Ganztag an Grundschulen stärkt Motivation, Selbstständigkeit und Schulalltag
geschrieben von Redakteur | Oktober 28, 2025
Neue Studie zeigt: Kinder im Ganztag sind zufriedener, mobben seltener, lesen mehr und brauchen weniger elterliche Hilfe
Kinder, die eine Ganztagsschule besuchen, profitieren nicht nur schulisch, sondern auch sozial und emotional. Eine aktuelle Untersuchung von Larissa Zierow (ifo Institut, Hochschule Reutlingen) und Arnim Seidlitz (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung) zeigt, dass Ganztagsangebote in der Grundschule zu einem besseren Schulklima beitragen, die Selbstständigkeit fördern und die Lernmotivation steigern.
Mehr Freude an der Schule – weniger Mobbing
Die Studie belegt, dass Kinder im Ganztag zufriedener mit ihrer Schule sind und seltener Mobbing erfahren. Der längere gemeinsame Alltag schafft Gelegenheiten, Freundschaften zu pflegen, Konflikte frühzeitig zu klären und Vertrauen zwischen Kindern und Lehrkräften aufzubauen. Das wirkt sich positiv auf das Schulklima aus und kann dazu beitragen, dass Kinder lieber zur Schule gehen und sich stärker zugehörig fühlen.
Lesen statt Nachsitzen
Auch das Lern- und Freizeitverhalten verändert sich im Ganztag deutlich. Kinder verbringen weniger Zeit mit Hausaufgaben und nutzen freie Zeiten häufiger zum Lesen oder für kreative Aktivitäten. Das entlastet Familien und stärkt die Eigenverantwortung der Kinder. Zudem berichten sie, dass sie weniger Unterstützung von ihren Eltern benötigen – ein Zeichen wachsender Selbstständigkeit.
Deutschnoten steigen – Mathe bleibt stabil
Die Auswertungen zeigen, dass sich die Deutschnoten im Schnitt verbessern, während in Mathematik keine signifikanten Veränderungen beobachtet wurden. Standardisierte Testergebnisse deuten darauf hin, dass Ganztagsschulen vor allem dann wirksam sind, wenn ihre Angebote pädagogisch gut gestaltet und auf die Bedürfnisse der Kinder abgestimmt sind.
Die Hoffnung, Ganztagsangebote könnten soziale Bildungsunterschiede automatisch ausgleichen, hat sich in der Studie jedoch nicht bestätigt. Kinder aus weniger privilegierten Familien profitieren nicht systematisch stärker oder schwächer vom Ganztag als andere.
Das bedeutet: Der Ganztag allein gleicht keine Startnachteile aus – es kommt auf die Qualität der Angebote an. Entscheidend ist, wie Schulen ihre Zeit nutzen: ob sie Räume für individuelle Förderung schaffen, gemeinsames Lernen ermöglichen und Kindern unabhängig von ihrer Herkunft gleiche Chancen eröffnen.
Pädagogischer Mehrwert statt bloßer Betreuung
Die Forschenden sehen im Ganztag großes Potenzial, wenn er mehr ist als eine verlängerte Aufbewahrung nach dem Unterricht. Gut konzipierte Nachmittagsangebote können Selbstvertrauen, Teamfähigkeit und Lernfreude stärken – Kompetenzen, die weit über Noten hinausgehen.
Dass der Ganztag gleichzeitig die Chancen auf den späteren Besuch eines Gymnasiums leicht erhöht, ist ein zusätzlicher Effekt. Im Mittelpunkt stehen jedoch die positiven Veränderungen im Alltag der Kinder: mehr Freude am Lernen, mehr Selbstständigkeit und ein gesünderes Miteinander in der Schule.
Hintergrund der Studie
Für die Untersuchung wurden Daten der National Educational Panel Study (NEPS) mit Informationen aus dem Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ (IZBB) verknüpft. Dieses Programm stellte zwischen 2003 und 2009 rund vier Milliarden Euro bereit, um den Ausbau von Ganztagsangeboten in Deutschland zu fördern. Der Anteil der Grundschulkinder mit Ganztagsplätzen ist seither stark gestiegen.
Mitbestimmung stärkt Demokratie und Motivation in Schule und Ganztag
geschrieben von Redakteur | Oktober 28, 2025
Neue Studie: Wo Lernende mitentscheiden, wachsen Motivation, Selbstwirksamkeit und Demokratiekompetenzen – besonders im Ganztag
Schulen sind mehr als Lernorte – sie sind Erfahrungsräume für demokratisches Handeln. Das zeigt die aktuelle Meldung „Schulen können die Demokratie noch stärker machen – wenn sie richtig unterstützt werden“, die neue Daten zur Beteiligung von Schüler:innen zusammenfasst (zur Meldung). Dort, wo Lernende mitbestimmen, sind demokratische Kompetenzen und empfundene Selbstwirksamkeit stärker ausgeprägt – besonders in Ganztagsschulen.
„Unsere Demokratie braucht engagierte junge Menschen, die gelernt haben, ihre Stimme zu erheben, unterschiedliche Perspektiven einzubeziehen und Kompromisse zu finden.“
(Brigitte Mohn)
Was die Daten zeigen
Die Studie „Demokratisierung des Lernens in Schule“ macht deutliche Lücken sichtbar: 63 % der Befragten können selten oder nie über Unterrichtsthemen mitbestimmen, 55 % haben kaum Einfluss auf Methoden und Materialien, 41 % geben an, Lehrkräften selten oder nie Feedback zum Unterricht mitteilen zu können. Nur etwa die Hälfte glaubt, Entscheidungen beeinflussen zu können, die die gesamte Schule betreffen. Besonders in Gymnasien ohne Ganztag erleben Jugendliche wenig Mitbestimmung (Studienhinweis in der Meldung).
Mitbestimmung wirkt – im Unterricht und darüber hinaus
Wissenschaftlich gut belegt ist: Beteiligung stärkt Motivation und Verantwortung. Wenn Lernende mitentscheiden dürfen, was und wie sie lernen, fühlen sie sich ernst genommen – Unterricht lässt sich passgenauer zuschneiden, was Bildungserfolg und Chancengleichheit erhöht.
„Eine zukunftsfähige Schule ist ohne Beteiligung nicht mehr vorstellbar.“
(Arne‑Christoph Halle)
„Den Auftrag, junge Menschen für das Leben in einer sich schnell verändernden Gesellschaft vorzubereiten, können Schulen nur erfüllen, wenn sie sich selbst verändern. Dafür brauchen sie die politische Rückendeckung, die Mittel und die nötigen Freiheiten.“
Die Befunde sind mit klaren Empfehlungen verknüpft: Feedback von Schüler:innen verbindlich und regelmäßig einbeziehen – etwa durch digitale Befragungen, wie sie in kommunalen Monitorings erprobt sind (z. B. UWE – Umwelt, Wohlbefinden und Entwicklung). Dazu gehören mehr Freiheiten in der Unterrichtsgestaltung und flexiblere Lehrpläne sowie eine Lern- und Prüfungskultur, in der Lernende mitbestimmen, was und wie sie lernen (Hintergründe und Materialien u. a. im Schulbereich von jungbewegt). Zentral ist die Qualifizierung von Schulleitungen und Lehrkräften, damit Beteiligung sinnvoll umgesetzt werden kann. Mitbestimmungsrechte der Schülervertretungen sollten gestärkt und enger in schulpolitische Diskussionen eingebunden werden. Für konkrete Situationen zeigt das multimediale Angebot Demokratiekosmos Schule (DEKOS), wie pädagogische Teams bei Antisemitismus und Rechtsextremismus sicher reagieren und demokratische Kultur im Alltag verankern können.
Gelebte Demokratie sichtbar machen
Wie Schulen Demokratie bereits sichtbar leben, illustrieren Auszeichnungen und Initiativen. Ein aktueller Bezugspunkt ist der Themenpreis Demokratiebildung im Rahmen des Deutschen Schulpreises – er würdigt Schulen, die Demokratie vorbildlich in ihren Alltag integrieren.
Studie und Methodik
Die Ergebnisse beruhen auf einer repräsentativen Online‑Befragung von 1.044 Schüler:innen an allgemeinbildenden Schulen (Alter 12–16 Jahre); Erhebungszeitraum: 8. November bis 1. Dezember 2024 (Details zur Erhebung in der Meldung). Ergänzende Materialien finden sich in den Projektseiten von jungbewegt sowie in thematischen Dossiers.
Mehr Inhalte der Bertelsmann Stiftung zum Thema:
Über die Bedarfe von Kindern und Jugendlichen sowie die aus ihrer Sicht wichtigen Faktoren für gutes Lernen:
„Wir brauchen mehr Bewegung in der Ganztagsschule!“
geschrieben von Redakteur | Oktober 28, 2025
Viele Kinder leiden unter Bewegungsmangel – Mit dem Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung fordert Miriam Kehne mehr Bewegung in der Schule
Einschneidende bildungspolitische Reform: Ab August 2026 hat jedes Grundschulkind in Deutschland einen Anspruch auf Ganztagsbetreuung. Ziel des von der Bundesregierung beschlossenen Rechtsanspruchs ist die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie ein Beitrag zur individuellen Förderung und Chancengleichheit aller Kinder. Doch was bedeutet das für die Bewegungswelt der Heranwachsenden? Prof. Dr. Miriam Kehne spricht über die Folgen dieser Entscheidungen und fordert: „Wir brauchen mehr Bewegung in der Ganztagsschule!“ Die Sportwissenschaftlerin leitet den Bereich Kindheits- und Jugendforschung im Sport, der im Department Sport & Gesundheit der Universität Paderborn angesiedelt ist.
Frau Kehne, wie stehen Sie der Reform erst einmal grundsätzlich gegenüber?
Kehne: Das Recht, das jedes Grundschulkind ab August 2026 einen Anspruch auf eine ganztägige Betreuung hat, sehe ich persönlich als eine Chance – denn es entspricht der gesellschaftlichen Entwicklung. Ich bin selbst Mutter zweier Kinder, mein Mann und ich sind beide berufstätig. Das heißt, ich weiß sehr wohl auch aus eigener Erfahrung, dass diese Entscheidung viel zur besseren Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben beitragen kann. Auch soll Kindern aus verschiedenen sozialen Milieus so eine Chancengleichheit eröffnet werden, das finde ich sehr gut.
Prof. Dr. Miriam Kehne hat 2021 das „Bewegungs- Spiel- und Sportlabor – besslab“ gegründet, den Walking Bus Paderborn initiiert und ist seit über 15 Jahren an der Universität Paderborn
Sie beschäftigten sich tagtäglich mit der Bewegungswelt von Kindern und Jugendlichen. Was kann sich für die Heranwachsenden ändern, die ab 2026 in die Ganztagsbetreuung gehen?
Kehne: Die Bewegungswelt hat sich für viele Heranwachsende bereits verändert und diese Entwicklung wird massiv weiter voranschreiten. Natürlich gibt es auch jetzt schon Kinder, genauer gesagt jedes zweite Kind, das den ganzen Tag in der Schule verbringt. Die anderen 50 Prozent jedoch verbringen die Nachmittage außerhalb der Schule im Idealfall mit verschiedenen Freizeitaktivitäten im organisierten oder informellen Rahmen: auf der Wiese spielen, Fahrradfahren, in den Sportverein gehen und natürlich auch andere Hobbies ausüben wie ein Instrument spielen. All diese Freizeitaktivitäten im Grundschulalter könnten – in der Form, wie wir sie bisher hatten – verdrängt werden. Was die Bewegung angeht, haben wir sowieso ein Problem: Repräsentative Daten zeigen, dass sich 75 Prozent der Kinder bereits im Grundschulalter weniger als eine Stunde am Tag bewegen. Das bedeutet im Umkehrschluss: Nur eines von vier Kindern bewegt sich genug! Eine Stunde Bewegung ist übrigens das, was die Weltgesundheitsorganisation täglich empfiehlt, um einen gesunden Lebensstil zu unterstützen. Wir kennen die hohe Relevanz von Sport und Bewegung für die physische Gesundheit mittlerweile sehr gut und wissen, dass körperliche Aktivität die Entwicklung von Kindern ganzheitlich fördern kann.
Es ist die Rede von Chancengleichheit für die Kinder. Ist die denn gegeben, sobald alle Kinder in der Ganztagsbetreuung sind?
Kehne: Aus meiner Sicht besteht an dieser Stelle noch ein ganz großer Aufholbedarf: Die Politik muss das System Ganztag, das sie jetzt geschaffen hat, so ausgestalten, dass wirklich eine Chancengleichheit bestehen kann und die Heranwachsenden tatsächlich davon profitieren. Dafür müssen die Rahmenbedingungen so geschaffen werden, dass das Angebot im Ganztag eine entsprechende Qualität aufweist.
Was könnte das konkret sein?
Kehne: Im Bewegungsbereich heißt das: Die Kinder haben in der Regel einen natürlichen Bewegungsdrang, aber die Voraussetzungen, die sie mitbringen, sind sehr unterschiedlich. Das betrifft sowohl den motorischen als auch den psychosozialen Status der Kinder. Um die Potenziale von Bewegung, Spiel und Sport zu nutzen und allen Kindern die Ausbildung eines aktiven Lebensstils zu ermöglichen, benötigen wir mehr Personal, das zudem entsprechend qualifiziert sein muss. Außerdem fehlen manchmal entsprechende Räumlichkeiten für Bewegung und die Nutzung ist vor allem im Ganztagsbetrieb oftmals nur eingeschränkt möglich. Beispielsweise wenn es regnet und der Schulhof nicht genutzt werden kann. Welche Räumlichkeiten stehen den Kindern dann zur Verfügung? Weiter halte ich es für absolut unerlässlich, dass die außerschulischen Bildungsinstitutionen – wie im Bewegungsbereich die Sportvereine – aktiv in die Ausgestaltung des schulischen Ganztags eingebunden werden. Schließlich sollen die Kinder auch in der Ganztagsschule weiterhin ihren Hobbys nachgehen können beziehungsweise einen Zugang zu den außerschulischen Bildungspartnern erhalten.
Sie sind Sprecherin des Clusters „Ganztag“ im „Forschungsverbund Kinder- und Jugendsport NRW“ (FKJ). Der FKJ hat gerade ein Positionspapier zum Thema Ganztagsbetreuung herausgegeben. Wieso ist das nötig?
Kehne: Wir halten es für unerlässlich, tägliche Bewegungs-, Spiel- und Sportaktivitäten parallel zum schulischen Ganztagsausbau mitzudenken und aktiv in den Schulalltag einzubinden. Das bedeutet, nicht einfach nur das Betreuungsangebot zu erweitern, sondern wirklich auf die Interessen und Bedürfnisse der Kinder einzugehen. Es geht hier aus unserer Sicht um die individuelle motorische, emotionale, soziale und kognitive Entwicklung der Kinder.
Was fordern Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen?
Kehne: Wir fordern: Berücksichtigt die Bewegungswünsche der Kinder! Gestaltet bewegte Schulräume! Nutzt Bewegungsangebote im Ganztag! Schafft ein bewegtes Schul- und Ganztagskonzept! Entwickelt bewegte Bildungslandschaften im kommunalen Raum! Fördert die Qualifikation für Bewegung, Spiel und Sport! Und: Sichert die Qualität von bewegten Ganztagsschulen.
Ist das denn aus Ihrer Sicht nur eine Frage von politischen Rahmenbedingungen?
Kehne: Nicht nur, aber sie sind essentiell. Sport und Bewegung haben einen sehr wichtigen Stellenwert für die gesunde Entwicklung und lebenslange Gesundheit – da spielen neben der Politik als ‚Rahmenbedingungsgestalter‘ unter anderem auch die Eltern eine wesentliche Rolle. Politiker*innen und Eltern sind also ganz zentrale Schnittstellen. Die Politik muss die Bedingungen ermöglichen, festlegen und verankern. Das ist absolut richtungsweisend, weil sonst alle anderen Akteurinnen, also Eltern, Trainerinnen, Lehrerinnen und andere Beteiligte wie freiwillige Sporthelferinnen und viele mehr, gehindert werden. Die Eltern sind diejenigen, die ihre Kinder prägen – gerade im Bewegungskontext. Aber: Die Umsetzung, den Transfer, den können wir nur alle gemeinsam gestalten.
Welche Rolle spielt die Wissenschaft an der Stelle?
Wir wissen oft nicht so genau, wo die Stolpersteine in der Praxis liegen, was die Akteurinnen und Akteure benötigen. Wenn wir in einen Dialog treten und zusammenarbeiten, dann können wir mit unserer Arbeit, der Forschung, genau dort ansetzen, wo Erkenntnisse gebraucht werden. So können wir fundiertes Wissen weitergeben. Hier setzt beispielsweise das von uns gegründete Bewegungs- Spiel- und Sportlabor besslab an. Es braucht in diesem Netzwerk aber viele Partner*innen: Politik, den organisierten Sport, die Universitäten und Hochschulen, die Eltern, das System Schule, in dem übrigens höchst multiprofessionelle Teams im Bereich Sport und Bewegung arbeiten. Wir schaffen das nur gemeinsam.
Wie sieht das System Ganztag in Ihrer Idealvorstellung aus?
Kehne (lacht): Davon sind wir leider noch entfernt, aber: In der idealen Welt müssten wir den Alltag an Grundschulen komplett anders rhythmisieren. Das bedeutet, wir würden nicht mehr unterscheiden zwischen einem kognitiven Vormittagsbereich (Deutsch, Mathe, Englisch, Sachkunde und so weiter) und einer Betreuungssituation am Nachmittag. Aus meiner Sicht wäre es sinnvoll, die Bewegung und die kognitiven Aspekte im Ganztag zu durchmischen. Wir wissen schließlich durch zahlreiche Studien, dass Bewegung für das kognitive Lernen eine hohe Relevanz besitzt: Auswendiglernen funktioniert besser, wenn man sich bewegt, also durch den Raum läuft. Nach dem Spielen draußen können sich Kinder besser auf ihre Hausaufgaben konzentrieren. Wir könnten Bewegung auch lernbegleitend sehen. Kinder entwickeln sich durch Bewegung, lernen ihre Umwelt kennen. Bewegung bringt viele Vorteile mit sich, und das ist etwas, das wir uns mehr zunutze machen sollten – und das ist aus meiner Perspektive leider immer noch nicht vollends in der Gesellschaft und auch Politik angekommen.
Prof. Dr. Miriam Kehne, Department Sport & Gesundheit der Universität Paderborn, Tel: +49 5251 60-5308, E-Mail: miriam.kehne@upb.de
Vielfältige Forschungsarbeiten von wissenschaftlichen Einrichtungen ausgewertet
Die Autorinnen und Autoren der Broschüre „GTS-Bilanz – Qualität für den Ganztag. Weiterentwicklungsperspektiven aus 15 Jahren Ganztagsschulforschung“ nehmen sechs Themenfelder in den Blick: 1. Schulentwicklung und Lernkultur an Ganztagsschulen in Deutschland, 2. Leitung und Steuerung im Ganztag, 3. Den Wandel mitgestalten: Partizipation, Innovationsbereitschaft und die neue Rolle von Lehrkräften an Ganztagsschulen, 4. Multiprofessionelle Kooperation, 5. Außerschulische Akteure im Ganztag, 6. Individuelle Entwicklung von Schüler*innen – Wirksamkeit von Ganztagsschule in Deutschland. Die Wissenschaftler*innen fassen jeweils den Stand der Forschung zusammen. Dabei benennen sie zentrale Erkenntnisse und weisen auf noch vorhandene Wissenslücken hin. Die Broschüre bietet zudem in allen Kapiteln eine Liste der ausgewerteten Literatur und der in diesem Zusammenhang relevanten Forschungsprojekte.
Wissen festhalten, Impulse setzen
„Ziel der jetzt veröffentlichten Forschungsbilanz ist, das vorhandene Wissen festzuhalten und Impulse für weitere wissenschaftliche Arbeiten sowie für gezielte Fördermaßnahmen zu geben. Zugleich sollen alle, die sich vor Ort in der ganztägigen Bildung und Betreuung engagieren, von den Fachkenntnissen profitieren. Für diesen Wissenstransfer wurde die Broschüre anschaulich aufbereitet und jedes Kapitel mit konkreten Handlungsempfehlungen versehen“, erläutert Prof. Dr. Kai Maaz, Geschäftsführender Direktor des DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation. Das Institut hat die Erstellung der Handreichung koordiniert. Ebenfalls beteiligt waren das Deutsche Jugendinstitut, das Institut für Schulentwicklungsforschung an der Technischen Universität Dortmund, die Justus-Liebig-Universität Gießen, die Pädagogische Hochschule Freiburg und die Universität Kassel. Die Arbeiten wurden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
Systematisches Vorgehen, verdichtete Kernbefunde
Die Handreichung bezieht sich auf veröffentlichte Ergebnisse aus Forschungsprojekten und Studien, die seit Beginn des Investitionsprogramms „Zukunft Bildung und Betreuung“ (IZBB) im Jahr 2003 durchgeführt wurden. Das IZBB bildete quasi den Startpunkt für den verstärkten Ausbau von Ganztagsschulen in Deutschland. Der Untersuchungszeitraum endet mit dem Abschluss der „Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen“ (StEG) im Jahr 2019, der größten mit diesen Fragen befassten Untersuchung. Für die Suche nach relevanten Veröffentlichungen nutzte das wissenschaftliche Team die wichtigsten Forschungsdatenbanken der Erziehungswissenschaft, der Psychologie und der Soziologie. Kriterien für die Aufnahme in die Übersicht waren der Bezug zu den thematischen Aspekten des Ganztags sowie die Qualität des Forschungsdesigns und der Datenanalyse.
Vieles noch ungeklärt
Das Abschlusskapitel der Broschüre verdichtet noch einmal die Kernbefunde der Forschung und die Schlussfolgerungen für die Praxis und die Wissenschaft. So hat sich beispielsweise gezeigt, dass sich qualitativ hochwertige außerunterrichtliche Angebote positiv auf die Motivation, das Wohlbefinden und letztlich auch die Notenentwicklung der Kinder und Jugendlichen auswirken können. Klar wird aber auch, dass viele Fragen noch nicht ausreichend geklärt sind und Potenzial für weitere Forschung bieten. Zu klären ist etwa, wie der gesamte Sozialraum eines Ganztagsschulstandorts stärker in Entwicklungen einbezogen werden kann und wie sich weitere Möglichkeiten zur individuellen Förderung von Kindern und Jugendlichen erschließen lassen.