Die digitale KiTa steckt noch in den Kinderschuhen

Gute Software bietet große Chancen für Verwaltung und Dokumentation – nur wenige Anwendungen eignen sich für Kinder

Es könnte alles so schön sein! Seit einigen Jahren entlasten Kita-Software und-Apps pädagogische Fachkräfte in ihrer täglichen Arbeit merklich. So lassen sich KiTa und Personal deutlich einfacher verwalten als vormals mit Zetteln, Planern, Ordnern und schwarzem Brett. Auch digitale Portfolios und die Elternkommunikation erledigen sich so spürbar leichter. Und dank des technischen Fortschritts unter Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) vergeht kaum eine Woche, ohne, dass die eine oder andere Software mit neuen Innovationen aufwarten kann. Auch wenn sich die Umstellung auf die Verwaltung mit PC, Tablet und Smartphone oftmals als anstrengend und manchmal auch chaotisch erwiesen hat, sind am Ende wohl die meisten Nutzerinnen und Nutzer erleichtert und kaum jemand wünscht sich mehr in alte Zeiten zurück.

Schattenseiten, aber lösbare Herausforderungen

Wie jede Entwicklung hat auch diese ihre Schattenseiten. Nicht wenige pädagogische Fachkräfte klagen über unzureichende, ständig hakende Computersysteme, zusätzlichen Verwaltungsaufwand und schwindende Freiräume durch verbesserte Kontrollmechanismen seitens der Träger. Letzteres trifft allzu oft auch auf die Kinder zu, deren Eltern über die Apps über alles informiert sein sollen, was ihr Nachwuchs tut. Zudem tauchen immer wieder Verstöße gegen den Datenschutz auf. Der Mangel an Fachkräften und sonstigen Ressourcen verschärft die Herausforderungen vielerorts.

Dabei sind die Probleme durchaus lösbar. Oftmals mangelt es an Kompetenz, Austausch und Kooperationsbereitschaft. Statt sich praktischen bei Kollegen- und Expertenrat einzuholen, die Testversionen der verschiedenen Anbieter sorgfältig zu prüfen und gemeinsam im Team mit Unterstützung von Fachleuten bedürfnisorientiert zu planen, fallen zu viele einsame Entscheidungen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen sich mit aufgezwungenen Systemen arrangieren. Dabei verführt das enorm große und stetig wachsende Feld an Möglichkeiten gelegentlich zu übersteigerten Erwartungen und Anforderungen, die allzu leicht zur Überforderung führen.

Die Fehler liegen oftmals in der Planung statt in der Technik

Letztlich sollten jedoch Führungs- und Planungsfehler nicht zur Verteufelung eines wirklich nützlichen Fortschritts führen, der ein Schlüssel zu wichtigen Erleichterungen sein kann. Lauter einer Umfrage von Wolters Kluwer unter rund 700 Leiterinnen und Leitern von KiTas, sehen viele noch einen deutlichen Verbesserungsbedarf in der digitalen Ausstattung ihrer Einrichtung, aber auch noch enormes Potenzial in der Nutzung digitaler Angebote. Wir stecken hier an vielen Stellen noch in den Kinderschuhen einer Entwicklung, von der niemand weiß, wohin sie führt.

Kein Ersatz für sinnliche Erfahrungen

In diesem Sinne macht die Digitalisierung nicht vor der Kindergartentür halt. Es ist jedoch unsere Entscheidung, wie weit wir diese gehen lassen. Weder der Körper noch das Gehirn des Menschen passen sich an die Digitalisierung an. Im Grunde sind wir noch immer genauso gebaut wie unsere Urahnen vor 200.000 Jahren. Als eines der bei der Geburt hilflosesten Wesen benötigt der Mensch viele Jahre um zu seiner Entwicklung. Das gilt für das Gehirn genauso wie für die Augäpfel. Und die Nutzung von Bildschirmen ist für beide eine Gefahr.

Die Hoffnung, mithilfe von Apps, Smartphones, Tablets und PCs Kinder schneller und effizienter zu bilden, hat sich längst zerschlagen. Zwar wischen die Kinder mit Begeisterung auf den Tablets herum, hören und schauen sich gerne mal eine Geschichte an, betrachten Bilder und Videos und spielen kleine Spielchen. Einen echten Bezug zu angebotenen Lehrinhalten finden sie aber nicht. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Je jünger Kinder sind, desto mehr sind sie darauf angewiesen, die Welt mit allen Sinnen zu begreifen. Ganzheitliche Erfahrungen lassen sich mit Bildschirmen jedoch nicht vermitteln. Und es kommt noch schlimmer. Offensichtlich beeinträchtigen die Bildschirme sogar die Entwicklung der Kinder.

Beispiel Schweden

Eines der jüngsten bekannten Beispiele ist die Entscheidung der schwedischen Regierung. Diese hob die Verpflichtung auf, Vorschulen mit digitalen Geräten auszustatten. Letztlich hatte die Regierung des einstigen Vorreiters der digitalen Bildung die Sorge um den stetigen Leistungsabfall ihrer Schülerinnen und Schüler dazu bewogen, die Karolinksa Universität mit dem zugehörigen Institut um eine Stellungnahme zu bitten. In der Stellungnahme heißt es unter anderem:

„Es gibt eindeutige wissenschaftliche Belege dafür, dass digitale Werkzeuge das Lernen der Schüler eher beeinträchtigen als verbessern.“
„Wir sind der Meinung, dass der Schwerpunkt wieder auf den Wissenserwerb über gedruckte Schulbücher und das Fachwissen des Lehrers gelegt werden sollte, anstatt das Wissen in erster Linie aus frei zugänglichen digitalen Quellen zu erwerben, die nicht auf ihre Richtigkeit überprüft wurden.“
„Wichtige schulpolitische Entscheidungen sollten nicht getroffen werden, ohne dass man vorher weiß, was die Forschung sagt.“

Risiko Bildschirm

Ähnliche Entwicklungen lassen sich derzeit in Dänemark, Finnland, Großbritannien, Frankreich, Neuseeland und Italien beobachten. Weltweit existiert mittlerweile eine Fülle von Studien, die auf die negativen Auswirkungen der Nutzung von Bildschirmgeräten auf die körperliche und geistige Entwicklung von Kindern hinweisen. Dagegen gibt es noch immer keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, die deren Nutzen beim Lernen belegen. Statt aber der Wissenschaft zu folgen, fordern hierzulande wirtschaftsnahe Stiftungen und weite Teile der Bildungswirtschaft einen „Digitalpakt Kita“.

Nicht zuletzt das hat unlängst eine Gruppe von 41 Wissenschaftlern dazu bewogen, ein Moratorium der Digitalisierung in KiTas und Schulen zu fordern. Hier heißt es unter anderem: „Tatsächlich sind die Wirkungen und Nebenwirkungen digitaler Medien auf Entwicklungs-, Lern- und Bildungsprozesse wissenschaftlich oft ungeklärt. Vielmehr verdichten sich die wissenschaftlichen Hinweise auf enorme Nachteile und Schäden für die Entwicklungs- und Bildungsprozesse von Kindern und Jugendlichen durch digitale Medien. Im Sinne der Fürsorgepflicht öffentlicher Bildungseinrichtungen fordern wir daher ein Moratorium der Digitalisierung insbesondere der frühen Bildung bis zum Ende der Unterstufe (Kl. 6).“

Zuerst müssten die Folgen der digitalen Technologien abschätzbar sein, bevor weitere Versuche an schutzbefohlenen Kindern und Jugendlichen mit ungewissem Ausgang vorgenommen würden.

Was die Befürworter digitaler Lernwelten stört

Selbstverständlich hat diese Erklärung besonders bei den Befürwortern der Digitalisierung heftige Reaktionen hervorgerufen. So fordert etwa Prof. Dr. Thomas Irion für den Grundschulverband: „Digitale Technologien bieten enorme Chancen für das Aufwachsen und die Bildung von Kindern… Schulen und KITAs müssen diese Bildungspotenziale nutzen, um Kinder angemessen für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vorzubereiten.“ Und Jasmin Block schreibt im „Handbuch digitale Kita“, das die Carlo & Friends GmbH herausgibt: „Und jene, die sich bereits fundiert mit früher Medienbildung auseinandergesetzt haben, schütteln fassungslos den Kopf. Denn längst reichte die Diskussion über das OB früher Medienbildung hinaus, indem Gestaltungsfragen, also das WIE, in den Mittelpunkt rückten.“

Zunächst sei Frau Block erst einmal mit einem Zitat aus Bertolt Brechts Dreigroschenoper geantwortet: „Wer a sagt, der muss nicht b sagen. Er kann auch erkennen, dass a falsch war.“

So viel dazu. Spannender wird es, sieht man sich die Argumente der Befürworter an:

  1. Wir dürfen die Augen nicht vor dem soziokulturellen Wandel verschließen. „Die Digitalisierung ist! Und um es einmal deutlich zu sagen: Auch in der frühen Bildung müssen wir lernen, sinnvoll und verantwortungsvoll damit umzugehen.“
  2. „Die Lebenswelt der Kinder und Familien ist durchdrungen von digitalen Medien. Die frühe Bildung, Erziehung und Betreuung hat aus gutem Grund den Anspruch, lebensweltrelevante Themen in der pädagogischen Arbeit aufzugreifen.“
  3. Die bekannten Studien, die auf negative Auswirkungen der Bildschirmmedien auf Kinder hinweisen, würden keine kausalen Zusammenhänge belegen.

Zum soziokulturellen Wandel

Soziokultureller Wandel oder sozialer Wandel sind großartige Wörter. Die Digitalisierung ist ein Teil davon, genauso wie die sozialen Verwerfungen, die Umweltverschmutzung, das Artensterben, die Verkehrswende, der Klimawandel, die Bildungsmisere, die Kirchenaustritte und vieles andere. Warum ausgerechnet 41 Wissenschaftler, die sich zum Großteil mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf unser Leben auseinandersetzen, die Augen vor der Digitalisierung verschließen würden, scheint absurd. Aber wer fordert, dass Kindergartenkinder nun lernen müssen, sinnvoll und verantwortungsvoll mit der Digitalisierung umzugehen, nimmt zum einen auf unverantwortliche Weise einen sehr hohen Preis bezüglich der Entwicklung von Kindern in Kauf und ignoriert die tatsächliche intellektuelle Reife von Kindern unter sechs Jahren. Damit Kinder eines Tages wirklich Verantwortung übernehmen zu können, wäre eine Entwicklungsbegleitung nötig, die sich an den notwendigen physischen und psychischen Bedürfnissen der Kinder orientiert.

Die Lebenswelt ist durchdrungen von digitalen Medien

Richtig. Die digitalen Medien sind wesentlicher Bestandteil unseres Daseins, wie die anderen Medien, die Mobilität oder die Arbeitswelt. Nur kommt eben niemand auf die Idee Kleinkinder den Führerschein machen zu lassen oder eine Berufsausbildung. Auch das Lesen und Schreiben bringen wir Kindern erst in der Schule bei, weil es ihrer Entwicklung entspricht. Dass Kleinkinder bereits Mobiltelefone nutzen, scheint sich fatal auszuwirken. Den verantwortungsvollen Umgang damit können wir ihnen aber in diesem Alter nicht beibringen. Um den Umgang zu reduzieren, wäre eine klare Haltung seitens der Pädagoginnen, Pädagogen und Eltern sinnvoll. Wer ein Kind unter sechs Jahren nicht davon abhalten kann, Smartphones oder Tablets ungehemmt zu nutzen, hat sollte dringend seine pädagogischen Fähigkeiten hinterfragen. Die Vermittlung von Medienkompetenz muss sein, aber sie sollte zu dem Zeitpunkt und in einem Umfang stattfinden, der aus medizinischer Sicht der Gesundheit der Kinder nicht schadet.

Mangel an Kausalität?

Bislang stützt sich die Forschung über digitale Medien bei Kindern vor allem auf sogenannte Querschnittserhebungen. Man erfasst dabei üblicherweise mittels Fragebogen verschiedene Aspekte wie die Smartphone-Nutzung und das Wohlbefinden zum selben Zeitpunkt. Auch wenn es sich dabei um eine Fülle von Studien handelt und die Gruppen der Probandinnen und Probanden gelegentlich sehr groß sind, weisen diese keinen kausalen Zusammenhang nach. So bleibt etwa die Frage offen, nutze ich das Mobiltelefon weil es mir schlecht geht oder geht es mir schlecht, weil ich das Mobiltelefon nutze?

Kausalität bedeutet eine direkte Beziehung zwischen Ursache und Wirkung herstellen zu können. Mit den bildgebenden Verfahren im Bereich der Neurobiologie meinen etwa Neurowissenschaftlerinnen und -wissenschaftler die negativen Wirkungen von Bildschirmmedien auf das Gehirn nachweisen zu können. Das reicht den Kritikerinnen und Kritikern jedoch nicht aus. Ein kausaler Zusammenhang könnte dann hergestellt werden, wenn man etwa zwei repräsentativ zusammengesetzte Gruppen von Kindern im gleichen Umfeld bildet und die eine Gruppe Bildschirmmedien aussetzt und die andere nicht. Solche Studien sind aus ethischen Gründen seit der Nazizeit verboten.

Tatsächlich gibt es mittlerweile Studien, deren Leiterinnen und Leiter meinen, einen kausalen Zusammenhang nachweisen zu können. Doch selbst wenn dies umstritten bleibt: Es gibt keine Studie, die eine positiven Effekt auf das Lernen von Kindern nachweist. Und die Ignoranz, mit der viele Pädagoginnen und Pädagogen die ernsthaften Bedenken der Medizinerinnen und Mediziner einfach beiseite schieben, mutet doch schon eher als grobe Fahrlässigkeit an.

Lassen wir den Kindern genug Zeit?

Wäre es deshalb nicht doch sinnvoll, erst einmal verlässliche Wissenschaftliche Ergebnisse abzuwarten? Rechtfertigt sich mit Blick auf die wachsende Zahl wissenschaftlicher Arbeiten, die negative Auswirkungen von Bildschirmmedien auf Kinder nahelegen, deren Einsatz in Krippen, Kindergärten und Schulen? Oder wäre es nicht doch besser, zumindest bis zum Eintritt der Kinder in die weiterführende Schule oder zumindest bis zum Eintritt in die Grundschule zu warten? Schließlich bleibt hier doch noch genügend Zeit, Medienkompetenz und technisches Know-how zu vermitteln.

Bedingter Einsatz mit Augenmaß

Zwar darf es eigentlich keine zwei Meinungen geben, wenn es um die Gesundheit von Kindern geht. Dennoch gibt es eine Fülle von Möglichkeiten, die den Einsatz von Bildschirmgeräten ab der Kindergartenzeit in einem begrenzten Zeitraum zulassen und sinnvoll erscheinen lassen. Selbst der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte sieht kein Problem darin, wenn Kinder ab drei Jahren maximal 30 Minuten pro Tag vor dem Bildschirm sitzen.

Für Kinder unter drei Jahren gilt das jedoch nicht und bei Kindern über drei Jahren sollte es nicht mehr sein. Dennoch reicht die Zeit, um sich Fotos oder ein Video auf einem Bildschirm anzusehen oder sich ein digitales Bilderbuch anzusehen und eventuell in der eigenen Muttersprache anzuhören. Möglichkeiten gibt es zuhauf. Und dann wird es wieder Zeit für die vielen sinnlichen Erlebnisse, die Kinder für ihr Leben benötigen und die durch digitale Geräte – zumindest bisher – nicht ersetzt werden können.

Alle Kompetenzen auch für die digitale Zukunft fördern

In der digitalen KiTa der Zukunft werden also hoffentlich keine Kinder mit Tablets durch die Gegend laufen. Die pädagogischen Fachkräfte aber vermutlich schon: vornehmlich um zu verwalten, die Entwicklung der Kinder zu dokumentieren und mit ihnen gelegentlich darauf etwas zu entdecken. In der Hauptsache wird sich aber auch die digitale KiTa der Zukunft darauf konzentrieren, Kinder ganzheitlich in ihrer Entwicklung zu begleiten und zu unterstützen, damit diese ihre eigenen Fertigkeiten und Fähigkeiten in ihrem persönlichen Tempo aufbauen, um dann eines Tages auch sinnvoll und verantwortungsvoll mit sich und ihrer Umwelt umgehen zu können, wozu auch die digitale Welt gehört.

Gernot Körner




Online-Live-Workshops der Liga zum Thema „kindgeRecht im Kita-Alltag“

Veranstaltungen der Deutschen Liga für das Kind zum Thema „partizipativer Kita-Alltag“

Ein kinderrechtsbasierter und partizipativer Kita-Alltag, in dem Kinder verlässlich Selbst- und Mitbestimmung erleben und in dem ihre Schutzrechte gewahrt sind, fördert ihre emotional-soziale Entwicklung und wirkt kognitiv sowie sprachlich anregend. In den zweistündigen Online-Live-Workshops der neuen Serie „kindgeRecht im Kita-Alltag“ werden wichtige Schlüsselsituationen in den Blick genommen. Referentinnen der Workshops sind praxiserfahrene Dozent:innen aus dem Pool der Liga-Fortbildner:innen. Die Workshops im Frühjahr gestaltet Dörthe Scheffler, Pädagogin, Sprechwissenschaftlerin/Linguistin und systemische Beraterin mit praxisrelevanten Zusatzqualifikationen, u. a. Marte Meo und GfK.

17.04.2024, 16.00 bis 18.00 Uhr
Machtfragen im Kita-Alltag: Wer bestimmt wirklich in Schlüsselsituationen?

Eine gute Beziehungsqualität zwischen Kindern und Pädagog:innen gilt als entwicklungsförderlich. Beziehungen gedeihen, wenn gegenseitige Achtung und Anerkennung in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung gelebt werden. Im Alltag müssen immer wieder Entscheidungen getroffen werden. Wer darf wann ‚bestimmen‘? Wie gehen Pädagog:innen verantwortungsvoll mit ‚Macht‘ um? Wie helfen Selbstreflexion und der Austausch im Team dabei, Partizipation im Alltag umzusetzen? Im Workshop werden Schlüsselsituationen genauer angeschaut, beispielsweise die Gestaltung gemeinsamer Mahlzeiten oder der Kleidungswechsel in der Garderobe.

15.05.2024, 16.00 bis 18.00 Uhr
Mit Feinfühligkeit und Responsivität: Schlüsselsituationen im Alltag kindgeRecht gestalten.

Kinder haben das Recht auf Beteiligung, Förderung und Schutz. Pädagog:innen in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung verantworten die Umsetzung dieser Rechte im gemeinsamen Alltag. In der Praxis sind, insbesondere auch in der Interaktion mit sehr jungen Kindern, Körperausdruck und Sprache der Fachkräfte von besonderer Bedeutung. Im Fokus des Workshops steht eine „kindgeRechte“, feinfühlige und responsive Gestaltung von Schlüsselsituationen z. B. beim Wickeln/ Toilettengang oder im Rahmen von Schlaf-/ Ruhezeiten.

Information und Buchung über https://fruehe-kindheit-online.de/?cat=c17_Workshops-Workshop.html

Kontakt-E-Mail für eine „on Demand“ Buchung der Workshops stella.valentien@kindergartenplus.de

Quelle: Deutsche Liga für das Kind




Den Fachkräfte-Radar jetzt kostenlos bestellen

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Die gedruckte Version des Fachkräfte-Radars für KiTa und Grundschule ist eben erschienen

Nach wie vor gibt es nicht genügend Betreuungsplätze für Kinder, um den Rechtsanspruch auf eine Kindertagesbetreuung zu erfüllen, wenn Eltern diese wünschen. Zudem schwankt die Qualität der Kindertageseinrichtungen (KiTas) stark zwischen den Bundesländern und auch innerhalb der einzelnen Länder, so dass die Bildungs- und Teilhabechancen der Kinder wohnortabhängig sind. Inwieweit hier der aktuelle Mangel an Fachkräften  in den Sozial- und Erziehungsberufen kurz- wie auch langfristig ein Hindernis darstellt, muss pro Bundesland datenbasiert untersucht werden.

Der Fachkräfte-Radar für KiTa und Grundschule prognostiziert in sieben Szenarien bis 2025 und 2030 die Entwicklung des Fachkräftebedarfs und -angebots in KiTas. Betrachtet wird die Altersgruppe der Kinder bis zum Eintritt in die Schule.

Im Fokus steht die Frage, ob ein bedarfsgerechter Zugang zu KiTas sowie eine bessere Personalausstattung realisiert werden könnten. Ein zentrales Ergebnis: Bis 2030 können in Ostdeutschland und auch in den meisten westdeutschen Bundesländern sowohl die aktuellen Elternbedarfe erfüllt als auch die zum Teil günstige Personalausstattung gehalten oder auf das mittlere Westniveau verbessert werden. Ebenfalls in Ostdeutschland – und auch in Hamburg – besteht, neben der Erfüllung der Platzbedarfe, sogar zusätzlich die Möglichkeit, mit einiger Anstrengung eine kindgerechte Personalausstattung nach wissenschaftlichen Empfehlungen zu erreichen.

Bibliographie

Fachkräfte-Radar für KiTa und Grundschule
Broschur, 260 Seiten
kostenlos




Beobachtung und Dokumentation: Ansätze und Praxishilfen für die Kita

Fachbeiträge, Videos und Praxismaterial zum Download rund ums Thema

„Beobachtung ist die Grundlage für eine Pädagogik, in der das KIND und sein Recht auf eine möglichst förderliche Entwicklung im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Mit der Beobachtung fängt jede entwicklungsförderliche Pädagogik an und bildet den Grundstein (das Fundament) für wertschätzende Beziehungserlebnisse sowie begleitende Entwicklungsimpulse“, schreibt Prof. Armin Krenz in seinem Beitrag mit dem Titel „Kindliche Entwicklungsprozesse beobachten und dokumentieren“, den wir bei SPIELEN und LERNEN publiziert haben.

Damit dies einfacher gelingt, ist ein Konzept für die systematische Beobachtung in der Kita notwendig. Eine ganze Reihe von Arbeitshilfen und Instrumente können dabei sehr nützlich sein. Sehr gefragt ist unser Leitfaden zur Vorbereitung für Entwicklungsgespräche, den wir seit langer Zeit schon gratis zum Download anbieten. Bei unserer Internetrecherche ist uns vor allem der deutsche Bildungsserver aufgefallen. In der Rubrik „Entwicklungs- und Bildungsprozesse beobachten und dokumentieren“ finden sich zahlreiche Anregungen und Praxishilfen.

Ansätze und Konzepte

Für alle, die erst einmal einen groben Überblick zum Thema haben wollen, bietet sich das Video zum Thema „Bildungsdokumentation“ von „Schulen ans Netz e.V.“ an. Der kleine Film ist so einfach und eingängig, dass ihn auch Laien gut verstehen können. Mit einer Gesamtlänge von 3:56 Minuten ist er auch gut für einen Elternabend als Einstieg zum Thema geeignet:

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Unter den Ansätzen und Konzepten zur systematischen Beobachtung fanden wir vor allem den Beitrag zum Wahrnehmenden Beobachten stark. Die Website zu dem prozessorientierten Verfahren zur Beobachtung und Dokumentation bietet neben zahlreichen Downloads, etlichen Literaturtipps und Praxisbeispielen eine ganze Reihe Online-Vorträge, in denen Prof. Dr. Marjan Alemzadeh durch die vier praktischen Schritte des Wahrnehmenden Beobachtens führt.

Weitere spannende Beiträge finden sich etwa

Eine Vorlesung der Hochschule Hildesheim zum Thema „Kindheitspädagogische Beobachtung und Dokumentation“ von Prof. Dr. Peter Cloos ist auf Youtube zu sehen. Der Vortrag dauert etwa 75 Minuten:

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Ebenfalls von der Uni Hildesheim stammt auch das Buch Organisationsentwicklung in Kitas – Beispiele gelungener Praxis“ von Cindy Mieth. Das Buch lässt sich kostenlos als PDF downloaden.

Praktische Hilfen

Verschiedene Firmen bieten aktuell eine Fülle von Software zur Beobachtung und Dokumentation an. Da wir aber keine Möglichkeiten hatten, diese zu testen und wir uns zudem auf kostenfreie Angebote konzentrieren wollten, stellen wir hier keine kompletten Programme vor.

Vieles geht aber auch ohne PC. Und die beste Variante ist, wenn die Wahl Ihnen überlassen bleibt. Das ist etwa beim Kompik-Beobachtungsbogen der Fall. Mit Kompik können Sie die Entwicklung von Kita-Kindern im Alter von 3,5 bis 6,0 Jahren beobachten und dokumentieren. Das Programm lässt sich einfach herunterladen und installieren. Der Fragebogen kann auch ohne PC in Papierform ausgefüllt werden.

Das Netzwerk frühkindliche Entwicklung BIBER bietet einen guten Überblick mit praktischen Hilfen zur Bildungsdokumentation und Portfolioarbeit. „Um die Persönlichkeitsentwicklung bestmöglich zu fördern, wird das Kind – sein Verhalten, Spiel, Bewegung, Sprache – gezielt beobachtet. Diese Beobachtungen sind Grundlage für individuelle Förderschritte, die in der Bildungsdokumentation sichtbar gemacht und festgehalten werden“, beschreibt BIBER den Inhalt der Website.

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Rund um das „Bildungsbuch“ dreht sich alles auf der Seite der Gewerkschaft Bildung und Erziehung (GEW). Hier heißt es: „In nahezu allen Bildungsplänen für Kindertagesstätten wird verlangt, Bildung zu beobachten und zu dokumentieren. Aber wie lässt sich Bildung sichtbar machen? Ein Team von Pädagogen aus Praxis, Wissenschaft und Fort-/Weiterbildung geht seit Jahren dieser Frage nach und hat das Projekt ,Bildungsbuch‘ entwickelt, das zur Zeit in Kindertagesstätten praktiziert, weiterentwickelt und reflektiert wird.“ Daneben findet sich auf dem Bildungsserver auch „Das Übergangsbuch“ im PDF-Format. Hier dokumentieren Kinder, Eltern und pädagogische Fachkräfte den Übergang von der Kindertageseinrichtung in die Schule.

Ebenfalls auf dem Bildungsserver finden sich weitere Links etwa

Eine ganze Reihe weiterer Fachartikel hält auch „Das Kita-Handbuch“ bereit.

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Datenschutz

Wer viel dokumentiert, sollte auch auf den Danteschutz achten. In den Beispielen, die oben aufgeführt sind, finden sich dazu etliche Leitfäden und Hinweise. Wer es noch detaillierter wünscht, sollte sich die „Empfehlungen zum Datenschutz bei Bildungs- und Lerndokumentationen in Kindertagesstätten“ downloaden. Herausgegeben hat das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung des Bundeslandes Rheinland-Pfalz die Empfehlungen. Sie dürften aber wohl für alle Bundesländer Geltung haben.

Weitere Fachbeiträge




Elternbeiträge: Wo Kitas am teuersten sind

Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft offenbart enorme Differenzen bei den Gebühren

Je jünger, desto teurer: Besonders für Kinder unter drei Jahren ist die Kita-Betreuung teuer, zeigen neue IW-Auswertungen. Die höchsten Gebühren erheben Bergisch Gladbach und Mülheim an der Ruhr für die Betreuung von einjährigen Kindern. In Mülheim an der Ruhr zahlen Gutverdiener für eine wöchentliche Betreuungszeit von 45 Stunden 1009 Euro, Bergisch Gladbach berechnet für 45 Stunden pro Woche einen Beitrag von 1.220 Euro. Doch auch für Menschen mit mittleren Einkommen kann die Kita zur finanziellen Belastung werden. Besonders teuer ist es für sie in Mannheim: Dort werden für eine tägliche, achtstündige Betreuung bei einem Brutto-Einkommen von 50.000 Euro monatlich 399 Euro fällig. Hinzu kommen Kosten für die Verpflegung und weitere Leistungen.

Gebühren von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich

Ob und wie viel Eltern zahlen müssen, hängt vor allem vom Wohnort, dem Alter, der Anzahl der Kinder, dem Betreuungsumfang sowie dem Einkommen ab. Die Kriterien unterscheiden sich jedoch nicht nur von Bundesland zu Bundesland, sondern auch zwischen den Kommunen: So gibt es in den hessischen Großstädten keine Staffelung des Einkommens, in Reutlingen keine Differenzierung nach Alter, dafür unterscheiden einige Städte in Niedersachsen auch noch nach Art der Betreuungseinrichtung.

„Im Sinne einer Chancengleichheit wäre der Besuch von Kitas idealerweise bundesweit einheitlich geregelt und für alle Kinder in den letzten Jahren vor der Einschulung kostenlos. Dies ist aufgrund der aktuellen Haushaltslage der Länder und Kommunen aber nicht überall umsetzbar, da die Kostenfreiheit nicht zulasten der Qualität der Betreuung gehen darf“, erklärt Dr. Wido Geis-Thöne, Ökonom am Institut der deutschen Wirtschaft (IW). „Hohe Beiträge müssen aber vermieden werden, da sie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erschweren.“ Familienpolitische Maßnahmen sind schließlich eine Investition in die Zukunft – nur mit funktionierender Betreuung können Eltern früh wieder arbeiten gehen und nur mit guter Betreuung werden Kinder optimal gefördert.

82 Großstädte im Vergleich

Methodik: Die Berechnung der Kitagebühren ist komplex und variiert von Bundesland zu Bundesland. Die Vielfalt dieser unterschiedlichen Ansätze erschwert einen Vergleich der Betreuungskosten für Familien mit mehreren Kindern. Aus diesem Grund konzentrieren sich die Auswertungen ausschließlich auf Familienkonstellationen mit nur einem Kind. Insgesamt wurden Gebührenverordnungen von 82 Großstädten mit derzeit über 100.000 Einwohnern berücksichtigt.

Quelle: Institut der Deutschen Wirtschaft




9 % des Kita-Personals fehlt eine entsprechende Ausbildung

Weniger Bildungsmöglichkeiten, mehr Betreuung durch Laien

Viele Eltern in Deutschland erleben gerade unmittelbar die Auswirkungen der fehlenden Fachkräfte: Immer mehr Kitas reduzieren die Betreuungszeiten oder bieten zeitweise nur eine Notbetreuung an. Vor dem Hintergrund fehlender pädagogischer Fachkräfte in Kitas werden die sogenannten Fachkräftekataloge in einigen Bundesländern deutlich erweitert. Diese setzen die Qualifikationsanforderungen für die pädagogische Arbeit fest. Ziel ist es, mehr personelle Ressourcen in die Kitas zu bringen.

In einigen Bundesländern dürfen nun beispielsweise auch Logopäden und Geburtshelfer ohne die spezifische, fachschulische Ausbildung für die Arbeit mit Kita-Kindern als pädagogische Fachkraft in einer Kita arbeiten. Der Indikator „Qualifikationsniveau des pädagogischen Personals in Kitas“ im Ländermonitor gibt Auskunft über das Ausbildungsniveau der Fachkräfte.

Die Aufweichung des Fachkräfteangebots steht dabei im Zusammenhang mit dem Personalmangel in Kitas und verhält sich doch konträr zum Anspruch, gute pädagogische Arbeit leisten zu wollen. Eine Studie, die ebenfalls in Kooperation zwischen Bertelsmann Stiftung und FernUni entstanden ist, zeigt die Auswirkungen des Personalmangels auf das pädagogische Handeln: Weniger Bildungsmöglichkeiten für die Kinder, mehr reine Betreuung – unter Aufsicht zunehmend pädagogischer Laien.

Abhängig von der Mitarbeit der Auszubildenden

Hatten 2012 noch 94,1 Prozent des pädagogischen Personals in Kitas (inklusive Horte) einen fachlichen Berufsabschluss (Ausbildung oder Studium), so sind dies zum 1. März 2022 nur noch 90,9 Prozent. Hingegen steigt im selben Zeitraum der Anteil der Beschäftigten ohne Ausbildung sowie von Personen, die sich aktuell noch in der Ausbildung befinden von 5,9 Prozent auf 9,1 Prozent. In Berlin ist dieser Anteil besonders stark von 6,5 Prozent (2012) auf 16,1 Prozent (2022) gestiegen. Die Anzahl der Personen in Kitas (inklusive Horten), die sich aktuell in Ausbildung befinden, hat sich in zehn Jahren verdoppelt. Waren 2012 noch 3,4 Prozent der Beschäftigten Auszubildende, sind es 2022 6,8 Prozent. Das pädagogische Berufsfeld der frühen Bildung ist damit zunehmend von der Mitarbeit und Unterstützung ihrer Auszubildenden abhängig.

Das Hauptmotiv, sich für den anspruchsvollen Beruf Erzieherin oder Erzieher zu entscheiden, ist noch immer in erster Linie die Freude an der Arbeit mit Kindern. „Damit diese Motivation in der praktischen Arbeit nicht auf der Strecke bleibt, braucht es gute Arbeitsbedingungen und verlässliche Strukturen. Dazu gehören auch Kolleginnen und Kollegen, die die gleichen Fachkompetenzen vorweisen, so dass nicht zusätzliche Belastungen durch die Anleitung der fachfremd Tätigen entstehen“, sagt Prof. Dr. Julia Schütz, Leiterin des Lehrgebiets Empirische Bildungsforschung. „Hierfür braucht es einerseits eine gute Fachberatung sowie andererseits unbedingt Fort- und Weiterbildungsangebote.“

Weitere Informationen: https://www.laendermonitor.de/de/startseite

Carolin Annemüller, FernUniversität in Hagen




Rund 430.000 Kita-Plätze fehlen und jede Menge Qualität dazu

Derzeit kann der Rechtsanspruch auf eine Kindertagesbetreuung für Hunderttausende nicht erfüllt werden

In den westdeutschen Bundesländern fehlen rund 385.900 Kita-Plätze, um den Betreuungsbedarf der Eltern zu erfüllen. In Ostdeutschland gibt es rund 44.700 Plätze zu wenig. Das geht aus neuen Berechnungen der Bertelsmann Stiftung für das aktuelle „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“ hervor. Zwar gab es in den zurückliegenden Jahren erkennbare Fortschritte beim Ausbau von Kita-Angeboten. Doch zugleich ist der Bedarf kontinuierlich gestiegen, denn immer mehr Eltern wünschen sich – insbesondere für ihre jüngeren Kinder – eine Betreuung. Derzeit kann aber der Rechtsanspruch auf eine Kindertagesbetreuung, der seit 2013 auch für Kinder unter drei Jahren gilt, für hunderttausende Kinder nicht erfüllt werden.

Deutlich ungünstigere Personalschlüssel im Osten

In Ostdeutschland ist der Anteil an Kindern, die eine Kita besuchen, wesentlich höher als im Westen. Allerdings sind die Personalschlüssel hier deutlich ungünstiger. Während eine vollzeitbeschäftigte Fachkraft in Westdeutschland rechnerisch für 3,4 Kinder in Krippengruppen und für 7,7 Kinder in Kindergartengruppen verantwortlich ist, kommen im Osten 5,4 bzw. 10,5 Kinder auf eine Fachkraft. Den wissenschaftlichen Empfehlungen der Bertelsmann Stiftung zufolge, müssten die Personalschlüssel bei 1 zu 3 sowie bei 1 zu 7,5 liegen. Gemessen daran, werden fast 90 Prozent der Kita-Kinder in Ostdeutschland in Gruppen betreut, deren Personalschlüssel nicht kindgerecht sind. Allerdings sind es auch im Westen noch rund 62 Prozent.

„Der Fachkräftemangel erschwert es zunehmend, die Rechtsansprüche zu erfüllen und in den Kitas den Bildungsauftrag umzusetzen. Die Situation ist für Kinder und Eltern wie auch für das vorhandene Personal untragbar geworden“, sagt Anette Stein, Expertin der Bertelsmann Stiftung für frühkindliche Bildung.

Fachkräfte-Radar zeigt mögliche Entwicklungen bis 2030 auf

Im aktuellen „Fachkräfte-Radar für KiTa und Grundschule“ hat die Bertelsmann Stiftung untersucht, wie sich das Angebot und der Bedarf an Fachkräften in den Bundesländern in den kommenden Jahren entwickeln und wie sich das auf die Kita-Situation auswirken könnte. Bis 2030 besteht für die ostdeutschen Bundesländer aufgrund der zurückgehenden Kinderzahlen die Chance, die Personalschlüssel an das Westniveau anzugleichen und die Elternbedarfe zu erfüllen. Brandenburg und Sachsen sowie – mit etwas mehr Anstrengung – Sachsen-Anhalt und Thüringen können bis 2030 sogar kindgerechte Personalschlüssel erreichen. Für alle Ost-Bundesländer gilt, dass das aktuell beschäftigte Kita-Personal nicht entlassen werden darf und sogar zusätzlich neue Fachkräfte gewonnen werden müssen.

Hamburg kann wohl bis 2030 die Elternbedarfe erfüllen

Für die westdeutschen Bundesländer ist insbesondere der hohe Bedarf an Kita-Plätzen eine enorme Herausforderung. Lediglich Hamburg kann laut Prognose bis 2030 sowohl die aktuellen Elternbedarfe als auch kindgerechte Personalschlüssel erfüllen. Auch für Niedersachsen wären beide Ziele realistisch, mit etwas mehr Anstrengungen ebenso für Schleswig-Holstein. Die meisten West-Bundesländer könnten bis 2030 die aktuellen Elternbedarfe decken und bei der Personalausstattung zumindest den West-Durchschnitt erreichen. Allerdings müssten dazu noch mehr Fachkräfte gewonnen werden, als der Prognose zufolge zur Verfügung stehen.

Ein Mix aus langfristig und kurzfristig wirkenden Maßnahmen

 Um die Ziele bis 2030 zu erreichen, müssen die Bundesländer jetzt die jeweils nötigen Schritte einleiten: Die ostdeutschen Länder müssen die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Kitas mehr Personal beschäftigen können. Solange die Personalausstattung ungünstiger ist als im Westen, gibt es keine bundesweite Chancengerechtigkeit in der frühkindlichen Bildung. Für die westdeutschen Länder gilt es, den Platzausbau voranzutreiben. Gleichzeitig braucht es in allen Bundesländern langfristige Strategien für die Gewinnung und Qualifizierung von neuen Fachkräften sowie attraktive Beschäftigungsbedingungen, damit das Personal im Berufsfeld bleibt. Dafür ist eine abgestimmte und verbindliche Kooperation von Bund, Ländern, Kommunen und Trägern nötig. Zudem sollte sich der Bund über die Leistungen des Kita-Qualitätsgesetzes hinaus an der Finanzierung der frühkindlichen Bildung verlässlich beteiligen. 

Kurzfristige Lösungen kaum möglich

An der aktuellen Notsituation – den fehlenden Plätzen sowie den nicht kindgerechten Personalschlüsseln – werden diese langfristig angelegten Maßnahmen allerdings kaum etwas ändern. Das zeigen die Prognosen des Fachkräfte-Radars für das Jahr 2025. Daher sind Sofortmaßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen gefragt. So könnte das pädagogische Personal von Verwaltungs- und Hauswirtschaftsaufgaben entlastet werden. Auch Quereinsteiger:innen können die Lage entspannen. Aber: „Auf keiner Ebene darf es Abstriche an der pädagogischen Qualifizierung geben. Sonst leidet die Bildungsqualität darunter“, mahnt Anette Stein. Wie die Berechnungen ebenfalls zeigen, würde in einigen Bundesländern eine Reduzierung der Kita-Öffnungszeiten bis 2025 dazu beitragen, die Ziele schneller zu erreichen. „Das ist zweifellos eine einschneidende Maßnahme, die nur individuell und in enger Abstimmung zwischen Kommune, Träger und Eltern getroffen werden sollte“, betont Stein. „Aber die Kita-Krise ist so weit fortgeschritten, dass neue Antworten gefragt sind.“

Zusatzinformationen:

Für das „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“ und den „Fachkräfte-Radar für KiTa und Grundschule“ wurden Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder aus der Kinder- und Jugendhilfestatistik (Stichtag 1. März 2022), des BMFSFJ („Kindertagesbetreuung Kompakt“, 2023), des DJI („Kinderbetreuungsreport 2022“, 2023) und weiteren amtlichen Statistiken ausgewertet. Die Berechnungen haben das LG Empirische Bildungsforschung der FernUniversität in Hagen, Economics & Data ED23 GmbH und die Bertelsmann Stiftung durchgeführt.

Alle Informationen zur Veröffentlichung finden Sie hier. Eine kompakte Darstellung der Ergebnisse bietet der Online-Artikel “KiTa-Personal braucht Priorität! Auch 2023”.  

Auf www.laendermonitor.de finden Sie zudem weitere aktuelle Daten und Fakten zur frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung in Deutschland. Dazu gibt es unter www.laendermonitor.de/laenderprofile Daten und Analysen zum Status quo des frühkindlichen Bildungssystems für jedes Bundesland. Darüber hinaus erscheint zu Beginn des nächsten Jahres die neunte Ausgabe des Länderreports Frühkindliche Bildungssysteme.  

Die Ergebnisse des Fachkräfte-Radars für KiTa und Grundschule finden Sie unter www.fachkraefte-radar-kita-grundschule-2023.de. Die gesamte Publikation steht hier zum Download bereit.  

Quelle: Bertelsmann Stiftung




Warum Kinder aus benachteiligten Familien seltener eine Kita besuchen

Kindergarten

Studie geht der Frage nach der Verteilung und den Gründen für ungedeckte Kita-Bedarfe auf unterschiedliche Gruppen nach

Eine neue Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB), die von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegeben wurde, geht der Frage nach, wie sich die ungedeckten Kita-Bedarfe über unterschiedliche Gruppen von Familien verteilen und was die Gründe dafür sind, dass trotz Bedarf kein Platz genutzt wird. Wie aus der Studie hervorgeht,gibt es bei der Nutzung öffentlich finanzierter Bildungs- und Betreuungsangebote insbesondere für Kinder zwischen einem und unter drei Jahren stark ausgeprägte sozioökonomische Unterschiede.

Kinder aus armutsgefährdeten Familien unterrepräsentiert

Demnach sind Kinder aus Familien deutlich unterrepräsentiert, die armutsgefährdet sind, in denen überwiegend kein Deutsch gesprochen wird oder deren Eltern keinen akademischen Hintergrund besitzen. Insgesamt hat in Deutschland die Hälfte der Kinder in dieser Altersklasse einen Kita-Platz – unter Kindern aus armutsgefährdeten Haushalten ist es nur ein Viertel. Bei Familien, die überwiegend kein Deutsch zuhause sprechen, gehen drei von zehn Kindern in eine Kita, bei Familien ohne akademischen Hintergrund vier von zehn.

Vielfältige Gründe für mangelnde Bedarfsdeckung

Die Gründe für die fehlende Bedarfsdeckung sind vielfältig und liegen sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite. Potenziell benachteiligte Familien berichten deutlich häufiger von Schwierigkeiten bei der Kita-Suche und bemängeln öfter fehlende wohnortnahe Bildungs- und Betreuungsmöglichkeiten sowie unpassende Öffnungszeiten. „Dies lässt auf mangelnde Informationen und ein nicht bedarfsgerechtes Angebot in Wohnortnähe dieser Familien schließen“, sagt Mitautorin Dr. Sophia Schmitz. Potenziell benachteiligte Familien vermuten zudem häufiger eine mangelnde Förderung ihrer Kinder.

Verschiedene Ansätze könnten Kita-Gaps reduzieren

Die vielen Barrieren, die Familien je nach sozioökonomischen und -demografischen Merkmalen den Zugang zu Kitas erschweren, erfordern einen breiten Ansatz, um bestehende Bedarfe zu decken. So könnten ein weiterer Ausbau sowie qualitativ hochwertige und wohnortnahe Einrichtungen Kita-Gaps reduzieren. Auf der Kostenseite könnte eine bundesweit festgelegte Staffelung von Gebühren nach Haushaltseinkommen Kindern aus Familien mit geringeren Einkommen den Besuch einer Kita erleichtern. Außerdem könnten bessere Informationen über den bestehenden Rechtsanspruch, das Bewerbungsverfahren und die Vorteile frühkindlicher Bildung und Betreuung dazu beitragen, Kita-Gaps zu verringern. Das umfasst auch Initiativen wie ein erleichtertes Anmeldeverfahren, um die Suche nach einer Einrichtung möglichst einfach zu halten.

Ungedeckte Kita-Bedarfe mit weitreichenden bildungs- und gleichstellungspolitischen Folgen

Nach Ansicht von Prof. Dr. C. Katharina Spieß, Direktorin des BiB und eine der Autorinnen der Studie, ist es falsch, die geringere Kita-Nutzung auf einen geringeren Bedarf der Familien zurückzuführen. Tatsache ist: „Die Kita-Bedarfe können für potenziell benachteiligte Familien seltener gedeckt werden. Dies betrifft vor allem das zweite und dritte Lebensjahr von Kindern, zeigt sich aber teilweise bis zum Schuleintritt.“ Insgesamt haben 21 Prozent aller Familien mit Kindern zwischen einem und unter drei Jahren trotz Betreuungswunsch keinen Kita-Platz. Bei armutsgefährdeten Familien sind es 33 Prozent, bei Familien ohne akademischen Hintergrund 25 Prozent und bei Familien, in denen überwiegend kein Deutsch gesprochen wird, 39 Prozent. „Die Befunde zeigen höhere ungedeckte Bedarfe vor allem bei denjenigen Gruppen, bei denen Kinder und Eltern besonders von einem Kita-Besuch profitieren könnten“, erklärt Dr. Mathias Huebener, Co-Autor der Studie. Demnach könnte ein früherer Besuch in einer qualitativ guten Kita Ungleichheiten in der Entwicklung von Kindern verringern, die sich bereits vor dem Schuleintritt teils deutlich ausprägen. Die Analysen der Studie zeigen weiterhin, dass in Familien, die ihren Kita-Bedarf nicht decken können, vielfach Mütter sind, die gern eine Erwerbstätigkeit aufnehmen würden. Eine Erfüllung der Betreuungswünsche kann die Erwerbsbeteiligung besonders für Mütter aus potenziell benachteiligten Familien deutlich steigern.

Hintergrund:

Die Untersuchung basiert auf Daten der Kinderbetreuungsstudie (KiBS) für die Jahre 2018 bis 2020 und wurde von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegeben. Sie kann hier heruntergeladen werden: https://www.fes.de/cgi-bin/gbv.cgi?id=20728&ty=pdf

Originalpublikation:

https://www.fes.de/cgi-bin/gbv.cgi?id=20728&ty=pdf

Dr. Christian Fiedler, Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB)