Bundesweit fehlen über 300.000 Krippenplätze

Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft findet jedes siebte Kind unter drei Jahren findet keinen Kitaplatz

Seit mehr als zehn Jahren gibt es für Kinder ab dem ersten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Doch noch immer gelingt es der Politik nicht, die Vorgabe zu erfüllen: Im Frühjahr 2024 gab es bundesweit für 306.000 Kinder unter drei Jahren mit einem Betreuungsbedarf keinen Platz. Das zeigen IW-Berechnungen auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamts und des Familienministeriums.

Versorgungslage im Osten am besten

Besonders schlecht ist die Lage in Westdeutschland: In Bremen gibt es für beinahe jedes vierte Kind (23,9 Prozent) keinen Platz, in Nordrhein-Westfalen ist der Anteil auf 18,6 Prozent der unter Dreijährigen gestiegen. Anders im Osten, dort gibt es nur für 7,6 Prozent der Kinder keinen Betreuungsplatz. Beim Spitzenreiter Mecklenburg-Vorpommern sind es sogar nur 3,9 Prozent. Allerdings ist die Lage dort eine andere: Gegenüber dem Jahr 2016 sind die Geburten in den neuen Bundesländern um 25 Prozent zurückgegangen (Westen: 9,6 Prozent). In den kommenden Jahren könnte es deshalb dort sogar ein Überangebot geben.

Bedarf im Westen bleibt hoch

„Im Osten muss die Politik schon heute darüber nachdenken, das Betreuungsangebot zu reduzieren“, sagt IW-Bildungsexperte Wido Geis-Thöne. Im Westen dürfte der Bedarf hingegen auf absehbare Zeit hoch bleiben, die dortigen Länder und Kommunen müssen den Ausbau deutlich forcieren. „Der Mangel an Kitaplätzen ist ein politisches Armutszeugnis. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist immer noch in weiten Teilen der Bundesrepublik stark eingeschränkt“.

Wido Geis-Thöne (IW)




Elternbeiträge: Wo Kitas am teuersten sind

Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft offenbart enorme Differenzen bei den Gebühren

Je jünger, desto teurer: Besonders für Kinder unter drei Jahren ist die Kita-Betreuung teuer, zeigen neue IW-Auswertungen. Die höchsten Gebühren erheben Bergisch Gladbach und Mülheim an der Ruhr für die Betreuung von einjährigen Kindern. In Mülheim an der Ruhr zahlen Gutverdiener für eine wöchentliche Betreuungszeit von 45 Stunden 1009 Euro, Bergisch Gladbach berechnet für 45 Stunden pro Woche einen Beitrag von 1.220 Euro. Doch auch für Menschen mit mittleren Einkommen kann die Kita zur finanziellen Belastung werden. Besonders teuer ist es für sie in Mannheim: Dort werden für eine tägliche, achtstündige Betreuung bei einem Brutto-Einkommen von 50.000 Euro monatlich 399 Euro fällig. Hinzu kommen Kosten für die Verpflegung und weitere Leistungen.

Gebühren von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich

Ob und wie viel Eltern zahlen müssen, hängt vor allem vom Wohnort, dem Alter, der Anzahl der Kinder, dem Betreuungsumfang sowie dem Einkommen ab. Die Kriterien unterscheiden sich jedoch nicht nur von Bundesland zu Bundesland, sondern auch zwischen den Kommunen: So gibt es in den hessischen Großstädten keine Staffelung des Einkommens, in Reutlingen keine Differenzierung nach Alter, dafür unterscheiden einige Städte in Niedersachsen auch noch nach Art der Betreuungseinrichtung.

„Im Sinne einer Chancengleichheit wäre der Besuch von Kitas idealerweise bundesweit einheitlich geregelt und für alle Kinder in den letzten Jahren vor der Einschulung kostenlos. Dies ist aufgrund der aktuellen Haushaltslage der Länder und Kommunen aber nicht überall umsetzbar, da die Kostenfreiheit nicht zulasten der Qualität der Betreuung gehen darf“, erklärt Dr. Wido Geis-Thöne, Ökonom am Institut der deutschen Wirtschaft (IW). „Hohe Beiträge müssen aber vermieden werden, da sie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erschweren.“ Familienpolitische Maßnahmen sind schließlich eine Investition in die Zukunft – nur mit funktionierender Betreuung können Eltern früh wieder arbeiten gehen und nur mit guter Betreuung werden Kinder optimal gefördert.

82 Großstädte im Vergleich

Methodik: Die Berechnung der Kitagebühren ist komplex und variiert von Bundesland zu Bundesland. Die Vielfalt dieser unterschiedlichen Ansätze erschwert einen Vergleich der Betreuungskosten für Familien mit mehreren Kindern. Aus diesem Grund konzentrieren sich die Auswertungen ausschließlich auf Familienkonstellationen mit nur einem Kind. Insgesamt wurden Gebührenverordnungen von 82 Großstädten mit derzeit über 100.000 Einwohnern berücksichtigt.

Quelle: Institut der Deutschen Wirtschaft




Schlechte Noten für das Bildungssystem

Laut Bildungsmonitor des Instituts der deutschen Wirtschaft ist vor allem die Situation in den MINT Bereichen problematisch

Digitalisierung, Dekarbonisierung, Demografie und neuerdings De-Globalisierung – die deutsche Wirtschaft steht laut dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) vor gewaltigen Herausforderungen. Um sie zu meistern, brauche es möglichst viele gut ausgebildete Beschäftigte. Wie es um das Bildungssystem in Deutschland bestellt ist, schaut sich das IW seit 2004 im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) an. Letztere ist eine vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall gegründete und von Arbeitgeberverbänden finanzierte Lobbyorganisation und eigentlich selbst ein Tochterunternehmen des IW.

Sachsen-Anhalt und Bremen schneiden im Ranking schwach ab

In zwölf Handlungsfeldern mit 93 einzelnen Indikatoren prüfen die Forscher:innen Fortschritte im Bildungssektor von der frühkindlichen Bildung bis hin zum Studium und der Berufsausbildung. Zudem werden erstmals im neuen Feld „Digitalisierung“ fünf weitere Indikatoren für die einzelnen Bundesländer ausgewertet. Das Gesamtergebnis:

Sachsen, Bayern und Thüringen liegen im Ranking des Bildungsmonitors vorn. Schlecht schneiden Sachsen-Anhalt und Bremen ab.

Zusätzlich haben die Studienautor:innen einen Langzeitvergleich zum Bildungsmonitor 2013 gezogen: Zwar gab es in fast allen Handlungsfeldern bundesweit in den vergangenen neun Jahren Fortschritte. Doch in den wichtigen Bereichen Schulqualität, Integration und Hochschule/MINT haben sich laut Studie mehrere Indikatoren teils erheblich verschlechtert.

Situation in den MINT-Berufen problematisch

Für die deutsche Wirtschaft sei kurzfristig vor allem die Situation in den MINT-Berufen problematisch.

Derzeit fehlten in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – kurz MINT – mehr als 340.000 Arbeitskräfte. Die Zahl der Studienanfänger in diesen Fächern ist in den vergangenen fünf Jahren aber von knapp 200.000 auf etwa 170.000 gesunken. Und auch in den MINT-Ausbildungsberufen nähmen die Engpässe zu, so das IW in seiner Pressemitteilung. Damit folgen die Aussagen des IW den aktuellen Prognosen, die für das Jahr 2030 einen Fachkräftemangel von fünf Millionen voraussagen. Das hat aber weniger etwas mit dem Bildungssystem, sondern mit der demographischen Entwicklung in Deutschland zu tun.

Viertklässler schneiden derzeit schlechter ab

Langfristig dürfte die Schulqualität zum zentralen Problem werden. Denn die Kompetenzen von Viertklässlern in Deutsch und Mathematik haben sich von 2016 bis 2021 laut aktuellem Bildungstrend des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen verschlechtert. Dazu nehme der Anteil der Kinder mit großen Lernlücken und die Ungleichheit der Bildungschancen zu. Das IQB hat auch festgestellt, dass die Kinder in ihrer sozialen Entwicklung zurückgeblieben sind.

Schon aktuell zeichnen sich bei der Integration Schwierigkeiten ab. So verlassen besonders viele Jugendliche mit Migrationshintergrund die Schule ohne Abschluss. Diese Kinder zu fördern, sollte ein Hauptaugenmerk der Bildungspolitik sein, fordert das IW.

Ganztagsbetreuung ausbaufähig

Genau angesehen haben sich die IW-Forscher:innen auch die Ganztagsbetreuung. Schließlich erleichtern flächendeckende Ganztagsangebote für den Nachwuchs den Eltern eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf – was wiederum gegen den Fachkräftemangel helfen kann.

Laut Studie gab es in diesem Bereich Fortschritte:

So waren 2020 rund 47 Prozent der Grundschüler in der Ganztagsbetreuung. Beim Bildungsmonitor 2013 lag der Anteil noch bei lediglich 31 Prozent.

Wenig Fortschritt bei der Digitalisierung

Eine ebenso große Herausforderung bleibe die Digitalisierung des deutschen Bildungssystems. „In der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass an vielen Stellen von Schule bis Universität massiver Aufholbedarf besteht. Deshalb ist die Digitalisierung im Bildungsmonitor für die INSM nun erstmals als eigenes Handlungsfeld etabliert. Der Bestandsaufnahme zufolge bieten die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen den besten Zugang zum Internet. Etwa neun von zehn Schulen haben mindestens 100-Megabit-Leitungen. Schlusslicht Sachsen-Anhalt kommt nur auf gut 52 Prozent seiner Schulen, die schnell ins Netz kommen“, so das IW.

Flächendeckend problematisch sei die Lage allerdings bei der Hardware. Mitte 2021 gab noch mehr als die Hälfte der Lehrkräfte in Deutschland an, keinen Zugang zu einem vom Arbeitgeber gestellten digitalen Endgerät zu haben. Das wirkt sich auf den Unterricht aus – nur 39 Prozent der Lehrkräfte verwenden nach Untersuchungen der Deutsche Telekom Stiftung täglich digitale Medien im Unterricht. Und das Gefälle sei enorm (Grafik):

Sachsen, Bayern und Thüringen haben laut dem Bildungsmonitor des Instituts der deutschen Wirtschaft aktuell wohl das beste Bildungssystem in Deutschland. Insgesamt hapere es in der Bildungspolitik aber an vielen Stellen, so das Institut.
Während in Bayern zwei Drittel der Lehrer täglich digitale Medien in ihren Unterrichtsstunden nutzen, tut dies in Hamburg nicht einmal jede sechste Lehrkraft.

Auch die Zeit, in der Schülerinnen und Schüler im Unterricht digital unterwegs sind, ist ausbaufähig. Das belegt der Vergleich mit dem deutlich digitaler aufgestellten Dänemark. Dort benutzte bereits vor der Corona-Pandemie im Jahr 2018 deutlich mehr als die Hälfte der Neuntklässler mindestens eine Stunde pro Woche digitale Endgeräte in Mathematik und in den Naturwissenschaften. Deutschland kam lediglich auf 7,6 beziehungsweise 6,3 Prozent.

Quelle: Mitteilung IW, IQB-Trend, Erhebung des IW 2021