Kinder brauchen ein Gegenüber, das zuhört und mit ihnen spricht

Die Leiterin der Kita Dietrich-Bonhoeffer in Bremen, Kirsten Vöge, im Interview zum Thema „Sprachförderung“

Die Kita Dietrich-Bonhoeffer liegt im Bremer Stadtteil Huchting. Ein „durchmischter“ Stadtteil am Stadtrand, in dem verschiedene soziale Milieus zusammenkommen. Die Kita begleitet mit Krippe und Kindergarten derzeit 128 Kinder. Gemeinsam mit einer Kollegin leitet Kirsten Vöge die Einrichtung. Da die Kita auch inklusiv ist, arbeitet hier mit insgesamt 53 Kolleginnen und Kollegen Fach- und Hilfskräfte unterschiedlicher Profession. Von den 128 Kindern haben 28 einen besonderen Förderbedarf.

Stärkere Untersützung für mehr Kinder

Auch in Huchting ist die Zahl der Kinder, die im Spracherwerb stärker unterstützt werden müssen, gestiegen. Die Kita ist auch deshalb eine Sprachkita. Zwei Fachkräfte kümmern sich speziell um diesen Bereich. Dass die Zahl der Kinder, die sprachliche Schwierigkeiten haben, auch in Huchting gewachsen ist, hat sich laut Kirsten Vöge in den Ergebnissen des sogenannten PRIMO-Tests gezeigt. Das ist ein Sprachtest, an dem alle Bremer Kinder ein Jahr vor der Einschulung teilnehmen. Waren es in den vergangenen Jahren immer zwischen 12 bis 15 von 40 Kindern die auffällig waren, zeigte sich im jüngsten Test, dass diesmal knapp 30 Kinder einen besonderen Förderbedarf hatten.

Auf der Suche nach den Ursachen

Daraufhin hätte das Team noch einmal genauer hingesehen, wie der Hintergrund der Betroffenen sei. Wie immer gebe es keine einfachen Antworten, so Vöge. Zunächst einmal betreffe das Kinder, die Deutsch nicht als Muttersprache sprechen würden und die relativ spät in die Kita kämen. Deren Anteil sei in den vergangenen Jahren gewachsen. Eine besondere Gruppe sind auch die Kinder aus der Ukraine, deren Familien vor der Frage stünden, ob es sich um eine Übergangssituation handelt oder ob sie sich auf das neue Land einlassen.

Sprache und Sprachfreude verstärken

Daneben wächst auch die Zahl der Kinder, die hierzulande geboren sind und dennoch einen erhöhten Sprachförderbedarf haben. Hier kann Kirsten Vöge nur Vermutungen anstellen. „Wir nehmen verstärkt zur Kenntnis, dass Kinder früh mit Medien Kontakt haben, also mit Medien, mit Smartphones, mit Tablets und dann natürlich gut beschäftigt sind“, sagt sie. Diese Kinder hätten kein Gegenüber, mit dem sie sprechen könnten, das ihnen Feedback gebe, das sie bestätige, in dem, was sie sagten. Und wenn niemand die Sprache und die Sprachfreude verstärke, dann sei das womöglich auch ein Hemmnis. Die Kinder müssten an das Kommunizieren herangeführt werden. Und da läge der Ball schon bei den Eltern, die auf ihr Kind eingehen sollten.

Zugang zu Büchern verstärken

Auch der Zugang zu Büchern sei ein großes Thema. Vöge fragt danach, ob sich jemand in den Familien mit einem ein Buch hinsetze und vorlese. „Ich müsste ja nicht mal die Geschichte vorlesen, die in diesem Buch steht, sondern einfach ins Gespräch kommen über Bilder, die wir gemeinsam betrachten.“

Um den Familien hier mehr Anregung zu geben, habe man nun eine Ausleihbücherei vor Ort. Neben dem Besuch in der Stadteilbücherei, könnten die Kinder nun auch hier wöchentlich Bücher ausleihen, um einfach überhaupt die Möglichkeit zu haben, zu Hause gemeinsam Bücher anzuschauen.

Sprache als Querschnittaufgabe

Viele Sachen, die in der Kita getan würden, sind lauf Vöge keine besonderen Sachen. Die Haltung in der Kita sei zunächst einmal, Sprache als Querschnittaufgabe zu sehen. Überall stecke Sprache drin und Sprache sei der Schlüssel zur Welt. Vieles stamme aus dem Bundesprojekt „Sprachkita“. Das sei das Fundament. „Wir nutzen jede Möglichkeit im Alltag, um ins Gespräch zu gehen oder dem Kind ein Feedback zu geben“. Dann gebe es eine feste Struktur. So etwa die festen Essenszeiten, zu denen jederzeit Tischgespräche geführt werden könnten. Die Kinder hätten immer eine relativ homogene Gruppe um sich, in der sie ihr Gegenüber kenne und vertrauen würden. So könnten sie sich jederzeit an einem Gespräch beteiligen. Vertrauen und Bindung seien nun mal die Grundlage, um lernen und sich einlassen zu können.

Brücken schaffen mit Metacom Karten

Bedingt durch den erhöhten Förderbedarf setze man auch Metacom Karten ein. Das seien Karten, die eine Situation in einem sehr leichten Bild oder einen Gegenstand zeigten, durch deren Nutzung Kinder die Möglichkeit haben, in einen Kontakt zu kommen. Das sei nun zunächst nicht sprachlich. Aber in jedem Fall habe das Kind die Möglichkeit, etwas auszudrücken. Zudem seien sprachbegleitende Gebärden von besonderer Bedeutung, die überall im Alltag eingesetzt würden. Kinder könnten diese Gebärden mit Worten, mit Lauten und Singen in Verbindung bringen. Damit könnte eine Brücke gebaut werden kann.
Das Wichtigste ist laut Vöge, dass sich jede Fachkraft jederzeit darüber bewusst ist, dass sie das Sprachvorbild für die Kinder darstellt. Zudem sollte jedem klar sein, was für eine Kompetenz oder sogar Macht er habe, Sprache anzuregen oder auch nicht, „durch mein eigenes Sprechen, durch meine Nutzung von gewissen Worten. Das sollten wir in jedem Moment, in dem wir im Kita-Alltag unterwegs sind, wissen.“

Kinder wirklich wahrnehmen

Eltern rät sie, mit ihren Kindern direkt im Kontakt zu sein, ihr Kind wirklich wahrzunehmen, zu hören, was es sagt, was es ausdrücken möchte und es darin zu unterstützen, indem sie natürlich immer positiv darauf reagieren und es verstärken. Das wäre die Grundvoraussetzung,

„Und dann würde ich sagen, das Handy mal in der Tasche lassen und Bücher oder Geschichten nutzen, um gemeinsame Welten auch zu erschaffen.“, ergänzt sie. Dabei gehe es nicht unbedingt darum, die Bücher zu lesen, sondern einfach nur gemeinsam anzuschauen. Gemeinsam Bilder anzusehen, etwas zusammen zu machen und das, was das Kind dort anbiete, zu verstärken, sei enorm wichtig nicht nur für den Spracherwerb.

Über gemeinsame Erlebnisse zur eigenen Familiensprache finden

Gemeinsame Erlebnisse würden Anregungen zu gemeinsamen Gesprächen schaffen, um Sprache in den Alltag zu integrieren. So entstünde eine Familiensprache, die das Fundament für jede weitere Sprache sei. Dabei sollten Eltern einfach die Sprache nutzen, in der sie selbst sicher seien. Denn mit dem Kind Deutsch zu sprechen, wenn man selbst unsicher in dieser Sprache sei, helfe der sprachlichen Entwicklung des Kindes nicht. „Wenn ich allerdings eine Sprache spreche, in der ich groß geworden bin, in der ich denke und träume, dann ist das eine gute Grundlage. Da kann man natürlich sehr schnell feststellen, spricht das Kind diese Sprache wirklich gut oder gibt es auch in der Familiensprache eigentlich Punkte, bei denen man denkt, oh, das könnten Hinweise auch auf eine verzögerte, eine Entwicklungsstörung sein und da gibt es Hilfebedarf.“ Und diese Hilfen stehen in der Kita in Huchting und in der Gemeinde zur Verfügung.

Gernot Körner




Inklusives Bildungssystem könnte aus der Krise helfen

Gemeinsame Resolution der Gemeinnützigen Gesellschaft Gesamtschule und des Grundschulverbands

Das deutsche Bildungssystem befindet sich in einer Krise, vielleicht der größten seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Zu den Symptomen dieser Krise gehören unter anderem die nach wie vor eklatante Bildungsungerechtigkeit sowie die mangelhafte Ausrichtung auf eine zukunftsorientierte Bildung. Die Realisierung eines inklusiven Bildungssystems, zu der sich die Bundesrepublik Deutschland durch Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet hat, ist noch lange nicht erreicht. Damit werden die Rechte jedes Kindes und Jugendlichen auf bestmögliche Bildung gravierend verletzt.

Das föderale System wird den Herausforderungen immer weniger gerecht. Konsequent ist daher, dass die Regierungsparteien auf der Bundesebene bildungspolitische Schwerpunkte gesetzt haben.

Im Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen“ der Ampelregierung findet sich unter Punkt V. Chancen für Kinder, starke Familien und beste Bildung ein Leben lang „Wir wollen allen Menschen unabhängig von ihrer Herkunft beste Bildungschancen bieten, Teilhabe und Aufstieg ermöglichen und durch inklusive Bildung sichern.“

Das Startchancenprogramm soll Kindern und Jugendlichen – unabhängig von der sozialen Lage der Familien – bessere Bildungschancen ermöglichen. Mehr als 4.000 allgemein- und berufsbildende Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler sollen dabei Unterstützung finden in den Bereichen:

  • Schulbau, durch ein Investitionsprogramm für moderne, klimagerechte, barrierefreie Schulen mit einer zeitgemäßen Lernumgebung und Kreativlaboren,
  • Weiterentwicklung der Schulen, des Unterrichts und der Lernangebote, durch ein Chancenbudget zur freien Verfügung, um Schule, Unterricht und Lernangebote weiterzuentwickeln und außerschulische Kooperationen zu fördern,
  • Schulsozialarbeit, mit der dauerhaften Bereitstellung zusätzlicher Stellen.

Inzwischen hat die Bundesregierung in ihrem Haushaltsentwurf für das Jahr 2024 für das Startchancenprogramm im Einzelplan 60 einen eigenen Titel mit einem Ansatz von 500 Mio. Euro eingestellt. Ab 2025 sind 1 Mrd. Euro pro Jahr für das Programm vorgesehen.

Jetzt geht es darum, das Programm zu einem guten Ergebnis zu führen.

Die GGG und der GSV haben sich dazu folgendermaßen positioniert:

Resolution: Das Startchancen-Programm muss zu mehr Bildungsgerechtigkeit führen und einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung eines inklusiven Schulsystems leisten

1.         Die Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule (GGG) und der Grundschulverband (GSV) begrüßen uneingeschränkt, dass die Ampelkoalition Kindern und Jugendlichen unabhängig von der sozialen Lage ihrer Familien durch inklusive Bildung bessere Bildungschancen zur Behebung der herkunftsbedingten Bildungsbenachteiligung ermöglichen will und dazu ein Startchancen- Programm auflegt. Mit dem Programm soll auch eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit des deutschen Schulsystems erreicht werden. Für die Umsetzung des Programms ist die Kooperation von Bund, Ländern und Kommunen notwendig.

2.         Die Verbände halten die begleitenden öffentlichen Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern über Finanzierung und Ausgestaltung des Programms für kontraproduktiv. Das Versprechen, die Zivilgesellschaft und auch die Schulen mit in den Entwicklungsprozess des Programms einzubeziehen, muss schnellstens eingelöst werden.

3.         Es besteht weitgehend Übereinstimmung darin, dass der Erfolg des Programms evaluiert werden muss. Vorhandene erfolgreiche Formen und Erfahrungen wissenschaftlicher Begleitung, z.B. aus der Berliner Gemeinschaftsschul-Pilotphase, verzahnt mit Fortbildung und Evaluation sind zu nutzen. GGG und GSV schlagen vor, im Rahmen der Evaluation folgende Zielsetzungen zugrunde zu legen:

  • eine Verbesserung des Wohlbefindens der Schüler:innen,
  • eine Steigerung der Anzahl der Schüler:innen, die die Schule mit Schulabschluss verlassen,
  • eine Steigerung der Anzahl der Schüler:innen, die die Mindeststandards in den einschlägigen Vergleichstests (IQB-Bildungsstudie, PISA etc.) erreichen,
  • eine deutliche Entkoppelung von Herkunft und Bildungserfolg,
  • eine Weiterentwicklung des selektiven Schulsystems in Richtung eines inklusiven Schulsystems, messbar an einer verbesserten Versorgung in Bezug auf Ausstattung und Personal für inklusive Bildung sowie einer erhöhten Anzahl von Schulen des gemeinsamen Lernens.

4.         Das Startchancen-Programm ist ein zentrales bildungspolitisches Vorhaben der Bundesregierung für diese Legislaturperiode. Die Umsetzung soll mit Beginn des Schuljahres 2024/25 erfolgen. Wesentliche Mittel an die Schulen werden erst 2025 fließen. Das ist viel zu spät. Deshalb fordern die Verbände die Bereitstellung eines Sofortprogramms von 1 Mrd. Euro bereits für das Schuljahr 2023/24. Es ist nicht in Kauf zu nehmen, dass weitere Schüler:innenjahrgänge zurückgelassen werden. Ein Zusammenstreichen der vorgesehenen Mittel und ggf. ein Verzicht auf das Programm insgesamt wäre unverantwortlich. Ausgaben für den Bildungsbereich müssen höchste Priorität haben.

5.         GGG und GSV fordern, dass die gesamten Mittel für alle drei Bereiche nach Sozialindex und nicht nach Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer verteilt werden, so wie es im Eckpunkteentwurf des BMBF vorgeschlagen wird. Die Auswahl der Schulen muss sich am Bedarf orientieren, an einem schüler:innenscharfen Sozialindex. Von den Ländern fordern wir, dass sie zusätzlich zu den Bundesmitteln einen gleich hohen Beitrag für das Programm beisteuern.

6.         Die Verbände fordern, den Schulen als wesentlichen Akteuren bei der Umsetzung des Programms weitgehende Spielräume zur Ausgestaltung des Programms und zur Verwendung der Mittel zu ermöglichen. Dabei sollen die Schulen wissenschaftlich, administrativ und unterstützend begleitet werden. Außerdem ist eine regionale Vernetzung der am Programm beteiligten Schulen zu ermöglichen.

7.         Auf der individuellen Ebene der Schüler:innen soll das Startchancenprogramm die sozial- emotionalen Kompetenzen fördern, persönlichkeitsbildend wirken und den Schüler:innen ermöglichen, die nötigen Zukunftskompetenzen zu entwickeln. Deshalb fordern GGG und GSV, dass das Startchancen-Programm nicht allein auf Basiskompetenzen in den Fächern Deutsch und Mathematik fokussiert, sondern mit einem emanzipatorischen, basisdemokratischen, teilhabenden und entgrenzenden Anspruch versehen wird. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie mit psychosozialen Nachwirkungen bei Schülerinnen und Schülern ist dies besonders wichtig.

8.         Für die schulstrukturelle Ebene fordern die Verbände:
Im Grundschulbereich ist mit dem Startchancenprogramm das Sprengelprinzip in allen Bundesländern wieder einzuführen.
Alle in das Startchancen-Programm einbezogenen Schulen bringen ihre Schulentwicklung mit dem Ziel einer inklusiven Schule voran.
Geförderten allgemeinbildenden Schulen ist die Entwicklung zu einer integrierten Langformschule (Schule von 1 – 10 bzw. 13) zu ermöglichen.
Geförderten Gesamtschulen ohne Oberstufe ist zu ermöglichen, eine Oberstufe aufzubauen.

Insgesamt sind die Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule und der Grundschulverband der Überzeugung, dass allein die Möglichkeiten des Startchancen-Programms nicht ausreichen werden, unser Bildungssystem gerecht, inklusiv und zukunftsfähig zu gestalten. Dazu bedarf es weiterer Anstrengungen und einer gesamtgesellschaftlichen Übereinkunft. Frühkindliche Bildung ist im Programm nicht vorgesehen. Die Strukturfrage wird nicht angegangen. Diese Mängel sind zu beheben. Der von der Koalition vereinbarte „Bildungsgipfel“, „auf dem sich Bund, Länder, Kommunen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft über neue Formen der Zusammenarbeit und gemeinsame ambitionierte Bildungsziele verständigen“ (zitiert aus dem Koalitionsvertrag), muss umgehend einberufen werden und zielorientiert arbeiten.

Quelle: Pressemitteilung Grundschulverband e.V.




Die Bildungsungerechtigkeit beenden und zukunftsorientierte Bildung endlich beginnen!

Gemeinsame Resolution des Grundschulverbandes und des Gesamtschulverbandes

Das deutsche Bildungssystem befindet sich in einer Krise, vielleicht der größten seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Zu den Symptomen dieser Krise gehören u.a. die nach wie vor eklatante Bildungsungerechtigkeit sowie die mangelhafte Ausrichtung auf eine zukunftsorientierte Bildung. Die Realisierung eines inklusiven Bildungssystems, zu der sich die Bundesrepublik Deutschland durch Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet hat, ist noch lange nicht erreicht. Damit werden die Rechte jedes Kindes und Jugendlichen auf bestmögliche Bildung gravierend verletzt.

Das föderale System wird den Herausforderungen immer weniger gerecht. Konsequent ist daher, dass die Regierungsparteien auf der Bundesebene bildungspolitische Schwerpunkte gesetzt haben.

Im Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen“ der Ampelregierung findet sich unter Punkt V. Chancen für Kinder, starke Familien und beste Bildung ein Leben lang „Wir wollen allen Menschen unabhängig von ihrer Herkunft beste Bildungschancen bieten, Teilhabe und Aufstieg ermöglichen und durch inklusive Bildung sichern.“ 

Das Startchancenprogramm soll Kindern und Jugendlichen – unabhängig von der sozialen Lage der Familien – bessere Bildungschancen ermöglichen. Mehr als 4.000 allgemein- und berufsbildende Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler sollen dabei Unterstützung finden in den Bereichen:

  • Schulbau, durch ein Investitionsprogramm für moderne, klimagerechte, barrierefreie Schulen mit einer zeitgemäßen Lernumgebung und Kreativlaboren,
  • Weiterentwicklung der Schulen, des Unterrichts und der Lernangebote, durch ein Chancenbudget zur freien Verfügung, um Schule, Unterricht und Lernangebote weiterzuentwickeln und außerschulische Kooperationen zu fördern,
  • Schulsozialarbeit, mit der dauerhaften Bereitstellung zusätzlicher Stellen.

Die GGG und der GSV haben sich dazu folgendermaßen positioniert:

Resolution
Das Startchancen-Programm muss zu mehr Bildungsgerechtigkeit führen
und einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung eines inklusiven Schulsystems leisten

1. Die Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule (GGG) und der Grundschulverband (GSV) begrüßen uneingeschränkt, dass die Ampelkoalition Kindern und Jugendlichen unabhängig von der sozialen Lage ihrer Familien durch inklusive Bildung bessere Bildungschancen zur Behebung der herkunftsbedingten Bildungsbenachteiligung ermöglichen will und dazu ein Startchancen-Programm auflegt. Mit dem Programm soll auch eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit des deutschen Schulsystems erreicht werden. Für die Umsetzung des Programms ist die Kooperation von Bund, Ländern und Kommunen notwendig.

2. Die Verbände halten die begleitenden öffentlichen Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern über Finanzierung und Ausgestaltung des Programms für kontraproduktiv. Das Versprechen, die Zivilgesellschaft und auch die Schulen mit in den Entwicklungsprozess des Programms einzubeziehen, muss schnellstens eingelöst werden.

3. Weitgehend Übereinstimmung besteht darin, dass der Erfolg des Programms evaluiert werden soll. GGG und GSV schlagen vor, im Rahmen der Evaluation folgende Zielsetzungen zugrunde zu legen:

  • eine Verbesserung des Wohlbefindens der Schüler:innen,
  • eine Steigerung der Anzahl der Schüler:innen, die die Schule mit Schulabschluss verlassen,
  • eine Steigerung der Anzahl der Schüler:innen, die die Mindeststandards in den einschlägigen Vergleichstests (IQB-Bildungsstudie, PISA, etc.) erreichen,
  • eine deutliche Entkoppelung von Herkunft und Bildungserfolg,
  • eine Weiterentwicklung des selektiven Sculsystems in Richtung eines inklusiven Schulsystems, messbar an einer verbesserten Versorgung in Bezug auf Ausstattung und Personal für inklusive Bildung sowie einer erhöhten Anzahl von Schulen des gemeinsamen Lernens.

4. Das Startchancen-Programm ist ein zentrales bildungspolitisches Vorhaben der Bundesregierung ür diese Legislaturperiode. Die Umsetzung soll mit Beginn des Schuljahres 2024/25 erfolgen. Wesentliche Mittel an die Schulen werden erst 2025 fließen. Das ist viel zu spät. Deshalb fordern die Verbände die Bereitstellung eines Sofortprogramms von 1 Mrd. Euro bereits für das Schuljahr 2023/24. Es ist nicht in Kauf zu nehmen, dass weitere Schüler:innenjahrgänge zurückgelassen werden.

5. GGG und GSV fordern, dass die gesamten Mittel für alle drei Bereiche nach Sozialindex und nicht nach Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer verteilt werden, so wie es im Eckpunkteentwurf des BMBF vorgeschlagen wird.

6. Die Verbände fordern, den Schulen als wesentlichen Akteuren bei der Umsetzung des Programms weitgehende Spielräume zur Ausgestaltung des Programms und zur Verwendung der Mittel zu ermöglichen. Dabei sollen die Schulen wissenschaftlich, administrativ und unterstützend begleitet werden.

7. Auf der individuellen Ebene der Schüler:innen soll das Startchancenprogramm die sozial-emotionalen Kompetenzen fördern, persönlichkeitsbildend wirken und den Schüler:innen ermöglichen, die nötigen Zukunftskompetenzen zu entwickeln. Deshalb fordern GGG und GSV, dass das Startchancen-Programm nicht allein auf Basiskompetenzen in den Fächern Deutsch und Mathematik fokussiert, sondern mit einem emanzipatorischen, basisdemokratischen, teilhabenden und entgrenzenden Anspruch versehen wird.

8. Für die schulstrukturelle Ebene fordern die Verbände:

  • Im Grundschulbereich ist mit dem Startchancenprogramm das Sprengelprinzip in allen Bundesländern wieder einzuführen.
  • Alle in das Startchancen-Programm einbezogenen Schulen bringen ihre Schulentwicklung mit dem Ziel einer inklusiven Schule voran.
  • Geförderten allgemeinbildenden Schulen ist die Entwicklung zu einer Langformschule (Schule von 1 – 10 bzw. 13) zu ermöglichen.
  • Geförderten Gesamtschulen ohne Oberstufe ist zu ermöglichen, eine Oberstufe aufzubauen.

Insgesamt sind die Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule und der Grundschulverband der Überzeugung, dass allein die Möglichkeiten des Startchancen-Programms nicht ausreichen werden, unser Bildungssystem gerecht, inklusiv und zukunftsfähig zu gestalten. Dazu bedarf es weiterer Anstrengungen und einer gesamtgesellschaftlichen Übereinkunft. Frühkindliche Bildung ist im Programm nicht vorgesehen. Die Strukturfrage wird nicht angegangen. Diese Mängel sind zu beheben. Der von der Koalition vereinbarte „Bildungsgipfel“, „auf dem sich Bund, Länder, Kommunen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft über neue Formen der Zusammenarbeit und gemeinsame ambitionierte Bildungsziele verständigen“ (zitiert aus dem Koalitionsvertrag), muss umgehend einberufen werden und zielorientiert arbeiten.

Quelle: Pressemitteilung GSV




Weltspieltag 2023: Auch Spielplätze müssen inklusiver werden

weltspieltag

Schluss mit der Einfalt – Es lebe die Vielfalt

Der Weltspieltag steht in diesem Jahr unter dem Motto „Schluss mit der Einfalt – Es lebe die Vielfalt!“. Damit will das Deutsche Kinderhilfswerk (DKHW) gemeinsam mit seinen Partnern im „Bündnis Recht auf Spiel“ und in Zusammenarbeit mit der Aktion Mensch auf die besondere Wichtigkeit inklusiver Spielräume aufmerksam machen.

Forderung: mindestens eine inklusive Spielmöglichkeit bei jedem Spielplatz

Das DKHW fordert zum Weltspieltag am Sonntag eine gesetzliche Verpflichtung für Städte und Gemeinden, bei jedem Spielplatzneubau oder bei einer umfassenden Spielplatzsanierung mindestens eine inklusive Spielmöglichkeit zu schaffen. Damit soll allen Kindern entsprechend ihrer individuellen Fähigkeiten eine gemeinschaftliche Nutzung des Spielraums ermöglicht werden. Zudem müssen aus Sicht der Kinderrechtsorganisation Spielplätze künftig so gestaltet sein, dass sie für alle Kinder und deren Begleitpersonen problemlos zugänglich und erlebbar sind. Auch bei der Planung und Gestaltung von Schulhöfen sowie Aktionsflächen für Jugendliche wie Skateanlagen oder Streetballflächen sollten die Aspekte des inklusiven Spielens stärker als bisher berücksichtigt werden, um die in Deutschland gültige UN-Behindertenrechtskonvention zu verwirklichen.

Inklusion gestalten bedeutet Spielräume inklusiv zu gestaltet

„Inklusion zu gestalten bedeutet für uns grundsätzlich, Räume und Spielgelegenheiten zu schaffen, in denen die Teilhabe aller Kinder unabhängig von sozioökonomischer Herkunft, Nationalität, Kultur, Alter, Geschlecht oder individuellen körperlichen und geistigen Fähigkeiten möglich ist. Um inklusives Spiel zu ermöglichen, sollten Spielräume so gestaltet sein, dass sie auf vielfältige Art und Weise von möglichst allen Kindern entsprechend ihrer Fähigkeiten und Bedürfnisse erreicht und genutzt werden können. Auch die Konzentration vieler ärmerer Kinder in einem Stadtteil ist für die Kommunen eine Herausforderung und muss beachtet werden“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Aktuelle Studie der Aktion Mensch zeigt erheblichen Mangel an inklusiven Spielplätzen in Deutschland

80 Prozent der Spielplätze schließen Kinder mit Behinderung aus

Strukturelle Diskriminierung macht auch vor Kindern mit Behinderung nicht Halt. Lediglich jeder fünfte Spielplatz ist zumindest teilweise barrierefrei oder verfügt über inklusive Spielgeräte, die das Recht auf Spiel und Teilhabe auch für Kinder mit Behinderung umsetzen. Im regionalen Vergleich zeigt sich, dass der größte Nachholbedarf dabei in Brandenburg sowie Schleswig-Holstein besteht. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Aktion Mensch zum Weltspieltag. Diese ist in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut für Inklusion durch Bewegung und Sport (FIBS) entstanden.

Gesellschaftliche Ausgrenzung statt Inklusion von Anfang an

Fast 80 Prozent der Spielplätze in Deutschland weisen keine Merkmale auf, die ein gemeinsames Spielen von Kindern mit und ohne Behinderung erlauben. Besonders dramatisch äußert sich die Situation bei der Beschaffenheit der Böden. Gerade einmal ein Prozent der Spielplätze verfügt über befahrbare Zuwege, die zu allen Geräten führen. Und sogar weniger als ein Prozent über Leitsysteme oder andere taktile Hilfen. Statt barrierefreien Flächen aus stoßdämpfendem Gummi oder Korkmischungen weit verbreitet: Sand, Kies oder Hackschnitzel. Für Kinder mit einer Mobilitätseinschränkung oder Sehbehinderung scheitert das Spielen folglich spätestens am Erreichen der Spielgeräte. Sie tragen die unmittelbaren Konsequenzen, wie etwa der achtjährige Metin, der einen Rollstuhl nutzt: „Ich kann nicht zu Geburtstagen, wenn es auf den Spielplatz geht.“

Ein Blick über den Atlantik zeigt: Es geht auch anders

Mit den bestehenden DIN-Normen existieren hierzulande bereits Richtlinien, die den Bau von inklusiven und barrierefreien Spielplätzen unterstützen. Ihre Anwendung ist jedoch freiwillig. „Ohne ein Gesetz zur verpflichtenden Umsetzung haben die derzeitigen Rahmenbedingungen keine Durchschlagkraft“, kommentiert Christina Marx, Sprecherin der Aktion Mensch. „Auch beim Spielplatzbau müssen Menschen mit Behinderung von den ersten Planungsschritten an mitgedacht werden, um einer Diskriminierung bereits im Kindesalter entgegenzuwirken.“ Als Vorbild können die USA dienen. Dort müssen qua Gesetz alle seit 2012 errichteten Spielplätze barrierefrei ausgestaltet sein. Neben dem Zugang umfasst dies auch die Gestaltung der Geräte. Diese adressieren etwa durch Rampen oder verschiedene Griffhöhen und -stärken Kinder mit und ohne Behinderung gleichermaßen.

Inklusive Spielplätze als #OrteFürAlle

Als Orte der Begegnung haben inklusive Spielplätze eine Strahlkraft weit über die Kinder hinaus. Nicht nur sie und ihre Begleitpersonen profitieren von einem gleichberechtigten Miteinander, sondern letztlich die gesamte Gesellschaft. Gleichzeitig erhöhen sie, wie die Studie zeigt, die Qualität des Spiels sowie die Attraktivität des Standortes. Dort wo inklusive Spielplätze bereits existieren, werden sie gut angenommen. Ihr Angebot ist jedoch zu gering. Unter www.aktion-mensch.de/spielplatzstudie finden Sie die vollständige Studie

Studie der Aktion Mensch zeigt den Handlungsdruck auf

„Die Studie der Aktion Mensch zur Inklusion auf Spielplätzen in Deutschland hat den enormen Handlungsdruck in diesem Bereich noch einmal ganz deutlich vor Augen geführt. Wir brauchen dringend mehr Teilhabe von Kindern mit Behinderungen auf öffentlichen Spielplätzen. So scheitern vor allem Kinder mit Mobilitätseinschränkung oder Sehbehinderung häufig bereits beim Zugang zum Spielplatz. Spätestens aber bei der Zugänglichkeit der Geräte werden sie vom gemeinsamen Spiel ausgeschlossen. Hier braucht es ein generelles Umdenken in der Planung sowohl bei Neubau als auch bei Sanierungen im Bestand. Und letztlich ist auch der Gesetzgeber gefragt, wenn Appelle an Städte und Gemeinden hier nicht fruchten“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Der Weltspieltag 2023

Der Weltspieltag 2023 Er wird deutschlandweit zum 16. Mal ausgerichtet. Zum Weltspieltag sind Schulen und Kindergärten, öffentliche Einrichtungen, Vereine und Nachbarschaftsinitiativen aufgerufen, in ihrer Stadt oder Gemeinde eine beispielgebende oder öffentlichkeitswirksame Aktion durchzuführen – egal ob Spiel-, Beteiligungs- oder Protestaktion.  Das Deutsche Kinderhilfswerk stellt umfangreiche Aktionsmaterialien zum Bewerben des Weltspieltages zur Verfügung.

Weitere Informationen unter www.weltspieltag.de.

Quelle: Pressemitteilungen Aktion Mensch e.V. und Deutsche Kinderhilfswerk




Inklusion: kaum Engagement seitens der Politik

Bildungsgewerkschaft GEW zum Europäischen Protesttag zur Gleichstellung der Menschen mit Behinderung

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) mahnt den Bund, mehr Verantwortung für die Inklusion in der Bildung zu übernehmen. „Statt immer nur auf die Verantwortung der Bundesländer zu verweisen und diesen Flickenteppich zu dulden, schlagen wir vor, eine Enquete-Kommission des Bundestags einzurichten. Diese soll Ziele und Wege für eine menschenrechtskonforme Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) erarbeiten“, sagte Anja Bensinger-Stolze, GEW-Vorstandsmitglied Schule, mit Blick auf den heutigen Europäischen Protesttag zur Gleichstellung der Menschen mit Behinderung. „Die schulische Inklusion ist ins Stocken geraten, in einigen Bundesländern sogar rückläufig. 14 Jahre nach der Ratifizierung der UN-BRK durch die Bundesregierung kann man das nur als skandalös bezeichnen.“

Mangel an Zielsetzungen, Maßnahmen, politischer Steuerung, politischem Willen, konkreten Erkenntnissen und Ressourcen

„Wir brauchen einen Pakt für Inklusion!“ appellierte Bensinger-Stolze an die Politik. Sie griff damit einen Vorschlag des Deutschen Instituts für Menschenrechte von Ende 2022 auf. In seinem jüngsten Menschenrechtsbericht zu Deutschland hatte das Institut eine länderübergreifende Gesamtstrategie angemahnt und entsprechende Grundgesetzänderungen sowie einen Bildungsstaatsvertrag zwischen Bund und Ländern gefordert. „Es mangelt an Zielsetzungen, überprüfbaren Maßnahmen, politischer Steuerung, politischem Willen, konkreten Erkenntnissen und vor allem an Ressourcen für Inklusion. Das muss ein Ende haben, wenn wir uns international nicht weiterhin blamieren wollen“, betonte das GEW-Vorstandsmitglied.

Deutschland verstößt gegen Artikel 24 der UN-Konvention

„Deutschland verstößt als Vertragsstaat gegen Artikel 24 der UN-Konvention, mit dem sich die Staaten auf ein Monitoring und eine entsprechende Datenerhebung verpflichtet haben. Aber auch insgesamt kommt eine Reihe von Bundesländern der völkerrechtlichen Verpflichtung, das Schulwesen inklusiver zu gestalten, nicht oder nur unzureichend nach. Dabei gibt es positive Beispiele wie die Stadtstaaten oder Schleswig-Holstein, die zeigen, in welche Richtung es gehen kann – auch wenn es selbst hier noch Luft nach oben gibt“, unterstrich Bensinger-Stolze. Die Exklusionsquote, also der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die weiterhin auf Sonderschulen gehen müssen, sei im Bundesdurchschnitt kaum gesunken, in manchen steige er sogar. Auch das Elternwahlrecht der Schulform für die Kinder führe nicht dazu, Inklusion zu fördern, sondern zementiere das Sonderschulwesen eher. „Ein echtes Wahlrecht setzt die gleichwertige Ausstattung von allgemeiner Schule und Sonderschule voraus. Gleichwertige Lebensverhältnisse und Bildungschancen zu erreichen, setzt bundesweite Kriterien und eine Gesamtstrategie voraus“, sagte Bensinger-Stolze.

Das allgemeine Schulsystem muss transformiert werden

„Die Zahl der Sonderschulen zu reduzieren, ist das eine. Andererseits muss aber auch das allgemeine Schulsystem so transformiert werden, dass sich inklusive Bildung barrierefrei und diskriminierungsfrei entwickeln kann. Denn eins ist klar: Das gegliederte Schulsystem mit der frühen Selektion der Kinder auf verschiedenwertige Schulformen ist eine der hartnäckigsten Barrieren für die Inklusion“, hob die Gewerkschafterin hervor. Alle Schulen müssten sich zu Lernorten weiterentwickeln, in denen alle Kinder und Jugendlichen in ihrer Unterschiedlichkeit willkommen sind und individuell gefördert werden. Positive bundespolitische Akzente wie das Startchancenprogramm der Bundesregierung für benachteiligte Schulen müssten konzeptionell und steuerungspolitisch viel stärker mit diesen Dimensionen der Schulentwicklung verknüpft werden, um nicht als „sozialer Notnagel“ zu enden.

Quelle: Pressemitteilung GEW




Schulbox „Nummer gegen Kummer“ für junge Leute mit Behinderung

Jetzt von Lehrkräften an Förderschulen und Schulen des Gemeinsamen Lernens bestellbar

Die Beratungsangebote von „Nummer gegen Kummer“ bieten hilfesuchenden Kindern und Jugendlichen Unterstützung in allen Lebenslagen. Um die Angebote auch bei jungen Menschen mit Beeinträchtigungen, wie zum Beispiel Blindheit oder Sehbehinderungen, bekannter zu machen und ihnen zu vermitteln, dass es gut ist, sich bei Sorgen und Problemen Hilfe zu suchen, hat Nummer gegen Kummer e.V. zusammen mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen sowie Verbänden, Kompetenzzentren und Selbsthilfevereinigungen für blinde und sehbehinderte Menschen die Materialien der aktuellen Schulbox weiterentwickelt.

Neben Infokarten und Flyern zu den Beratungsangeboten sind in jeder Box auch Stickerbögen und Armbänder mit Blindenschrift enthalten. Das beiliegende Kartenset mit Sorgenbeispielen ist Teil einer Unterrichtskonzeption zum Thema „Sorgen und Probleme“. Unter http://www.nummergegenkummer.de/materialien stehen die dazugehörige Handreichung mit zwei Unterrichtseinheiten sowie Arbeitsblätter für Lehrkräfte an Förderschulen und Schulen des Gemeinsamen Lernens zum kostenlosen Download zur Verfügung. Hier findet sich auch das Bestellformular für (Nach-)Bestellungen.

Die Schulbox wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.




Behindertenbeauftragte: „Kein weiterer Ausbau der Förderschulstrukturen“

Forderungspapier der Behindertenbeauftragten des Bundes und der Länder zur inklusiven schulischen Bildung

Die Behindertenbeauftragten von Bund und Ländern haben vor Kurzem in einem Forderungspapier dazu aufgefordert, die inklusive schulische Bildung zu stärken. Sie verweisen auf die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), die seit 2009 in Deutschland im Range eines Bundesgesetzes gilt. Daraus folgt, dass Menschen mit Behinderungen ein Recht auf diskriminierungsfreie inklusive Beschulung haben.

Aktuelle Zahlen der Kultusministerkonferenz zeigen jedoch, dass das Menschenrecht auf inklusive Bildung in Deutschland noch immer nicht flächendeckend gewährt wird: Zwar besuchten von den 582.400 Schüler*innen, die im Jahr 2020 sonderpädagogisch gefördert wurden, rd. 56 Prozent eine Förderschule und rd. 44 Prozent eine allgemeine Schule. Der Anteil der Schüler*innen mit sonderpädagogischer Förderung bezogen auf alle Schüler*innen ist in den letzten Jahren jedoch insgesamt gestiegen. Das führt dazu, dass der Anteil der Schüler*innen, die eine Förderschule besuchen, seit Ratifizierung der UN-BRK kaum abgenommen hat: Sie lag im Jahr 2020 bei 4,3 Prozent.

Jürgen Dusel, Behindertenbeauftragter der Bundesregierung: „Inklusive Bildung ist ein Menschenrecht, das Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen Teilhabe, Bildungs- und Aufstiegschancen ermöglicht. Im Jahr 2020 verließen mehr als 70 Prozent der Jugendlichen, die eine Förderschule besuchten, die Schule ohne Hauptschulabschluss. Mit ihrem Zögern beim Abbau der Förderschulen vergeuden viele Bundesländer Talente und Fachkräftepotenzial. In Zeiten akuten Fachkräftemangels können wir uns das auch volkswirtschaftlich nicht mehr leisten.“

Christian Walbrach, Behindertenbeauftragter des Landes Sachsen-Anhalt: „Artikel 24 der UN-BRK verpflichtet Deutschland dazu, ein inklusives Schulsystem sicherzustellen. Von der Erfüllung dieser Pflicht sind wir in mehreren Bundesländern jedoch weit entfernt. Leider müssen wir im Gegenteil eine nahezu ungezügelte Ausweitung von Sondersystemen und sonderpädagogischen Förderbedarfen beobachten. Das ist aus meiner Sicht eine Sackgasse, die Ohnmacht, Ignoranz, Unkenntnis oder auch Überforderung offenbart. Ich befürchte, ein Grund dafür ist auch der fehlende, krisenfeste bildungspolitische Wille. Wir müssen gemeinsam aufpassen, dass das Schulsystem auch angesichts der schwierigen Personalversorgung nicht vor Überlastung zusammenbricht. Die allgemeinen Schulen müssen wieder stärker in die Lage versetzt werden, ihrem Förderauftrag entsprechen zu können. Neben bedarfsgerechten materiell-technischen Ressourcen benötigen wir unter anderem eine stabile sonderpädagogische Grundversorgung der allgemeinen Schulen. Darüber hinaus muss man auch über gezielte Veränderungen des Schulsystems sprechen.“

Einige Bundesländer seien bei der Transformation zu einem inklusiven Schulsystem bereits auf einem guten Weg. Dass eine Reihe von Bundesländern ihrer gesetzlichen Verpflichtung, ein inklusives Regelschulsystem und die bildungspolitischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, nicht nachkomme, entspreche aus Sicht der Beauftragten jedoch einer grenzwertigen Fehlinterpretation föderalismusintendierter Gestaltungs- und Freiheitsrechte. Es bedürfe einer Ursachenforschung, warum es bundesweit zu einem Anstieg der Förderschüler*innen, insbesondere in den Bereichen der geistigen und der emotional-sozialen Entwicklung gekommen sei. Parallelstrukturen zwischen Förderschulbesuch und inklusiver Beschulung seien zugunsten letzterer konsequent abzubauen und weitestgehend aufzulösen. Ein Ausbau der Förderschulstrukturen und neuer Förderschulstandorte dürfe nicht erfolgen.

Im Einzelnen sind aus Sicht der Beauftragten folgende Schritte für eine erfolgreiche Transformation erforderlich:

  1. Hochwertige inklusive Bildung gewährleisten
  2. Transformation zügig und strukturiert voranbringen
  3. Unabhängige Förderdiagnostik, individuelle Förderplanung, erforderliche Nachteilsausgleiche und Hilfsmittel gewähren
  4. Inklusive Schulen mit qualifiziertem Personal bedarfsgerecht ausstatten
  5. Bauliche, technische und digitale Barrierefreiheit gewährleisten

Die komplette Erklärung finden Sie hier.




„Schluss mit der Einfalt – Es lebe die Vielfalt!“

Das Motto des Weltspieltages 2023 weist auf das Recht auf Inklusion hin

Das Motto des Weltspieltages am 28. Mai 2023 „Schluss mit der Einfalt – es lebe die Vielfalt!” weist auch auf das Recht auf „Inklusion“ hin. Es ist das Recht auf Teilhabe aller Menschen und insbesondere aller Kinder unabhängig von körperlichen und geistigen Fähigkeiten sowie kulturellen oder sozioökonomischen Hintergründen. Kommunen, Vereine, Initiativen und Bildungseinrichtungen sind aufgerufen, mit einer Aktion am Weltspieltag 2023 teilzunehmen und darüber hinaus für eine grundsätzliche Verbesserung der Rahmenbedingungen insbesondere für die gesellschaftliche Inklusion von Kindern einzutreten. 15 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention ist dies aus Sicht des Deutschen Kinderhilfswerkes mehr als überfällig.

Kinder haben ein Recht auf gemeinsames Spiel

„Für Kinder ist gemeinsames Spielen die natürlichste Sache der Welt – und sie haben nach den Bestimmungen der UN-Kinderrechtskonvention auch ein Recht darauf. Inklusion zu gestalten, bedeutet für uns, Räume und Spielgelegenheiten zu schaffen, in denen die Teilhabe aller Kinder unabhängig von sozioökonomischen Hintergründen, Nationalität, Kultur, Alter, Geschlecht und persönlichen körperlichen und geistigen Fähigkeiten stattfindet. Wir müssen also auch beim Spielen die Voraussetzungen dafür schaffen, jedem Kind gerecht zu werden. Barrieren können räumlicher, sprachlicher, informativer und finanzieller Natur sein. Um inklusives Spiel zu ermöglichen, sollten Spielräume so gestaltet sein, dass sie auf vielfältige Art und Weise von möglichst allen Kindern entsprechend ihrer Fähigkeiten und Bedürfnisse erreicht und genutzt werden können. Insbesondere für Kinder mit körperlichen Beeinträchtigungen sind klassische Spielplätze häufig nicht oder nur sehr eingeschränkt nutzbar – hier bedarf es eines generellen Umdenkens in der Planung und deutlich mehr Investitionen als bisher, sowohl bei Neubau als auch im Bestand“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Teilhabe aller Betroffenen eingefordert

„Darüber hinaus dürfen ältere Kinder und Jugendliche bei der Planung von Spielräumen nicht länger ausgegrenzt werden – Kommunen müssen sich mehr Gedanken um jugendgerechte Aufenthaltsorte machen. Und auch die Konzentration vieler ärmerer Kinder in einem Stadtteil ist für die Kommunen eine Herausforderung und muss beachtet werden. Wichtig ist zudem, dass Kinder Aspekte ihrer Identität und die Vielfalt der Menschen im Spielzeug wiederfinden, wie zum Beispiel bei verschiedenen Hautfarbentönen zum Malen, Puppen mit Hilfsmitteln wie Brillen, Hör- und Gehhilfen oder der Darstellung von Personen, die nicht eindeutig dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zuzuordnen sind“, so Hofmann weiter.

16. Weltspieltag

Der Weltspieltag 2023 wird deutschlandweit zum 16. Mal ausgerichtet. Zum Weltspieltag sind Schulen und Kindergärten, öffentliche Einrichtungen, Vereine und Nachbarschaftsinitiativen aufgerufen, in ihrer Stadt oder Gemeinde eine beispielgebende oder öffentlichkeitswirksame Aktion durchzuführen – egal ob Spiel-, Beteiligungs- oder Protestaktion. Denn der Aktionstag dient ebenso der Lobbyarbeit für das Recht auf Spiel gemäß UN-Kinderrechtskonvention. Die Partner sind vor Ort für die Durchführung ihrer Aktion selbst verantwortlich. Das Deutsche Kinderhilfswerk stellt umfangreiche Aktionsmaterialien zum Bewerben des Weltspieltages zur Verfügung. Weitere Informationen unter www.weltspieltag.de.

Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk