüber Kindern… durch Anschreien, Schreien, Verunglimpfen des Kindes und verbale Drohungen gekennzeichnet.“ „Diese Art von Erwachsenenhandeln kann für die Entwicklung eines Kindes ebenso schädlich sein wie andere derzeit anerkannte und forensisch belegte Unterarten der Misshandlung wie körperlicher und sexueller Missbrauch in der Kindheit“, schreiben die WissenschaftlerInnen in ihrem Beitrag.

Kinder nehmen die Aussagen von Erwachsenen ernst

Der britische Guardian zitiert in einem Artikel zur Studie einen der Mitverfasser. Prof. Peter Fonagy, Leiter der Abteilung für Psychologie und Sprachwissenschaften am University College London (UCL) und Geschäftsführer des Anna-Freud-Zentrums erklärt dazu: „Kinder sind genetisch darauf vorbereitet, dem zu vertrauen, was Erwachsene sagen. Sie nehmen uns Erwachsene ernst. Wenn wir dieses Vertrauen missbrauchen, indem wir Worte benutzen, um zu schimpfen statt zu lehren, können Kinder nicht nur beschämt, isoliert und ausgegrenzt werden, sondern auch unfähig sein, sich in ihrer Gemeinschaft zu engagieren und den vollen Nutzen aus dem sozialen Lernen zu ziehen. Wir wissen aus Hunderten von Studien, dass verbaler Missbrauch Kinder zutiefst beeinträchtigt und mit anhaltenden psychischen Problemen, komplexen emotionalen und Beziehungsschwierigkeiten, körperlichen und geistigen Störungen sowie einer erhöhten Wahrscheinlichkeit verbunden ist, dass sie in ihrem Leben erneut missbräuchliche Situationen erleben, etwa wenn sie einen Partner finden, der sie misshandelt, und dass sie den Missbrauch bei anderen wiederholen.“

Erlentes Verhalten ist nur schwer abzulegen

Oftmals ist den Erwachsenen nicht bewusst, was sie tun, wenn sie ihre Kinder als „dumm“ oder „faul“ bezeichnen. Prof. Shanta R. Dube, ebenfalls Mitverfasserin der Studie, sieht die Ursache dafür darin, dass diese Erwachsenen wohl ebenso erzogen wurden. Dieses Verhalten zu durchbrechen, ist für viele schwer.

Dieses „erlernte“ Verhalten zu durchbrechen, ist für viele Erwachsene kaum möglich. Dennoch versuchen viele diesem fatalen Prozess zu entfliehen. Eine Fülle von Elternkursen, Ratgebern und Selbsthilfegruppen zeugt davon. Eines der bekanntesten Beispiele dafür ist das von Adele Faber und Elaine Mazlish. Nachdem beide zahlreiche Elternkurse besucht hatten, haben sie auf Basis des Konzepts der Gewaltfreien Kommunikation von Marschall B. Rosenberg ein eigenes Erziehungs- und Kommunikationskonzept entwickelt. Daraus ist unter anderem der weltweit am meisten verbreitete Ratgeber für Eltern enstanden, der hierzulande unter dem Titel „So sag ich‘s meinen Kind“ entstanden. Mit wenig Theorie, einer Fülle von Bespielen und kleinen Comics ist es ihnen gelungen, einen so eingängigen Ratgeber zu verfassen, dass dieser noch bis zum heutigen Tag noch immer das erfolgreichste Sachbuch für Erziehende ist.




Kostenlos für Kitas: Methodenset „Klischeefrei fängt früh an“

Wimmelbuch, Memo, Servicekarten und Methodenset zur frühkindlichen Bildung

Kinder werden schon früh mit einengenden Geschlechterklischees konfrontiert. Diese verfestigen sich im Lebensverlauf und können sich später auf die Berufs- und Studienwahl auswirken. Das Methodenset „Klischeefrei fängt früh an“ eignet sich zur Reflexion von Geschlechterklischees in der frühkindlichen Bildung.

Das Methodenset „Klischeefrei fängt früh an“ enthält Methoden für:

  • die klischeefreie pädagogische Arbeit mit Kindern,
  • die Sensibilisierung und Selbstreflexion im Team,
  • die Einbindung von Eltern und Erziehungsberechtigten
  • sowie Tipps und Anregungen für die Vor- und Nachbereitung und die Umsetzung im Kita-Alltag.

„Mein großes Berufe-Wimmelbuch“ und „Mein Berufe-Memo“ ergänzen das Methodenset mit bunten Bildern aus verschiedenen Lebens- und Berufswelten.

Weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie hier

Die Initiative Klischeefrei macht sich für eine Berufs- und Studienwahl frei von Geschlechterklischees stark. Der bundesweite Zusammenschluss von Partnerorganisationen aus Bildung, Politik, Wirtschaft, Praxis und Wissenschaft setzt zielführende Maßnahmen um, vernetzt sich und tauscht Materialien und gute Praxis aus.

Herausgeber ist das Bundesinstitut für Berufisbildung




Zur 75. Frankfurter Buchmesse! Bildung, Kultur, Politik und vergünstigte Tickets

Der PR-Manager der Frankfurter Buchmesse Frank Krings im Interview

Nur noch wenige Tage und die Frankfurter Buchmesse öffnet zum 75. Mal ihre Türen. Vom Mittwoch, den 18. Oktober, bis Freitag, den 20. Oktober können Fachbesucher zur Messe kommen. Diese erwartet ein vielfältiges Fachbesucherprogramm. Von Freitagmittag bis Sonntag ist dann für alle geöffnet. Das ist die Zeit, in der vor allem zahlreiche Prominente anwesend sein werden: entweder als Besucher oder mit eigenen Veranstaltungen. spielen und lernen ist mit einem eigenen Stand in Halle 3.0 C 154 mit dabei. Im Interview erzählt uns Frank Krings (Foto), PR Manager der Messe, vieles über die Highlights der Messetage. Das Interview können Sie sich hier anhören.

Die Corona-Pandemie hat auch der Frankfurter Buchmesse geschadet. Mit aktuell 4.400 Ausstellerinnen und Ausstellern ist sie aber wieder auf einem guten Weg. Für Krings fühlt sich das sehr gut an, zumal auch die 75. Messe etwas Besonderes ist. Auch über die Zahl der Unterstützerinnen und Unterstützer freut er sich. Dabei hat er wenige Tage vor der Messe jede Menge zu tun und befindet sich sozusagen im „Buchmesse Fieber“, in dem natürlich etliche Überstunden anfallen.

Forum Bildung

Für pädagogische Fachkräfte und Grundschullehrkräfte verweist er auf die Veranstaltungen im Forum Bildung in Halle 3.1.. Ein Schwerpunkt in diesem Jahr sind die Themen Künstliche Intelligenz und Digitalisierung. Dabei geht es unter anderem darum, wie Digitalisierung das Schreiben von Schülerinnen und Schülern verändert. In einer anderen Veranstaltung dreht sich alles um interkulturelles Lernen in virtuellen Klassenzimmern. Nachhaltigkeit und wie sich diese im Schulalltag umsetzen lässt, oder Sensitivity Reading sind zwei von zahlreichen weiteren Themen.

Frankfurt Kids

Um die bunten Seiten des Kinderlebens geht es bei „Frankfurt Kids“. Auch wenn hier vorwiegend die Kinder im Mittelpunkt stehen, bietet das Programm auch etliches für pädagogische Fachkräfte, Grundschullehrkräfte und Eltern. Bei zahlreichen Veranstaltungen, Ständen und Stationen auf dem Messegelände und in der Frankfurter Innenstadt haben Buchfans die Möglichkeit, kreativ zu werden, unvergessliche Live-Momente zu erleben und die Stars der Kinder- und Jugendbuch-Literatur persönlich zu treffen. Cornelia Funke und Margit Auer werden im Saal Harmonie aus ihren Büchern vorlesen, Fantasy-Autorin Lexi Ryan und Illustrator Benjamin Lacombe die Open Stage betreten und Rufus Beck zum 25. Jubiläum von Harry Potter die Stimmen von Harry, Ron und Hermine zum Leben erwecken. Mehr zum Kinderbuchprogramm finden Sie hier.

Ehrengast Slowenien

Wichtig sind Krings auch die zahlreichen aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen, die auf der Messe behandelt werden. Denn die Frankfurter Buchmesse hat auch einen kulturpolitischen Auftrag. Dazu gehört auch in jedem Jahr der Ehrengast. In diesem Jahr handelt es sich um Slowenien. Laut Krings ist das Land im Südosten Europas jenes mit der größten Pro-Kopf-Dichte an Dichterinnen und Dichtern. Der slowenische Auftritt wird von einem spannenden Rahmenprogramm mit Kunstinstallationen, Konzerten und Ausstellungen in der Stadt Frankfurt begleitet. Am 19. Oktober findet das exklusive Deutschland-Konzert der slowenischen Band Laibach in der Jahrhunderthalle statt.

Eine Bühne für PolitikerInnen und AktivistInnenen

Aber auch PolitikerInnen und AktivistInnen bietet die Messe eine Bühne. Die meisten Veranstaltungen dazu finden im Frankfurt Pavillon statt, laut Kings „ein sehr auffälliges Gebäude auf dem Freiluft Gelände draußen“.

Unter anderem sprechen dort die Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth oder der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel, der gleichzeitig für den Pen-Club Berlin steht. Die Friedensnobelpreisträgerin Maria Ressa  und die Schriftstellerin Irina Scherbakowa, Mitgründerin der Menschenrechtsorganisation Memorial, sind ebenfalls zu Gast. Mit dabei sind auch Dmitri Gluchowski (russischer Bestseller-Autor im Exil) und Meron Mendel (Bildungsstätte Anne Frank). Friedenspreisträger ist in diesem Jahr Salman Rushdie, der ebenfalls in einigen Veranstaltungen zu sehen sein wird.

Tipps für den Messebesuch

Für alle, die einen Besuch der Messe planen, empfiehlt Krings bequeme Schuhe. Die Laufstrecken auf der Messe seien nicht unerheblich. Auch genügend Wasser sollte jeder dabeihaben. Denn in der trockenen Messeluft bekämen die Besucher viel Durst. Zudem sollte jeder die kostenlose Messe-App herunterladen. Mit ihr ließe sich der Besuch perfekt planen. „Wenn man auf der Messe rumläuft, wird man immer wieder Sachen entdecken, bei denen  man stehenbleibt und sagt: Ach, ich geh mal hier, mal dorthin. Aber um die Sachen, die man wirklich sehen will, nicht zu verpassen, empfehle ich wirklich, ein bisschen Zeit in die Vorbereitung zu stecken. Dann hat man wirklich mehr von der Messe.“, so Krings.

spielen-und-lernen-LeserInnen erhalten Rabatt

Unsere Leserinnen und Leser können in den Tagen von Mittwoch bis Freitag über 25 Prozent auf den Ticketpreis sparen Mit dem Code EmpfehlungsTicketFBM23  kostet das Fachbesucher-Ticket nur 61 € statt statt 84 €. Das Tagesticket am Samstag und Sonntag gibt es nur zum regulären Preis für 25 €.

Hier die Anleitung zur Nutzung des Rabattcodes:

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Wir wünschen allen viel Freude auf der Messe!

Gernot Körner




Betreuungsplätze: Fast 300.000 U3-Kitaplätze fehlen

Obwohl Eltern und ihre Kinder seit zehn Jahren einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz haben, gab es in diesem Jahr für 299.000 Kinder unter drei Jahren keinen Platz. Das zeigen Berechnungen des IW auf Basis neuere Daten des Statistischen Bundesamtes und des Bundesfamilienministeriums. 1,16 Millionen Eltern wünschten sich einen Betreuungsplatz für ihr Kind, doch nur 857.000 bekamen einen. Insgesamt geht jedes siebte Kind unter drei Jahren leer aus. 

In Bremen findet jedes fünfte Kind keinen Platz

Je nach Bundesland unterscheidet sich die Betreuungssituation stark. Am besten schneidet Mecklenburg-Vorpommern ab: Hier fehlen nur für knapp drei Prozent aller Kinder unter drei Jahren Betreuungsplätze. Und auch in den anderen ostdeutschen Bundesländern ist die Lage vergleichsweise entspannt, in Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen liegt die Kitalücke unter zehn Prozent. Für Familien aus Bremen hingegen gestaltet sich die Suche deutschlandweit am schwierigsten: Für jedes fünfte Kind fehlt ein Betreuungsplatz. Auch im Saarland ist die Lücke mit 19,2 Prozent enorm hoch.

Keine Verbesserung in Sicht

Zwar gehen die Geburtenzahlen seit zwei Jahren zurück, doch die Betreuungslage dürfte sich in Zukunft kaum entspannend. Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum einen könnte die Zahl der Kinder vor dem Hintergrund der derzeit sehr starken Zuwanderung auch wieder ansteigen. Zum anderen belastet der Fachkräftemangel viele Kitas: 2022 konnten von rund 30.000 offenen Stellen im Bereich Kinderbetreuung und -erziehung rechnerisch 22.000 Stellen nicht besetzt werden. „Obwohl das Problem seit vielen Jahren bekannt ist und Eltern seit zehn nunmehr zehn Jahren einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz haben, ist die Situation nach wie vor prekär“, sagt Studienautor Wido Geis-Thöne. „Die Politik muss dringend nachsteuern, den Erzieherberuf attraktiver machen und konsequent Kitas ausbauen.“

Geis-Thöne, Wido, 2023, Fast 300.000 Betreuungsplätze für unter Dreijährige fehlen, IW-Kurzbericht, Nr. 74, Köln




Kreativität: im Wechselspiel innerer und äußerer Prozesse

Helge Nyncke über sein Buch und eine der wichtigsten Kompetenzen für die Zukunft

Kreativität ist die Fähigkeit, Unbekanntes zu erforschen, die richtigen Fragen zu stellen, um schließlich Antworten zu finden. Einen Schritt weiter geht die Autorin oder der Autor der Online-Enzyklopädie Wikipedia. Hier steht: „Kreativität ist die Fähigkeit, etwas zu erschaffen, was neu oder originell und dabei nützlich oder brauchbar ist… Das Wort Kreativität bezeichnet im allgemeinen Sprachgebrauch vor allem die Eigenschaft eines Menschen, schöpferisch oder gestalterisch tätig zu sein.“ Und der bekannte Pädagoge Arno Stern bringt es auf den Punkt, wenn er schreibt: „Kreativität ist eine Haltung im Leben, eine Fähigkeit jedwede Gegebenheit der Existenz zu meistern.“ Damit wäre Kreativität die wichtigste Kompetenz für die Zukunft.

Demnach geht es bei Kreativität darum, etwas Neues zu schaffen. Allzu oft ordnen viele von uns Kreativität nur den Küsterinnen und Künstlern zu. Weil ein Kunstwerk etwas Originäres und Neues hat, stimmt diese Behauptung zwar, wäre aber viel zu eng gefasst. Schließlich steckt auch in einer neuen Lösung für ein Problem ein kreativer Akt.

Denken können als Voraussetzung

Um wirklich kreativ sein zu können, müssen Menschen denken können. Zum einen geht es darum, eine Herausforderung zu erkennen und eigene, neue Lösungswege zu entwickeln. Diese Form des Denkens wird als divergentes Denken bezeichnet. Und um aus all diesen Möglichkeiten, den richtigen Weg zu herauszufiltern, ist konvergentes Denken notwendig. Dabei helfen auch Intelligenz und Erfahrung.

Viel Raum und wenige Vorgaben

Kindern fehlen diese noch. Sie müssen diese erst sammeln. Der Sozialpsychologe Prof. Dr. Hans-Peter Erb beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit diesen Themen. Er meint, dass viel Freiheit und möglichst wenig Einschränkungen die Grundvoraussetzungen für Kreativität sind. „Gibt es starke Normen oder Verbote, behindert das die Kreativität.“, erklärt er. Hinzu müssen noch ein gesundes Selbstwertgefühl und Begeisterung kommen.

Spielen und lernen

Schon wären wir wieder beim Thema „spielen und lernen“. Dieses ganzheitliche Lernen mit allen Sinnen benötigt eben viel Raum und wenige Vorgaben. Und uns, die den geschützten Raum schaffen und im richtigen Moment Impulse setzen, zu denen auch entsprechende Angebote gehören. Schritt-für-Schritt-Bastelanleitungen oder Ausmalbögen haben ihren eigenen Wert, wenn es etwa um Motorik oder die Erfahrung von Selbstwirksamkeit geht. Die Entwicklung von Kreativität fördern sie weniger.

„Was für ein großartiger Schatz!“

Der Illustrator Helge Nyncke zählt selbst zu den Kreativen. Eine Ausbildung zum Kreativitätspädagogen hat er ebenfalls absolviert. In seinem Buch „Kinderkunst und Kreativität berichtet Nyncke über seine Arbeit mit Kindern und gibt eine Fülle von Anregungen zu kreativen Projekten, die er mit etlichen Fotos illustriert hat. Prof. Dr. Armin Krenz würdigt dieses Buch im Kita-Handbuch mit den Worten „Endlich! Endlich ist ein Praxisbuch mit dem Schwerpunkt,Kreativität und Kinderkunst‘ erschienen, das ,Kinderkunst‘ im originären Sinne versteht und gleichzeitig ,Kreativität‘ von der ursprünglichen Bedeutung ,creare = erschaffen/ ins Leben rufen/ zur Welt bringen‘ aufgreift.“ „Was für ein großartiger Schatz!“, schließt Krenz seine Rezension ab.

Vom Newsletter zum Buch

Über die Entstehung des Buchs erklärt Nyncke im Interview (vgl. Podcast), dass das Buch letztlich aus einem Newsletter für die Eltern jener Kinder entstanden sei, mit denen er viele Jahre kreative Aktionen durchgeführt. Dafür habe er etliche Fotos und Texte gemacht. Schließlich habe er dafür ein Konzept für ein großes Buch entwickelt. Damit wolle er zu einer Bewusstseinserweiterung bei allen Menschen, die mit Kindern umgehen, beitragen. Es sei ihm wichtig, Möglichkeiten aufzuzeigen, Fenster zu öffnen, Staunen zu erregen, Neugier anzufachen, einfach Lust zu machen auf kreatives Handeln. So will er Erfahrungs- und Entfaltungsräume öffnen.

Sich beim Handeln vom Wechselspiel innerer und äußerer Prozesse leiten lassen

Kreativität bedeutet für ihn, sich beim Handeln vom Wechselspiel innerer und äußerer Prozesse leiten zu lassen. Das heiße, nicht zu sehr nur auf äußere Prozesse zu schauen und nicht zu zielgerichtet. Es gehe vielmehr darum, diese äußeren Prozesse im Wechselspiel zu sehen mit den inneren Prozessen, die sich dabei abspielen. Was habe ich für Assoziationen? Was habe ich für Ideen? Welche Entdeckungen mache ich während des Arbeitens? Wie komme ich mit Zufällen in Berührung, die mich plötzlich auf ganz neue Ideen bringen? Kreativität sei im Prinzip die Idee, diesem Wechselspiel wirklich den größten möglichen Raum zu gehen.

Anregung und Motivation in der Kindertagesbetreuung

Nyncke stellt sich sein Buch als Anregung und Motivation in der Kindertagesbetreuung vor. Denn wer sich mit dem Buch vertraut mache, komme von selbst auf unglaublich viele eigenen Ideen. „Aber er bekommt jetzt nicht die Schritt für Schritt Anleitungen, denen er einfach nur noch blind folgen müsste, sondern er bekommt eine riesige Palette von Angeboten, von Ideen, von Möglichkeiten. Ich denke mal, da wird ganz viel im Kopf selber passieren, von Erwachsenen, die für Kinder Angebote konstruieren, oder auch von Kindern, die dieses Buch durchschauen, zum Beispiel zusammen mit den Erwachsenen.“, sagt Nyncke.

Hilfestellungen, um den Zugang zu erleichtern

Dabei wären natürlich ganz viele Hilfestellungen im Buch. Etwa auch zur Beobachtung: Was passiert, wenn ich Gruppenarbeiten mache, welche für Dynamiken entstehen? Worauf muss ich Rücksicht nehmen? Womit kann ich Strukturen schaffen, die es verschiedenen Kindern ermöglichen, einen wirklich befriedigenden Einstieg zu finden und insgesamt ein tolles Gesamtkunstwerk zu schaffen? Wie sieht es wieder aus, wenn ich Einzelarbeiten mit Kindern mache? Was ist meine Rolle beim Vormachen, beim Anleiten? Wie kann ich mich da einbringen? Wie muss ich mich da zurücknehmen? „Diese pädagogischen Aspekte sind überall vorhanden und erleichtern den Zugang zum ganzen Thema.“

Beschreiben statt bewerten

Die wichtigste Botschaft für ihn, meint Nyncke, sei dabei: beschreiben statt bewerten. „Wir sind so ein bisschen dazu erzogen, Sachen sehr schnell zu bewerten. Das ist im Prinzip auch ein natürlicher Prozess… Wenn wir uns davon zu sehr vereinnahmen lassen, verhindern wir ganz viele kreative Prozesse…“. Denn wir könnten noch lange nicht abschätzen, was der Arbeitsprozess für das Kind bedeute, was daraus noch entstehen könne und was für einen Schritt das für das Kind darstelle.
„Also: beschreiben statt bewerten. Denn Kreativität entsteht eigentlich genau durch die nicht Zensur von Assoziationen, im freien Zulassen von Ideen und spontanen Impulsen und Zufälligkeiten, also sich selbst zu überraschen. Das ist eigentlich die zentrale Botschaft. Vielleicht könnten wir noch sagen, erwartet das Unerwartete, und damit beginnt einfach eine unglaublich spannende Reise, auf die sich jeder gerne mal einlassen könnte.“

Kinderkunst und Kreativität

Krickel krakel kreativ: Kunstprojekte mit Kindern „Kinder sind Künstler, wenn man sie lässt“ – davon ist Autor Helge Nyncke überzeugt. Dieses Buch stellt einfache, aber wirkungsvolle Kreativtechniken vor, die er selbst in langjähriger Projektarbeit mit Kindern erprobt und entwickelt hat. Sein kunstpädagogisches Buch zeigt auf, wie mit wenig Materialaufwand, aber viel Gespür für den kreativen Prozess, erfüllende künstlerische Arbeit mit Kindern funktionieren kann.

Praxis und Philosophie. Fantasie und Selbstbewusstsein fördern. Kunst mit Kindern: mehr als malen und basteln! Kreativbuch für Schule, Hort, Workshops und Kunstwerkstatt.
Hardcover, 21 x 29,7 cm (DIN A 4), 198 Seiten, durchgehend vierfarbig
ISBN: 978-3-910295-01-8
25 €




Studie: Was Eltern von der Schule erwarten

Befragung der Universität Würzburg zur Ganztagsbetreuung im Grundschulalter

Familien wünschen sich eine bewegte Schule. Das ist eines der Ergebnisse einer Studie, die von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg durchgeführt wurde. Die Ergebnisse der Befragung sollen der Stadt Würzburg helfen, sich besser auf den kommenden Rechtsanspruch vorzubereiten. Etwas überraschend steht für die Familien das Lernen am Nachmittag nicht unangefochten an erster Stelle.

1.154 Eltern befragt

Es ist die erste bundesweite Kommunalstudie zu Erwartungen an die Ganztagsbetreuung im Grundschulalter. Insgesamt 1.154 Eltern gaben mittels Fragebogen Auskunft darüber, was ihnen an einer guten Ganztagesbetreuung wichtig ist. „Das ist eine sehr verlässliche Datengrundlage, wir haben alle strukturellen Stadtbereich abgebildet“, erläutert Studienleiter Professor Heinz Reinders vom Lehrstuhl Empirische Bildungsforschung an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) die Vorgehensweise der Studie.

Er betont: „Die Ergebnisse helfen bei der inhaltlichen Planung der Angebote. Es geht nicht nur einfach um die Anzahl notwendiger Plätze, sondern was sich die Familien an qualitativen pädagogischen Angeboten wünschen.“ Ein besonderer Clou der Untersuchung ist, dass nicht nur Eltern befragt wurden, die aktuell ein Kind in der Primarstufe haben, sondern auch jene Eltern, die bei Einführung des Rechtsanspruchs im Jahr 2026 eines ihrer Kinder an einer Grundschule in Würzburg haben werden.

Sport und Bewegung ist Eltern wichtig

Von den Ergebnissen zeigten sich diee Wissenschaftler zum Teil überrascht: „Häufig hören wir, das Erledigen von Hausaufgaben sei den Eltern mit Abstand besonders wichtig“, beschreibt Reinders. „Tatsächlich gibt es da aber keinen großen Abstand. Den Eltern ist Sport und Bewegung als Angebot in der Nachmittagsbetreuung ebenso wichtig wie das Büffeln für die Schule.“ Beide Angebote liegen in der Erwartungsgunst der Eltern gleichauf, so dass sich hier laut Reinders klare Hinweise für ein pädagogisch vielfältiges Angebot ergeben.

„Familien sehen Ganztagsbetreuung längst nicht mehr nur als reine Aufbewahrung mit Mittagessen und Hausaufgabenzeit. Sie möchten, dass ihre Kinder in der Zeit außerhalb der Familie ein anregungsreiches Umfeld erleben dürfen.“ Dazu gehören neben Sport und Bewegung auch musisch-kreative Angebote; auch wenn diese nicht ganz so häufig gewünscht würden. In Zahlen liest sich das so: 66 Prozent der Eltern erachten Sport und Bewegung als sehr wichtig. Ebenso viele betonen die Bedeutung der Hausaufgabenzeit. 54 Prozent können sich zudem musisch-kreative Anregungen für ihre Kinder gut als Bestandteil der Nachmittagsbetreuung vorstellen.

Höherer Stellenwert durch Corona?

Dass Eltern nicht nur Zeit zum Büffeln wollen, hatten die Würzburger Forschenden durchaus erwartet. Ein so klares Votum für zum Beispiel Sportangebote habe Reinders dann doch überrascht: „Wir erklären uns das mit der Corona-Erfahrung, als die Kinder viel zu Hause waren und wenig Bewegung hatten – das wird die Eltern geprägt haben.“

Hinzu komme, so Reinders, dass viele Familien berufstätig sind und es nicht immer schaffen, ihre Kinder im Vereinssport unterzubringen: „Da bieten sich Kooperationen zwischen Vereinen und Ganztagsangeboten an“, weiß Reinders, der im Ehrenamt selbst als Vereinsvorsitzender eine solche Kooperation initiiert hat. Gemeinsam mit der Grundschule Heuchelhof, seinem Lehrstuhl und dem Sportverein am Heuchelhof wurde vor zwei Jahren eine Gruppe im offenen Ganztag (OGS) mit Bewegungsschwerpunkt für Mädchen gegründet.

Erfolgsmodell Sport-OGS

„In jedem Schuljahr können 20 Mädchen das Angebot nutzen, bei dem an jedem Nachmittag ein anderes Sportangebot durch erfahrene Trainerinnen gemacht wird“, erläutert der Fußballtrainer das Konzept. Mittlerweile sei die Warteliste allein am Heuchelhof auf 30 Mädchen angestiegen und andere OGS-Standorte seien ebenfalls an dem Modell interessiert, so dass das Angebot durchaus erweitert werden müsse. „In dem Konzept steckt sehr viel Potenzial und offensichtlich wünschen es sich die Würzburger Familien laut unserer Studie mehrheitlich“, ist sich der Bildungsforscher sicher.

Nachzulesen sind die detaillierten Resultate in der soeben erschienen Veröffentlichung in der Schriftenreihe des Lehrstuhls. Praktisch genutzt werden sollen die Ergebnisse von der Stadt Würzburg und ihren zuständigen Stellen, die bis 2026 die schrittweise Versorgung mit Ganztagsplätzen für Grundschulkinder zu bewerkstelligen haben. Damit werden die Studienergebnisse wertvolle Hinweise dafür liefern, wie diese Ganztagesbetreuung auch nach den Wünschen der Familien pädagogisch wertvoll gestaltet werden können.

Die Studie des Lehrstuhls für Empirische Bildungsforschung mit dem Titel „Eltern-Erwartungen zur ganztägigen Betreuung im Grundschulalter“ können Sie hier einsehen.