Mehr als die Hälfte aller Kinder nicht ausreichend mit Jod versorgt:
Die Zeiten, in denen schwere Jod-Mangelerscheinungen wie der Jodmangelkropf bei Erwachsenen und der mit geistiger Behinderung einhergehende Kretinismus bei Kindern in Deutschland weit verbreitet waren, sind lange vorüber. Seit den achtziger Jahren, als das jodierte Speisesalz eingeführt wurde, gilt Deutschland nicht mehr als Jodmangelgebiet.
Diesen Status sieht der Berufsverband Deutscher Nuklearmediziner e.V. (BDN) aktuell jedoch gefährdet. Denn wie Monitoring-Daten zeigen, ist mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen in Deutschland nicht mehr ausreichend mit Jod versorgt. Vor allem die Aufnahme von Jod während der Schwangerschaft, der Stillzeit und der frühen Kindheit hat einen wesentlichen Einfluss auf die kindliche Gehirnentwicklung – daher müsse nun dringend über Wege nachgedacht werden, um dem Mangel an Jod entgegenzuwirken, so der BDN.
Jodversorgung hat sich verschlechtert
Zwischen dem ersten und dem zweiten Jodmonitoring, die das Robert Koch-Institut im Rahmen der „Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland“ (KIGGS) vorgenommen hat, liegen elf Jahre. „In diesem Zeitraum hat sich die Jodversorgung deutlich verschlechtert“, sagt BDN-Experte Professor Dr. med. Matthias Schmidt, Nuklearmediziner am Universitätsklinikum Köln. Lag die durchschnittliche Jodausscheidung der Probanden bei der Basiserhebung noch bei 116 µg Jod pro Liter Urin (µg/l), war sie beim zweiten, 2019 publizierten Monitoring auf 89 µg/l gesunken – auf individueller Ebene betrachtet blieben dabei mehr als 58 Prozent der Kinder und Jugendlichen unterhalb des WHO-Grenzwertes von 100 µg/l.
Vor allem Mädchen und junge Frauen sind unterversorgt
„Damit ist Deutschland wieder ein mildes Jodmangelgebiet geworden“, sagt Schmidt. Dies sei besonders beunruhigend, als sich bei detaillierterer Betrachtung zeige, dass gerade Mädchen, und hier wiederum besonders die älteren Altersgruppen, mit Jod unterversorgt seien. „Auch in anderen Studien zeigt sich, dass gerade junge Frauen im gebärfähigen Alter nicht die empfohlene Jodaufnahme erreichen“, so der Schilddrüsenexperte. Diese liege für Jugendliche und Erwachsene bei 200 µg/Tag, während der Schwangerschaft bei 230 und für Stillende sogar bei 260 µg/Tag.
Jodmangel führt auch zu Intelligenzminderung
Werden diese Werte deutlich unterschritten, kann es bei Erwachsenen zu Jodmangelstörungen wie einer Größenzunahme der Schilddrüse (Kropf) oder der Bildung von Schilddrüsenknoten kommen. Als wesentlicher Bestandteil der Schilddrüsenhormone T3 und T4 trägt Jod auch zu einer Vielzahl anderer Körperfunktionen bei – etwa zur Knochenbildung, der Regulation von Blutdruck und Stoffwechsel sowie zur Immunabwehr. „Besonders gefährlich ist ein Jodmangel jedoch für Ungeborene und Kleinkinder“, betont Schmidt. Die Schilddrüsenhormone seien essenziell für das kindliche Wachstum und die Gehirnentwicklung. Ein Jodmangel in dieser Phase könne das Risiko für spätere Einschränkungen der intellektuellen Fähigkeiten und der Feinmotorik erhöhen.
Moderne Ernährungstrends fördern Defizite
Die Ursachen für die abnehmende Jodversorgung sind vielfältig: Zum einen besteht ein – im Hinblick auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit an sich positiver – Trend zu geringerem Kochsalzkonsum. Zum anderen setzen sich gerade bei jungen Frauen zunehmend vegetarische oder vegane Ernährungsformen durch, bei denen auch auf Milchprodukte als wichtige Jodlieferanten verzichtet wird. In Mode ist es auch, mit „Himalaya-Salz“ oder anderen als besonders naturrein geltenden, nicht-jodierten Speisesalzen zu würzen.
Lebensmittelhersteller sollten jodiertes Speisesalz zusetzen
Der Hauptgrund für die unzureichende Jodversorgung dürfte aber in der zunehmenden Verwendung verarbeiteter Lebensmittel liegen. „Diese liefern heute den Hauptanteil des Salzes, das wir aufnehmen – sind jedoch meist mit unjodiertem Salz hergestellt“, sagt Schmidt. Ein Weg, um dem Jodmangel zu begegnen, könnte daher in der Verpflichtung von Lebensmittelherstellern liegen, in ihren Produkten ausschließlich jodiertes Speisesalz zu verwenden. Auch die Anhebung des Jodgehalts in jodiertem Speisesalz von derzeit 20 µg auf 25 µg pro Gramm Salz könnte dazu beitragen, trotz des begrüßenswerten Trends zur geringeren Salzaufnahme eine ausreichende Versorgung mit Jod zu gewährleisten.
Quelle: Berufsverband Deutscher Nuklearmediziner e.V. (BDN)
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