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Es gilt die psychische Gesundheit der Fachkräfte zu fördern

Die großen Lösungen im frühpädagogischen Bereich dauern noch Jahre, umso wichtiger ist eine breite Unterstützung der Erzieherinnen und Erzieher

Kita-Mitarbeitende sind deutlich häufiger krank als der Durchschnitt aller Berufsgruppen. Insbesonders die Ausfälle aufgrund psychischer Erkrankungen liegen über dem Schnitt aller Berufsgruppen. Das berichtete jüngst die Bertelsmann Stiftung und das Fachkräfte-Forum. Beide appellierten, die pädagogischen Fachkräfte zu entlasten und die Ausfallzeiten durch Vertretungen aufzufangen. Dafür brauche es Geld und pädagogisch qualifizierte Vertretungskräfte.

50 Prozent mehr Krankheitstage

Knapp 30 Tage waren Beschäftigte in der Kinderbetreuung und -erziehung im Jahr 2023 arbeitsunfähig, gegenüber rund 20 Tagen bei allen Berufsgruppen. Wenig überraschend ist, dass die weitaus meisten Krankheitsgründe aufgrund von Atemwegserkrankungen erfolgten. Bedrückend dagegen, dass an zweiter Stelle bereits die psychischen Erkrankungen folgen. Darin erkennt Anette Stein, Expertin der Bertelsmann Stiftung für frühkindliche Bildung, einen echten Teufelskreis: „Aufgrund der steigenden Krankenstände fallen immer mehr Fachkräfte aus, wodurch die Überlastung für die verbleibenden Beschäftigten weiter zunimmt. An gute frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung ist vielerorts gar nicht mehr zu denken.“

Forderungen sind gut, Lösungen wären besser

Woher die benötigten pädagogisch qualifizierten Fachkräfte kommen sollen, können Stiftung und Fachkräfte-Forum auch nicht so recht sagen. Zwar verweist Bertelsmann auf sein Fachkräfte-Radar für Kita und Grundschule, nach welchem aufgrund zurückgehender Kinderzahlen im Osten die Chance bestehe, freiwerdende Fachkräfte für Vertretungen zu nutzen. Bei der Veröffentlichung des Fachkräfteradars äußerte Stein jedoch: „Bis 2030 besteht für die ostdeutschen Bundesländer aufgrund der zurückgehenden Kinderzahlen die Chance, die Personalschlüssel an das Westniveau anzugleichen und die Elternbedarfe zu erfüllen. Brandenburg und Sachsen sowie – mit etwas mehr Anstrengung – Sachsen-Anhalt und Thüringen können bis 2030 sogar kindgerechte Personalschlüssel erreichen.“

Bessere Personalschlüssel und gleichzeitig mehr pädagogisch qualifizierte Vertretungskräfte? Zwei Dinge in einem? Und das bis 2030? Die pädagogischen Fachkräfte werden sich kaum zweiteilen lassen und zudem sind fünf Jahre eine lange Zeit. Errechnet die Stiftung doch, dass angesichts der Krankheitszahlen zusätzlich wohl 97.000 vollzeitbeschäftigte Fachkräfte als Vertretungskräfte fest eingestellt werden müssten. Angesichts der Tendenz zur Teilzeit dürfte der Bedarf wohl eher bei 150.000 liegen.

Individuelle Lösungen führen eher zum Ziel

Angesichts der über Jahrzehnte hinweg schrumpfenden Geburtenjahrgänge erfassen solche Zahlen die Realität nicht und können schon gar keine Lösungen bieten. Es ist sicher an der Zeit die Bankrotterklärung des Betreuungssystems ernsthaft zu akzeptieren. Dabei darf nicht die Qualität leiden, sondern die Quantität muss verringert werden. Weniger Betreuungszeit wird jedoch weitere Mängel in Wirtschaft und Gesellschaft offenbaren. Das Problem kann deshalb schon lange nicht mehr im Großen und Ganzen gelöst werden, ohne dass sich die Politik aus der Verantwortung stehlen darf. Die besten Lösungen werden sich jedoch vieltausendfach in individuellen Lösungen vor Ort finden lassen. Hier müssen alle Verantwortung für die Bildung und Betreuung der Kinder übernehmen. Besonders die Gemeinden sind hier mit erhöhten Aufwendungen und auch die Vereine sind gefragt.

Die eine richtige Lösung wird es dabei nicht geben. Aber es ist sicher besser, der Realität ins Auge zu sehen, statt auf eine qualifizierte Unterstützung von Menschen zu hoffen, die niemals geboren wurden. Übrigens auch ein Versagen der Familienpolitik in den vergangenen Jahrzehnten.

Konkrete Hilfen

Einen kleinen Anteil können auch einfache Präventionsmaßnahmen im Hygiene- und Gesundheitsbereich leisten. Mehr Bewegung und eine gesündere Ernährung gehören für Kinder wie Erwachsenen dazu.

Helfen können auch Informationen aus verschiedenen Bereichen. So hat etwa die Weiterbildungsinititative Frühpädagogische Fachkräfte ein Wegweiser zur Gesundheitsförderung in Kitas herausgegeben. Hier sind Handlungsanforderungen genauso enthalten wie Kompetenzprofile und Umsetzungsbeispiele.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hat in ihrem alphabetischen Verzeichnis einen ausführlichen Beitrag zur Gesundheitsförderung in Kindertageseinrichtungen zu bieten. In der Zusammenfassung ihres Beitrags schreiben Antje Richter-Kornweitz und Christina Kruse: „Gesundheitsförderung in Kindertageseinrichtungen (Kitas) setzt im Alltag an: Sie soll Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Einrichtung berücksichtigen und ein positives Konzept von Gesundheit vermitteln. Ziel ist es, die Kita zu einer gesunden Lebenswelt zu machen. Im Mittelpunkt steht dabei ebenso die Förderung von gesundheitsrelevanten Einstellungen und Verhaltensweisen, wie die Entwicklung der nötigen Rahmenbedingungen bzw. Lebensverhältnisse. Zwischen beidem bestehen enge Wechselwirkungen.“

Eine Handlungshilfe zur Gefährdungsbeurteilung in Kindertageseinrichtungen hat die Unfallkasse Baden-Württemberg herausgegeben. Unter der Überschrift „Gesundheit von pädagogischen Fachkräften“ bilden die psychischen Faktoren einen besonderen Schwerpunkt der Handlungshilfe. Dabei möchte die Unfallkasse Trägern, Kita-Leitungen und Interessierten dadurch Mut machen, sich mit diesen zunehmend an Bedeutung gewinnenden Faktoren zu befassen, um für alle Beteiligten eine optimale, gesundheitsförderliche Gestaltung des Berufes von pädagogischen Fachkräften zu erreichen.

Denn nach der Lektüre all dieser Schriften zeigt sich, dass es in erster Linie auf die psychische Gesundheit der pädagogischen Fachkräfte ankommt. Sie ist die Grundlage für ein qualitätsvolles Bildungs- und Betreuungssystem. Grundlegende Lösungen werden jedoch noch lange auf sich warten lassen. Jetzt sollten sich vor allem Gemeinden, Vereine und jeder einzelne aufgefordert sehen, pädagogische Fachkräfte in ihrer Arbeit zu unterstützen. Konzepte dafür gibt es reichlich. Vielmehr hakt es an der Bereitschaft. Aber Bildung und Erziehung der Kinder ist Aufgabe der gesamten Gesellschaft. Schließlich entscheiden deren Erfolg oder Misserfolg über deren Zukunft.

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