Kinder mit Autismus: Ringen um Zugang und Teilhabe

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Lebenslagen und Bedürfnisse von Autistinnen und Autisten sichtbar machen

In Deutschland leben etwa 800.000 Autistinnen und Autisten. Viele von ihnen leben recht zurückgezogen und haben Schwierigkeiten, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. „Unsichtbarkeit führt zu Ausgrenzung. Sichtbarkeit schafft Akzeptanz und Normalität. Die Belange von Autistinnen und Autisten müssen sichtbar und akzeptiert sein, damit die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Familien verbessert wird.“, erklärt die Landesbehindertenbeauftragte von Baden-Württemberg, Simone Fischer. Dies gelte insbesondere für Kinder und Jugendliche in Kita und Schule sowie für Autistinnen und Autisten mit höherem Assistenzbedarf.

„Der Wissenszuwachs über Autismus und die besonderen Teilhabebedarfe ist enorm. Vielen betroffenen Kindern und jungen Menschen nutzt das aber noch zu wenig“, so Simone Fischer. Beispielsweise berichten Eltern, dass sie mit missbilligenden Blicken gestraft werden, wenn ihr autistisches Kind bestimmte Regeln nicht einhält, Kinder und Jugendliche werden missverstanden und ihnen werde unterstellt, etwas nicht zu wollen, obwohl sie es schlicht nicht könnten.

Zugang und Teilhabe in Kitas

An die Ombudsstelle der Beauftragten werden Probleme herangetragen, bei denen es um den Zugang und die Teilhabe in Kitas gehe. Es betreffe beispielsweise die drastische Reduzierung von Betreuungszeit, insbesondere bei Personalengpässen, in einem Fall auf bis zu zwei Stunden pro Woche, während Kinder ohne Beeinträchtigungen die Kita weiterhin besuchen oder höhere Betreuungszeiten nutzen konnten.

Die Umsetzung von Assistenzleistungen gestalte sich teilweise schwierig. Viele Kinder erhalten zwar dem Grundsatz nach Assistenz, zum Beispiel durch Inklusionskräfte, die Eltern sind hinsichtlich der Suche und Organisation aber häufig auf sich gestellt. Dies führe dazu, dass Kinder die Kita nicht oder nicht mehr besuchen dürfen, wenn sie keine Begleitung haben. Problematisch sei es auch, wenn bei Kindern die Diagnostik noch nicht abgeschlossen sei, der Bedarf noch nicht festgestellt wurde oder wenn sich die Zuständigkeiten zwischen SGB VIII und SGB IX aufreiben und die Kinder deshalb noch keine Eingliederungshilfe erhalten. Es liegen auch Eingaben zu Kündigungen vor.

Eltern kämpfen häufig für die Teilhabe ihrer Kinder

„Aus diesen Anfragen geht hervor, dass Eltern für die Teilhabe ihrer Kinder häufig sehr kämpfen müssen. Belastend kommt hinzu, wenn ihnen vermittelt wird, dass sie das Problem sind oder wenn Wartezeiten für Beratung, Diagnostik und Therapieangebote sehr lang sind.“ Fehlende Inklusionskräfte, Erzieherinnenwechsel, steigende Gruppengrößen und die damit verbundene Reizüberflutung bei den betroffenen Kindern, Personalmangel, Unklarheiten über Zuständigkeiten und die damit zusammenhängende familiäre Belastung würden den Alltag der Familien erschweren.

Die Beauftragte der Landesregierung Baden-Württemberg plädiert für eine gute Ausstattung der Kitas, um den Zugang der Kinder zu gewährleisten. Im Zentrum stehe die Stärkung der Erzieherinnen und Erzieher, der Eltern und Kinder. Dazu gehöre ein qualitativ-inklusiv ausgerichtetes Kita-Setting, die Bereitstellung von speziell strukturiertem Spiel- und Lernmaterial und Rückzugsmöglichkeiten, die Fort- und Weiterbildungen von Fachkräften für den Umgang mit neurodiversen Kindern sowie die Einstellung von pädagogischem Personal mit autismusspezifischer Zusatzqualifikation.

Kurze Wartezeiten für geeignete Beratungs- und Therapieplätze, eine gute Vernetzung zwischen Medizin und Kita, Beratung und Unterstützung durch Fachkräfte sowie die nachhaltige Unterstützung von Eltern und Angehörigen stellen Kriterien dar, die die Lebenssituation der Familien und die Voraussetzungen für alle Beteiligten verbessern.

Frühzeitiger Zugang zu Beratung, Diagnostik und Therapie ist wesentlich

In Freiburg tauschte sich die Landes-Behindertenbeauftragte auch mit dem Zentrum für Autismus-Kompetenz Südbaden (ZAKS) aus. Insgesamt betrügen Wartezeiten bei Beratung, Diagnostik und Therapien für Autistinnen und Autisten deutschlandweit ein Jahr und länger. Simone Fischer: „Es ist bedeutsam, dass Autistinnen und Autisten sowie ihre Familien früh die notwendige Unterstützung bekommen und auf Verständnis stoßen. Dies trägt dazu bei, dass sie weder in Kita, Schule, Ausbildung und Studium ausgegrenzt werden, im Berufsleben Fuß fassen und ihr Leben gestalten können. Eine frühzeitige Diagnose ermöglicht gezielte Fördermaßnahmen und kann gute Erfolge erzielen.“

Die von der Landesregierung geförderten Interdisziplinären Frühförderstellen (IFF) bieten einen niederschwelligen Zugang zur Frühförderung, um eine gezielte ganzheitliche Therapie und Förderung einzuleiten, Entwicklungsstörungen sowie drohenden oder bestehenden Behinderungen zu begegnen. Sie arbeiten unter anderem mit den Sozialpädiatrischen Zentren für Kinder und Jugendliche (SPZ) und den Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin zusammen. Und sie bieten eine zentrale und wichtige Anlaufstelle. Für das SPZ in der Nähe gibt es eine Kartensuche.

Informationen, Beratung und Unterstützung für Autistinnen und Autisten, Angehörige und Fachkräfte bietet der Bundesverband Autismus Deutschland e.V. Dort gibt es auch eine Kartensuche für regionale Angebote. 

Insolvenz der ZAKS gGmbH: Die betroffenen Land- und Stadtkreise wollen jetzige Angebote in welcher Form auch immer aufrechterhalten

Am 1. Juli 2024 hat das gemeinnützige Zentrum für Autismus-Kompetenz in Südbaden (ZAKS gGmbH) Insolvenz angemeldet. Davon betroffen sind 90 Beschäftigte in sechs südbadischen Land- und Stadtkreisen: Breisgau-Hochschwarzwald, Emmendingen, Freiburg, Lörrach, Ortenau und Waldshut. Bisher wurden im ZAKS 420 autistische Kinder und Jugendliche und knapp 30 Erwachsene behandelt.

Die sechs Kreise haben umgehend Verhandlungen aufgenommen, um die jetzigen Angebote der ZAKS in welcher Form auch immer aufrechterhalten zu können. Diese Verhandlungen laufen in alle Richtungen. Auf einem Termin der sechs Kreise mit rund 30 Leistungserbringern aus Südbaden gab es gestern großes Interesse, die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen gut zu versorgen und entsprechende Angebote auszuweiten oder neu zu schaffen. Dies gilt über alle beteiligten Kreise hinweg.

In wenigen Wochen werden sich die eingeleiteten Schritte konkretisieren. Die sechs Kreise werden erneut informieren, sobald konkrete Ergebnisse vorliegen. Miteinander wurde verabredet, bis dahin auf weitere Pressearbeit zu verzichten.

Quelle: Pressemitteilung Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg,
Pressemitteilung Stadt Freiburg im Breisgau




Mit Mut und Lust ins volle Leben

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Lawrence Schimel / Juan Camilo Mayorga: Glückspilz

In einer auf Stereotype ausgerichteten Gesellschaft gelingt es nur schwer, die Vielfalt der Realität zu verarbeiten, geschweige denn zu begrüßen. Schließlich ist das bevorzugte Schwarz-Weiß-Denken weniger anstrengend und kommt dem menschlichen Bedürfnis nach einfachen Erklärungen entgegen. Lawrence Schimel gehört zu jenen Autoren, die mit ihrem literarischen Werk einen wohltuenden Kontrapunkt zu dieser Geisteshaltung setzen. Der amerikanische Autor, der heute in Madrid lebt, verarbeitet seine vielfältigen Themen vorwiegend in seinen Science-Fiction- und Fantasy-Büchern.

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Mit „Glückspilz“ hat er nun eine Bilderbuchgeschichte verfasst, in deren Mittelpunkt der kleine Bruno steht, der einerseits das Zusammensein mit seinem Kumpel Deniz in vollen Zügen genießt. Die beiden verbringen viele Zeit miteinander und leben im Spiel ihre Fantasie aus. Andererseits fühlt er sich auch in der Gesellschaft seines Bruders Matteo wohl, den er bewundert. Dieser spielt Klavier, hat ein ausgezeichnetes Gedächtnis, lernt viel, kann tolle Geschichten erfinden und liebt es zu lesen, selbst wenn es finster ist. Denn Matteo ist blind und liest mit seinen Fingerspitzen Brailleschrift.

Dass Matteo blind ist, steht allerdings nicht im Buch. Dahinter muss der Leser schon selbst kommen. Schließlich stehen in der Geschichte die Lebensfreude und die tollen Fähigkeiten, die jeder unterschiedlich hat, im Vordergrund. So ist Bruno ein „Glückspilz“ weil er einen so tollen Freund und einen tollen Bruder hat. Matteo ist ebenfalls ein „Glückspilz“, weil er auch einen klasse Bruder und einen Hund hat, und zudem noch über viele beeindruckende Fähigkeiten verfügt. Und Deniz ist selbstverständlich auch ein „Glückspilz“. Er hat zwar keinen Bruder, aber mit Bruno einen echten Freund, mit dem er Pferde stehlen gehen kann, und viele schöne Spielsachen. So feiert Schimel in seinem Bilderbuch das Fest des Lebens, das auch durch die Einschränkung Matteos nicht getrübt wird.

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Illustriert hat die Geschichte der kolumbianische Künstler Juan Camilo Mayorga. Dieser ist Meister vieler Stile und Techniken. Für „Glückspilz“ hat er eine Mischtechnik aus Stift und Aquarell gewählt. Diese erinnert an den Stil von Jean-Jacques Sempé. Fast könnte der kleine Nick hier Pate für den kleinen Bruno gestanden haben. Mayorgas liebevolle Zeichnungen heben den fröhlichen Charakter der Geschichte hervor. Seine Akteure stahlen Herzlichkeit und Nähe aus. Es gibt auf jeder Seite viel zu entdecken.

Das Sahnehäubchen des Buches ist eine Doppelseite in Brailleschrift. Ein spannendes Erlebnis, auch diese ein wenig zu erkunden. Einziger Wehmutstropfen ist die Wahl der Schrift, da es doch einige Konzentration erfordert, das a vom ä zu unterscheiden. Das lenkt von der Geschichte ab und stört den Lesefluss.

„Glückspilz“ ist ein Buch, das Mut und Lust macht, dem Leben mit Neugier und Freude zu begegnen. Es fordert geradezu dazu auf, das Leben so zu nehmen, wie es ist, und selbst zu entscheiden, wie sich das Beste daraus machen lässt. Und nicht zuletzt ist es eine gute Medizin gegen das Schwarz-Weiß-Denken.

Gernot Körner

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Lawrence Schimel, Juan Camilo Mayorga
Glückspilz

aus dem Englischen von Maxime Pasker
38 Seiten, Hardcover, 22 x 22 cm
ab 3 Jahren
ISBN: 978-3-96843-056-0
19,95 €

Carl-Auer Verlag




Kinder brauchen ein Gegenüber, das zuhört und mit ihnen spricht

Die Leiterin der Kita Dietrich-Bonhoeffer in Bremen, Kirsten Vöge, im Interview zum Thema „Sprachförderung“

Die Kita Dietrich-Bonhoeffer liegt im Bremer Stadtteil Huchting. Ein „durchmischter“ Stadtteil am Stadtrand, in dem verschiedene soziale Milieus zusammenkommen. Die Kita begleitet mit Krippe und Kindergarten derzeit 128 Kinder. Gemeinsam mit einer Kollegin leitet Kirsten Vöge die Einrichtung. Da die Kita auch inklusiv ist, arbeitet hier mit insgesamt 53 Kolleginnen und Kollegen Fach- und Hilfskräfte unterschiedlicher Profession. Von den 128 Kindern haben 28 einen besonderen Förderbedarf.

Stärkere Untersützung für mehr Kinder

Auch in Huchting ist die Zahl der Kinder, die im Spracherwerb stärker unterstützt werden müssen, gestiegen. Die Kita ist auch deshalb eine Sprachkita. Zwei Fachkräfte kümmern sich speziell um diesen Bereich. Dass die Zahl der Kinder, die sprachliche Schwierigkeiten haben, auch in Huchting gewachsen ist, hat sich laut Kirsten Vöge in den Ergebnissen des sogenannten PRIMO-Tests gezeigt. Das ist ein Sprachtest, an dem alle Bremer Kinder ein Jahr vor der Einschulung teilnehmen. Waren es in den vergangenen Jahren immer zwischen 12 bis 15 von 40 Kindern die auffällig waren, zeigte sich im jüngsten Test, dass diesmal knapp 30 Kinder einen besonderen Förderbedarf hatten.

Auf der Suche nach den Ursachen

Daraufhin hätte das Team noch einmal genauer hingesehen, wie der Hintergrund der Betroffenen sei. Wie immer gebe es keine einfachen Antworten, so Vöge. Zunächst einmal betreffe das Kinder, die Deutsch nicht als Muttersprache sprechen würden und die relativ spät in die Kita kämen. Deren Anteil sei in den vergangenen Jahren gewachsen. Eine besondere Gruppe sind auch die Kinder aus der Ukraine, deren Familien vor der Frage stünden, ob es sich um eine Übergangssituation handelt oder ob sie sich auf das neue Land einlassen.

Sprache und Sprachfreude verstärken

Daneben wächst auch die Zahl der Kinder, die hierzulande geboren sind und dennoch einen erhöhten Sprachförderbedarf haben. Hier kann Kirsten Vöge nur Vermutungen anstellen. „Wir nehmen verstärkt zur Kenntnis, dass Kinder früh mit Medien Kontakt haben, also mit Medien, mit Smartphones, mit Tablets und dann natürlich gut beschäftigt sind“, sagt sie. Diese Kinder hätten kein Gegenüber, mit dem sie sprechen könnten, das ihnen Feedback gebe, das sie bestätige, in dem, was sie sagten. Und wenn niemand die Sprache und die Sprachfreude verstärke, dann sei das womöglich auch ein Hemmnis. Die Kinder müssten an das Kommunizieren herangeführt werden. Und da läge der Ball schon bei den Eltern, die auf ihr Kind eingehen sollten.

Zugang zu Büchern verstärken

Auch der Zugang zu Büchern sei ein großes Thema. Vöge fragt danach, ob sich jemand in den Familien mit einem ein Buch hinsetze und vorlese. „Ich müsste ja nicht mal die Geschichte vorlesen, die in diesem Buch steht, sondern einfach ins Gespräch kommen über Bilder, die wir gemeinsam betrachten.“

Um den Familien hier mehr Anregung zu geben, habe man nun eine Ausleihbücherei vor Ort. Neben dem Besuch in der Stadteilbücherei, könnten die Kinder nun auch hier wöchentlich Bücher ausleihen, um einfach überhaupt die Möglichkeit zu haben, zu Hause gemeinsam Bücher anzuschauen.

Sprache als Querschnittaufgabe

Viele Sachen, die in der Kita getan würden, sind lauf Vöge keine besonderen Sachen. Die Haltung in der Kita sei zunächst einmal, Sprache als Querschnittaufgabe zu sehen. Überall stecke Sprache drin und Sprache sei der Schlüssel zur Welt. Vieles stamme aus dem Bundesprojekt „Sprachkita“. Das sei das Fundament. „Wir nutzen jede Möglichkeit im Alltag, um ins Gespräch zu gehen oder dem Kind ein Feedback zu geben“. Dann gebe es eine feste Struktur. So etwa die festen Essenszeiten, zu denen jederzeit Tischgespräche geführt werden könnten. Die Kinder hätten immer eine relativ homogene Gruppe um sich, in der sie ihr Gegenüber kenne und vertrauen würden. So könnten sie sich jederzeit an einem Gespräch beteiligen. Vertrauen und Bindung seien nun mal die Grundlage, um lernen und sich einlassen zu können.

Brücken schaffen mit Metacom Karten

Bedingt durch den erhöhten Förderbedarf setze man auch Metacom Karten ein. Das seien Karten, die eine Situation in einem sehr leichten Bild oder einen Gegenstand zeigten, durch deren Nutzung Kinder die Möglichkeit haben, in einen Kontakt zu kommen. Das sei nun zunächst nicht sprachlich. Aber in jedem Fall habe das Kind die Möglichkeit, etwas auszudrücken. Zudem seien sprachbegleitende Gebärden von besonderer Bedeutung, die überall im Alltag eingesetzt würden. Kinder könnten diese Gebärden mit Worten, mit Lauten und Singen in Verbindung bringen. Damit könnte eine Brücke gebaut werden kann.
Das Wichtigste ist laut Vöge, dass sich jede Fachkraft jederzeit darüber bewusst ist, dass sie das Sprachvorbild für die Kinder darstellt. Zudem sollte jedem klar sein, was für eine Kompetenz oder sogar Macht er habe, Sprache anzuregen oder auch nicht, „durch mein eigenes Sprechen, durch meine Nutzung von gewissen Worten. Das sollten wir in jedem Moment, in dem wir im Kita-Alltag unterwegs sind, wissen.“

Kinder wirklich wahrnehmen

Eltern rät sie, mit ihren Kindern direkt im Kontakt zu sein, ihr Kind wirklich wahrzunehmen, zu hören, was es sagt, was es ausdrücken möchte und es darin zu unterstützen, indem sie natürlich immer positiv darauf reagieren und es verstärken. Das wäre die Grundvoraussetzung,

„Und dann würde ich sagen, das Handy mal in der Tasche lassen und Bücher oder Geschichten nutzen, um gemeinsame Welten auch zu erschaffen.“, ergänzt sie. Dabei gehe es nicht unbedingt darum, die Bücher zu lesen, sondern einfach nur gemeinsam anzuschauen. Gemeinsam Bilder anzusehen, etwas zusammen zu machen und das, was das Kind dort anbiete, zu verstärken, sei enorm wichtig nicht nur für den Spracherwerb.

Über gemeinsame Erlebnisse zur eigenen Familiensprache finden

Gemeinsame Erlebnisse würden Anregungen zu gemeinsamen Gesprächen schaffen, um Sprache in den Alltag zu integrieren. So entstünde eine Familiensprache, die das Fundament für jede weitere Sprache sei. Dabei sollten Eltern einfach die Sprache nutzen, in der sie selbst sicher seien. Denn mit dem Kind Deutsch zu sprechen, wenn man selbst unsicher in dieser Sprache sei, helfe der sprachlichen Entwicklung des Kindes nicht. „Wenn ich allerdings eine Sprache spreche, in der ich groß geworden bin, in der ich denke und träume, dann ist das eine gute Grundlage. Da kann man natürlich sehr schnell feststellen, spricht das Kind diese Sprache wirklich gut oder gibt es auch in der Familiensprache eigentlich Punkte, bei denen man denkt, oh, das könnten Hinweise auch auf eine verzögerte, eine Entwicklungsstörung sein und da gibt es Hilfebedarf.“ Und diese Hilfen stehen in der Kita in Huchting und in der Gemeinde zur Verfügung.

Gernot Körner




Inklusives Bildungssystem könnte aus der Krise helfen

Gemeinsame Resolution der Gemeinnützigen Gesellschaft Gesamtschule und des Grundschulverbands

Das deutsche Bildungssystem befindet sich in einer Krise, vielleicht der größten seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Zu den Symptomen dieser Krise gehören unter anderem die nach wie vor eklatante Bildungsungerechtigkeit sowie die mangelhafte Ausrichtung auf eine zukunftsorientierte Bildung. Die Realisierung eines inklusiven Bildungssystems, zu der sich die Bundesrepublik Deutschland durch Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet hat, ist noch lange nicht erreicht. Damit werden die Rechte jedes Kindes und Jugendlichen auf bestmögliche Bildung gravierend verletzt.

Das föderale System wird den Herausforderungen immer weniger gerecht. Konsequent ist daher, dass die Regierungsparteien auf der Bundesebene bildungspolitische Schwerpunkte gesetzt haben.

Im Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen“ der Ampelregierung findet sich unter Punkt V. Chancen für Kinder, starke Familien und beste Bildung ein Leben lang „Wir wollen allen Menschen unabhängig von ihrer Herkunft beste Bildungschancen bieten, Teilhabe und Aufstieg ermöglichen und durch inklusive Bildung sichern.“

Das Startchancenprogramm soll Kindern und Jugendlichen – unabhängig von der sozialen Lage der Familien – bessere Bildungschancen ermöglichen. Mehr als 4.000 allgemein- und berufsbildende Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler sollen dabei Unterstützung finden in den Bereichen:

  • Schulbau, durch ein Investitionsprogramm für moderne, klimagerechte, barrierefreie Schulen mit einer zeitgemäßen Lernumgebung und Kreativlaboren,
  • Weiterentwicklung der Schulen, des Unterrichts und der Lernangebote, durch ein Chancenbudget zur freien Verfügung, um Schule, Unterricht und Lernangebote weiterzuentwickeln und außerschulische Kooperationen zu fördern,
  • Schulsozialarbeit, mit der dauerhaften Bereitstellung zusätzlicher Stellen.

Inzwischen hat die Bundesregierung in ihrem Haushaltsentwurf für das Jahr 2024 für das Startchancenprogramm im Einzelplan 60 einen eigenen Titel mit einem Ansatz von 500 Mio. Euro eingestellt. Ab 2025 sind 1 Mrd. Euro pro Jahr für das Programm vorgesehen.

Jetzt geht es darum, das Programm zu einem guten Ergebnis zu führen.

Die GGG und der GSV haben sich dazu folgendermaßen positioniert:

Resolution: Das Startchancen-Programm muss zu mehr Bildungsgerechtigkeit führen und einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung eines inklusiven Schulsystems leisten

1.         Die Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule (GGG) und der Grundschulverband (GSV) begrüßen uneingeschränkt, dass die Ampelkoalition Kindern und Jugendlichen unabhängig von der sozialen Lage ihrer Familien durch inklusive Bildung bessere Bildungschancen zur Behebung der herkunftsbedingten Bildungsbenachteiligung ermöglichen will und dazu ein Startchancen- Programm auflegt. Mit dem Programm soll auch eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit des deutschen Schulsystems erreicht werden. Für die Umsetzung des Programms ist die Kooperation von Bund, Ländern und Kommunen notwendig.

2.         Die Verbände halten die begleitenden öffentlichen Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern über Finanzierung und Ausgestaltung des Programms für kontraproduktiv. Das Versprechen, die Zivilgesellschaft und auch die Schulen mit in den Entwicklungsprozess des Programms einzubeziehen, muss schnellstens eingelöst werden.

3.         Es besteht weitgehend Übereinstimmung darin, dass der Erfolg des Programms evaluiert werden muss. Vorhandene erfolgreiche Formen und Erfahrungen wissenschaftlicher Begleitung, z.B. aus der Berliner Gemeinschaftsschul-Pilotphase, verzahnt mit Fortbildung und Evaluation sind zu nutzen. GGG und GSV schlagen vor, im Rahmen der Evaluation folgende Zielsetzungen zugrunde zu legen:

  • eine Verbesserung des Wohlbefindens der Schüler:innen,
  • eine Steigerung der Anzahl der Schüler:innen, die die Schule mit Schulabschluss verlassen,
  • eine Steigerung der Anzahl der Schüler:innen, die die Mindeststandards in den einschlägigen Vergleichstests (IQB-Bildungsstudie, PISA etc.) erreichen,
  • eine deutliche Entkoppelung von Herkunft und Bildungserfolg,
  • eine Weiterentwicklung des selektiven Schulsystems in Richtung eines inklusiven Schulsystems, messbar an einer verbesserten Versorgung in Bezug auf Ausstattung und Personal für inklusive Bildung sowie einer erhöhten Anzahl von Schulen des gemeinsamen Lernens.

4.         Das Startchancen-Programm ist ein zentrales bildungspolitisches Vorhaben der Bundesregierung für diese Legislaturperiode. Die Umsetzung soll mit Beginn des Schuljahres 2024/25 erfolgen. Wesentliche Mittel an die Schulen werden erst 2025 fließen. Das ist viel zu spät. Deshalb fordern die Verbände die Bereitstellung eines Sofortprogramms von 1 Mrd. Euro bereits für das Schuljahr 2023/24. Es ist nicht in Kauf zu nehmen, dass weitere Schüler:innenjahrgänge zurückgelassen werden. Ein Zusammenstreichen der vorgesehenen Mittel und ggf. ein Verzicht auf das Programm insgesamt wäre unverantwortlich. Ausgaben für den Bildungsbereich müssen höchste Priorität haben.

5.         GGG und GSV fordern, dass die gesamten Mittel für alle drei Bereiche nach Sozialindex und nicht nach Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer verteilt werden, so wie es im Eckpunkteentwurf des BMBF vorgeschlagen wird. Die Auswahl der Schulen muss sich am Bedarf orientieren, an einem schüler:innenscharfen Sozialindex. Von den Ländern fordern wir, dass sie zusätzlich zu den Bundesmitteln einen gleich hohen Beitrag für das Programm beisteuern.

6.         Die Verbände fordern, den Schulen als wesentlichen Akteuren bei der Umsetzung des Programms weitgehende Spielräume zur Ausgestaltung des Programms und zur Verwendung der Mittel zu ermöglichen. Dabei sollen die Schulen wissenschaftlich, administrativ und unterstützend begleitet werden. Außerdem ist eine regionale Vernetzung der am Programm beteiligten Schulen zu ermöglichen.

7.         Auf der individuellen Ebene der Schüler:innen soll das Startchancenprogramm die sozial- emotionalen Kompetenzen fördern, persönlichkeitsbildend wirken und den Schüler:innen ermöglichen, die nötigen Zukunftskompetenzen zu entwickeln. Deshalb fordern GGG und GSV, dass das Startchancen-Programm nicht allein auf Basiskompetenzen in den Fächern Deutsch und Mathematik fokussiert, sondern mit einem emanzipatorischen, basisdemokratischen, teilhabenden und entgrenzenden Anspruch versehen wird. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie mit psychosozialen Nachwirkungen bei Schülerinnen und Schülern ist dies besonders wichtig.

8.         Für die schulstrukturelle Ebene fordern die Verbände:
Im Grundschulbereich ist mit dem Startchancenprogramm das Sprengelprinzip in allen Bundesländern wieder einzuführen.
Alle in das Startchancen-Programm einbezogenen Schulen bringen ihre Schulentwicklung mit dem Ziel einer inklusiven Schule voran.
Geförderten allgemeinbildenden Schulen ist die Entwicklung zu einer integrierten Langformschule (Schule von 1 – 10 bzw. 13) zu ermöglichen.
Geförderten Gesamtschulen ohne Oberstufe ist zu ermöglichen, eine Oberstufe aufzubauen.

Insgesamt sind die Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule und der Grundschulverband der Überzeugung, dass allein die Möglichkeiten des Startchancen-Programms nicht ausreichen werden, unser Bildungssystem gerecht, inklusiv und zukunftsfähig zu gestalten. Dazu bedarf es weiterer Anstrengungen und einer gesamtgesellschaftlichen Übereinkunft. Frühkindliche Bildung ist im Programm nicht vorgesehen. Die Strukturfrage wird nicht angegangen. Diese Mängel sind zu beheben. Der von der Koalition vereinbarte „Bildungsgipfel“, „auf dem sich Bund, Länder, Kommunen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft über neue Formen der Zusammenarbeit und gemeinsame ambitionierte Bildungsziele verständigen“ (zitiert aus dem Koalitionsvertrag), muss umgehend einberufen werden und zielorientiert arbeiten.

Quelle: Pressemitteilung Grundschulverband e.V.




Die Bildungsungerechtigkeit beenden und zukunftsorientierte Bildung endlich beginnen!

Gemeinsame Resolution des Grundschulverbandes und des Gesamtschulverbandes

Das deutsche Bildungssystem befindet sich in einer Krise, vielleicht der größten seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Zu den Symptomen dieser Krise gehören u.a. die nach wie vor eklatante Bildungsungerechtigkeit sowie die mangelhafte Ausrichtung auf eine zukunftsorientierte Bildung. Die Realisierung eines inklusiven Bildungssystems, zu der sich die Bundesrepublik Deutschland durch Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet hat, ist noch lange nicht erreicht. Damit werden die Rechte jedes Kindes und Jugendlichen auf bestmögliche Bildung gravierend verletzt.

Das föderale System wird den Herausforderungen immer weniger gerecht. Konsequent ist daher, dass die Regierungsparteien auf der Bundesebene bildungspolitische Schwerpunkte gesetzt haben.

Im Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen“ der Ampelregierung findet sich unter Punkt V. Chancen für Kinder, starke Familien und beste Bildung ein Leben lang „Wir wollen allen Menschen unabhängig von ihrer Herkunft beste Bildungschancen bieten, Teilhabe und Aufstieg ermöglichen und durch inklusive Bildung sichern.“ 

Das Startchancenprogramm soll Kindern und Jugendlichen – unabhängig von der sozialen Lage der Familien – bessere Bildungschancen ermöglichen. Mehr als 4.000 allgemein- und berufsbildende Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler sollen dabei Unterstützung finden in den Bereichen:

  • Schulbau, durch ein Investitionsprogramm für moderne, klimagerechte, barrierefreie Schulen mit einer zeitgemäßen Lernumgebung und Kreativlaboren,
  • Weiterentwicklung der Schulen, des Unterrichts und der Lernangebote, durch ein Chancenbudget zur freien Verfügung, um Schule, Unterricht und Lernangebote weiterzuentwickeln und außerschulische Kooperationen zu fördern,
  • Schulsozialarbeit, mit der dauerhaften Bereitstellung zusätzlicher Stellen.

Die GGG und der GSV haben sich dazu folgendermaßen positioniert:

Resolution
Das Startchancen-Programm muss zu mehr Bildungsgerechtigkeit führen
und einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung eines inklusiven Schulsystems leisten

1. Die Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule (GGG) und der Grundschulverband (GSV) begrüßen uneingeschränkt, dass die Ampelkoalition Kindern und Jugendlichen unabhängig von der sozialen Lage ihrer Familien durch inklusive Bildung bessere Bildungschancen zur Behebung der herkunftsbedingten Bildungsbenachteiligung ermöglichen will und dazu ein Startchancen-Programm auflegt. Mit dem Programm soll auch eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit des deutschen Schulsystems erreicht werden. Für die Umsetzung des Programms ist die Kooperation von Bund, Ländern und Kommunen notwendig.

2. Die Verbände halten die begleitenden öffentlichen Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern über Finanzierung und Ausgestaltung des Programms für kontraproduktiv. Das Versprechen, die Zivilgesellschaft und auch die Schulen mit in den Entwicklungsprozess des Programms einzubeziehen, muss schnellstens eingelöst werden.

3. Weitgehend Übereinstimmung besteht darin, dass der Erfolg des Programms evaluiert werden soll. GGG und GSV schlagen vor, im Rahmen der Evaluation folgende Zielsetzungen zugrunde zu legen:

  • eine Verbesserung des Wohlbefindens der Schüler:innen,
  • eine Steigerung der Anzahl der Schüler:innen, die die Schule mit Schulabschluss verlassen,
  • eine Steigerung der Anzahl der Schüler:innen, die die Mindeststandards in den einschlägigen Vergleichstests (IQB-Bildungsstudie, PISA, etc.) erreichen,
  • eine deutliche Entkoppelung von Herkunft und Bildungserfolg,
  • eine Weiterentwicklung des selektiven Sculsystems in Richtung eines inklusiven Schulsystems, messbar an einer verbesserten Versorgung in Bezug auf Ausstattung und Personal für inklusive Bildung sowie einer erhöhten Anzahl von Schulen des gemeinsamen Lernens.

4. Das Startchancen-Programm ist ein zentrales bildungspolitisches Vorhaben der Bundesregierung ür diese Legislaturperiode. Die Umsetzung soll mit Beginn des Schuljahres 2024/25 erfolgen. Wesentliche Mittel an die Schulen werden erst 2025 fließen. Das ist viel zu spät. Deshalb fordern die Verbände die Bereitstellung eines Sofortprogramms von 1 Mrd. Euro bereits für das Schuljahr 2023/24. Es ist nicht in Kauf zu nehmen, dass weitere Schüler:innenjahrgänge zurückgelassen werden.

5. GGG und GSV fordern, dass die gesamten Mittel für alle drei Bereiche nach Sozialindex und nicht nach Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer verteilt werden, so wie es im Eckpunkteentwurf des BMBF vorgeschlagen wird.

6. Die Verbände fordern, den Schulen als wesentlichen Akteuren bei der Umsetzung des Programms weitgehende Spielräume zur Ausgestaltung des Programms und zur Verwendung der Mittel zu ermöglichen. Dabei sollen die Schulen wissenschaftlich, administrativ und unterstützend begleitet werden.

7. Auf der individuellen Ebene der Schüler:innen soll das Startchancenprogramm die sozial-emotionalen Kompetenzen fördern, persönlichkeitsbildend wirken und den Schüler:innen ermöglichen, die nötigen Zukunftskompetenzen zu entwickeln. Deshalb fordern GGG und GSV, dass das Startchancen-Programm nicht allein auf Basiskompetenzen in den Fächern Deutsch und Mathematik fokussiert, sondern mit einem emanzipatorischen, basisdemokratischen, teilhabenden und entgrenzenden Anspruch versehen wird.

8. Für die schulstrukturelle Ebene fordern die Verbände:

  • Im Grundschulbereich ist mit dem Startchancenprogramm das Sprengelprinzip in allen Bundesländern wieder einzuführen.
  • Alle in das Startchancen-Programm einbezogenen Schulen bringen ihre Schulentwicklung mit dem Ziel einer inklusiven Schule voran.
  • Geförderten allgemeinbildenden Schulen ist die Entwicklung zu einer Langformschule (Schule von 1 – 10 bzw. 13) zu ermöglichen.
  • Geförderten Gesamtschulen ohne Oberstufe ist zu ermöglichen, eine Oberstufe aufzubauen.

Insgesamt sind die Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule und der Grundschulverband der Überzeugung, dass allein die Möglichkeiten des Startchancen-Programms nicht ausreichen werden, unser Bildungssystem gerecht, inklusiv und zukunftsfähig zu gestalten. Dazu bedarf es weiterer Anstrengungen und einer gesamtgesellschaftlichen Übereinkunft. Frühkindliche Bildung ist im Programm nicht vorgesehen. Die Strukturfrage wird nicht angegangen. Diese Mängel sind zu beheben. Der von der Koalition vereinbarte „Bildungsgipfel“, „auf dem sich Bund, Länder, Kommunen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft über neue Formen der Zusammenarbeit und gemeinsame ambitionierte Bildungsziele verständigen“ (zitiert aus dem Koalitionsvertrag), muss umgehend einberufen werden und zielorientiert arbeiten.

Quelle: Pressemitteilung GSV




Weltspieltag 2023: Auch Spielplätze müssen inklusiver werden

weltspieltag

Schluss mit der Einfalt – Es lebe die Vielfalt

Der Weltspieltag steht in diesem Jahr unter dem Motto „Schluss mit der Einfalt – Es lebe die Vielfalt!“. Damit will das Deutsche Kinderhilfswerk (DKHW) gemeinsam mit seinen Partnern im „Bündnis Recht auf Spiel“ und in Zusammenarbeit mit der Aktion Mensch auf die besondere Wichtigkeit inklusiver Spielräume aufmerksam machen.

Forderung: mindestens eine inklusive Spielmöglichkeit bei jedem Spielplatz

Das DKHW fordert zum Weltspieltag am Sonntag eine gesetzliche Verpflichtung für Städte und Gemeinden, bei jedem Spielplatzneubau oder bei einer umfassenden Spielplatzsanierung mindestens eine inklusive Spielmöglichkeit zu schaffen. Damit soll allen Kindern entsprechend ihrer individuellen Fähigkeiten eine gemeinschaftliche Nutzung des Spielraums ermöglicht werden. Zudem müssen aus Sicht der Kinderrechtsorganisation Spielplätze künftig so gestaltet sein, dass sie für alle Kinder und deren Begleitpersonen problemlos zugänglich und erlebbar sind. Auch bei der Planung und Gestaltung von Schulhöfen sowie Aktionsflächen für Jugendliche wie Skateanlagen oder Streetballflächen sollten die Aspekte des inklusiven Spielens stärker als bisher berücksichtigt werden, um die in Deutschland gültige UN-Behindertenrechtskonvention zu verwirklichen.

Inklusion gestalten bedeutet Spielräume inklusiv zu gestaltet

„Inklusion zu gestalten bedeutet für uns grundsätzlich, Räume und Spielgelegenheiten zu schaffen, in denen die Teilhabe aller Kinder unabhängig von sozioökonomischer Herkunft, Nationalität, Kultur, Alter, Geschlecht oder individuellen körperlichen und geistigen Fähigkeiten möglich ist. Um inklusives Spiel zu ermöglichen, sollten Spielräume so gestaltet sein, dass sie auf vielfältige Art und Weise von möglichst allen Kindern entsprechend ihrer Fähigkeiten und Bedürfnisse erreicht und genutzt werden können. Auch die Konzentration vieler ärmerer Kinder in einem Stadtteil ist für die Kommunen eine Herausforderung und muss beachtet werden“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Aktuelle Studie der Aktion Mensch zeigt erheblichen Mangel an inklusiven Spielplätzen in Deutschland

80 Prozent der Spielplätze schließen Kinder mit Behinderung aus

Strukturelle Diskriminierung macht auch vor Kindern mit Behinderung nicht Halt. Lediglich jeder fünfte Spielplatz ist zumindest teilweise barrierefrei oder verfügt über inklusive Spielgeräte, die das Recht auf Spiel und Teilhabe auch für Kinder mit Behinderung umsetzen. Im regionalen Vergleich zeigt sich, dass der größte Nachholbedarf dabei in Brandenburg sowie Schleswig-Holstein besteht. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Aktion Mensch zum Weltspieltag. Diese ist in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut für Inklusion durch Bewegung und Sport (FIBS) entstanden.

Gesellschaftliche Ausgrenzung statt Inklusion von Anfang an

Fast 80 Prozent der Spielplätze in Deutschland weisen keine Merkmale auf, die ein gemeinsames Spielen von Kindern mit und ohne Behinderung erlauben. Besonders dramatisch äußert sich die Situation bei der Beschaffenheit der Böden. Gerade einmal ein Prozent der Spielplätze verfügt über befahrbare Zuwege, die zu allen Geräten führen. Und sogar weniger als ein Prozent über Leitsysteme oder andere taktile Hilfen. Statt barrierefreien Flächen aus stoßdämpfendem Gummi oder Korkmischungen weit verbreitet: Sand, Kies oder Hackschnitzel. Für Kinder mit einer Mobilitätseinschränkung oder Sehbehinderung scheitert das Spielen folglich spätestens am Erreichen der Spielgeräte. Sie tragen die unmittelbaren Konsequenzen, wie etwa der achtjährige Metin, der einen Rollstuhl nutzt: „Ich kann nicht zu Geburtstagen, wenn es auf den Spielplatz geht.“

Ein Blick über den Atlantik zeigt: Es geht auch anders

Mit den bestehenden DIN-Normen existieren hierzulande bereits Richtlinien, die den Bau von inklusiven und barrierefreien Spielplätzen unterstützen. Ihre Anwendung ist jedoch freiwillig. „Ohne ein Gesetz zur verpflichtenden Umsetzung haben die derzeitigen Rahmenbedingungen keine Durchschlagkraft“, kommentiert Christina Marx, Sprecherin der Aktion Mensch. „Auch beim Spielplatzbau müssen Menschen mit Behinderung von den ersten Planungsschritten an mitgedacht werden, um einer Diskriminierung bereits im Kindesalter entgegenzuwirken.“ Als Vorbild können die USA dienen. Dort müssen qua Gesetz alle seit 2012 errichteten Spielplätze barrierefrei ausgestaltet sein. Neben dem Zugang umfasst dies auch die Gestaltung der Geräte. Diese adressieren etwa durch Rampen oder verschiedene Griffhöhen und -stärken Kinder mit und ohne Behinderung gleichermaßen.

Inklusive Spielplätze als #OrteFürAlle

Als Orte der Begegnung haben inklusive Spielplätze eine Strahlkraft weit über die Kinder hinaus. Nicht nur sie und ihre Begleitpersonen profitieren von einem gleichberechtigten Miteinander, sondern letztlich die gesamte Gesellschaft. Gleichzeitig erhöhen sie, wie die Studie zeigt, die Qualität des Spiels sowie die Attraktivität des Standortes. Dort wo inklusive Spielplätze bereits existieren, werden sie gut angenommen. Ihr Angebot ist jedoch zu gering. Unter www.aktion-mensch.de/spielplatzstudie finden Sie die vollständige Studie

Studie der Aktion Mensch zeigt den Handlungsdruck auf

„Die Studie der Aktion Mensch zur Inklusion auf Spielplätzen in Deutschland hat den enormen Handlungsdruck in diesem Bereich noch einmal ganz deutlich vor Augen geführt. Wir brauchen dringend mehr Teilhabe von Kindern mit Behinderungen auf öffentlichen Spielplätzen. So scheitern vor allem Kinder mit Mobilitätseinschränkung oder Sehbehinderung häufig bereits beim Zugang zum Spielplatz. Spätestens aber bei der Zugänglichkeit der Geräte werden sie vom gemeinsamen Spiel ausgeschlossen. Hier braucht es ein generelles Umdenken in der Planung sowohl bei Neubau als auch bei Sanierungen im Bestand. Und letztlich ist auch der Gesetzgeber gefragt, wenn Appelle an Städte und Gemeinden hier nicht fruchten“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

Der Weltspieltag 2023

Der Weltspieltag 2023 Er wird deutschlandweit zum 16. Mal ausgerichtet. Zum Weltspieltag sind Schulen und Kindergärten, öffentliche Einrichtungen, Vereine und Nachbarschaftsinitiativen aufgerufen, in ihrer Stadt oder Gemeinde eine beispielgebende oder öffentlichkeitswirksame Aktion durchzuführen – egal ob Spiel-, Beteiligungs- oder Protestaktion.  Das Deutsche Kinderhilfswerk stellt umfangreiche Aktionsmaterialien zum Bewerben des Weltspieltages zur Verfügung.

Weitere Informationen unter www.weltspieltag.de.

Quelle: Pressemitteilungen Aktion Mensch e.V. und Deutsche Kinderhilfswerk




Inklusion: kaum Engagement seitens der Politik

Bildungsgewerkschaft GEW zum Europäischen Protesttag zur Gleichstellung der Menschen mit Behinderung

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) mahnt den Bund, mehr Verantwortung für die Inklusion in der Bildung zu übernehmen. „Statt immer nur auf die Verantwortung der Bundesländer zu verweisen und diesen Flickenteppich zu dulden, schlagen wir vor, eine Enquete-Kommission des Bundestags einzurichten. Diese soll Ziele und Wege für eine menschenrechtskonforme Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) erarbeiten“, sagte Anja Bensinger-Stolze, GEW-Vorstandsmitglied Schule, mit Blick auf den heutigen Europäischen Protesttag zur Gleichstellung der Menschen mit Behinderung. „Die schulische Inklusion ist ins Stocken geraten, in einigen Bundesländern sogar rückläufig. 14 Jahre nach der Ratifizierung der UN-BRK durch die Bundesregierung kann man das nur als skandalös bezeichnen.“

Mangel an Zielsetzungen, Maßnahmen, politischer Steuerung, politischem Willen, konkreten Erkenntnissen und Ressourcen

„Wir brauchen einen Pakt für Inklusion!“ appellierte Bensinger-Stolze an die Politik. Sie griff damit einen Vorschlag des Deutschen Instituts für Menschenrechte von Ende 2022 auf. In seinem jüngsten Menschenrechtsbericht zu Deutschland hatte das Institut eine länderübergreifende Gesamtstrategie angemahnt und entsprechende Grundgesetzänderungen sowie einen Bildungsstaatsvertrag zwischen Bund und Ländern gefordert. „Es mangelt an Zielsetzungen, überprüfbaren Maßnahmen, politischer Steuerung, politischem Willen, konkreten Erkenntnissen und vor allem an Ressourcen für Inklusion. Das muss ein Ende haben, wenn wir uns international nicht weiterhin blamieren wollen“, betonte das GEW-Vorstandsmitglied.

Deutschland verstößt gegen Artikel 24 der UN-Konvention

„Deutschland verstößt als Vertragsstaat gegen Artikel 24 der UN-Konvention, mit dem sich die Staaten auf ein Monitoring und eine entsprechende Datenerhebung verpflichtet haben. Aber auch insgesamt kommt eine Reihe von Bundesländern der völkerrechtlichen Verpflichtung, das Schulwesen inklusiver zu gestalten, nicht oder nur unzureichend nach. Dabei gibt es positive Beispiele wie die Stadtstaaten oder Schleswig-Holstein, die zeigen, in welche Richtung es gehen kann – auch wenn es selbst hier noch Luft nach oben gibt“, unterstrich Bensinger-Stolze. Die Exklusionsquote, also der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die weiterhin auf Sonderschulen gehen müssen, sei im Bundesdurchschnitt kaum gesunken, in manchen steige er sogar. Auch das Elternwahlrecht der Schulform für die Kinder führe nicht dazu, Inklusion zu fördern, sondern zementiere das Sonderschulwesen eher. „Ein echtes Wahlrecht setzt die gleichwertige Ausstattung von allgemeiner Schule und Sonderschule voraus. Gleichwertige Lebensverhältnisse und Bildungschancen zu erreichen, setzt bundesweite Kriterien und eine Gesamtstrategie voraus“, sagte Bensinger-Stolze.

Das allgemeine Schulsystem muss transformiert werden

„Die Zahl der Sonderschulen zu reduzieren, ist das eine. Andererseits muss aber auch das allgemeine Schulsystem so transformiert werden, dass sich inklusive Bildung barrierefrei und diskriminierungsfrei entwickeln kann. Denn eins ist klar: Das gegliederte Schulsystem mit der frühen Selektion der Kinder auf verschiedenwertige Schulformen ist eine der hartnäckigsten Barrieren für die Inklusion“, hob die Gewerkschafterin hervor. Alle Schulen müssten sich zu Lernorten weiterentwickeln, in denen alle Kinder und Jugendlichen in ihrer Unterschiedlichkeit willkommen sind und individuell gefördert werden. Positive bundespolitische Akzente wie das Startchancenprogramm der Bundesregierung für benachteiligte Schulen müssten konzeptionell und steuerungspolitisch viel stärker mit diesen Dimensionen der Schulentwicklung verknüpft werden, um nicht als „sozialer Notnagel“ zu enden.

Quelle: Pressemitteilung GEW




Schulbox „Nummer gegen Kummer“ für junge Leute mit Behinderung

Jetzt von Lehrkräften an Förderschulen und Schulen des Gemeinsamen Lernens bestellbar

Die Beratungsangebote von „Nummer gegen Kummer“ bieten hilfesuchenden Kindern und Jugendlichen Unterstützung in allen Lebenslagen. Um die Angebote auch bei jungen Menschen mit Beeinträchtigungen, wie zum Beispiel Blindheit oder Sehbehinderungen, bekannter zu machen und ihnen zu vermitteln, dass es gut ist, sich bei Sorgen und Problemen Hilfe zu suchen, hat Nummer gegen Kummer e.V. zusammen mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen sowie Verbänden, Kompetenzzentren und Selbsthilfevereinigungen für blinde und sehbehinderte Menschen die Materialien der aktuellen Schulbox weiterentwickelt.

Neben Infokarten und Flyern zu den Beratungsangeboten sind in jeder Box auch Stickerbögen und Armbänder mit Blindenschrift enthalten. Das beiliegende Kartenset mit Sorgenbeispielen ist Teil einer Unterrichtskonzeption zum Thema „Sorgen und Probleme“. Unter http://www.nummergegenkummer.de/materialien stehen die dazugehörige Handreichung mit zwei Unterrichtseinheiten sowie Arbeitsblätter für Lehrkräfte an Förderschulen und Schulen des Gemeinsamen Lernens zum kostenlosen Download zur Verfügung. Hier findet sich auch das Bestellformular für (Nach-)Bestellungen.

Die Schulbox wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.