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Neugierde: ein ursprüngliches Prinzip, das große Forscher*innen schafft

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Kinder brauchen auf ihrem Weg des Entdeckens und Verstehens keine „Antleiter*innen“, sondern Menschen, die sie begleiten – aufmerksam, vertrauensvoll und mit offenem Herzen

Was ist eigentlich eine Wissenschaftler*in? Der berühmte französische Meeresforscher Jacques-Yves Cousteau beschrieb es treffend: „Es ist ein neugieriger Mensch, der durch ein Schlüsselloch blickt – das Schlüsselloch der Natur –, um zu erkennen, was dahinter geschieht.“ Wer schon einmal in die staunenden Augen von Kindern geblickt hat, erkennt schnell: Hier stehen viele kleine Wissenschaftler*innen vor uns. Denn jedes Kind tritt neugierig und forschend in die Welt – ein innerer Drang, der tief in unserer Natur verankert ist. Wir müssen Neugier nicht erst lernen, doch wir können sie im Laufe unseres Lebens verlieren. Dabei ist sie der Motor, der Kinder antreibt, die Welt zu erkunden – und im Spiel mit allen Sinnen zu begreifen. So wird die Neugier zur treibenden Kraft von Entwicklung, Erkenntnis und Fortschritt.

Jedes Kind ist eine Forscher*in

Jedes Kind ist von Anfang an Forscher*in. Wenn es Glück hat, trifft es auf Erwachsene, die ihm Sicherheit und Raum geben, um seinen eigenen Weg zu gehen. Hat es Pech, wird ihm früh alles erklärt – und das Interesse versiegt. Konfuzius brachte es auf den Punkt: „Was du mich tun lässt, das verstehe ich.“ Erst durch eigenes Handeln entsteht echtes Verständnis und Selbstwirksamkeit. Und daraus wiederum wächst die Motivation, weiterzuforschen – ein Prinzip, das schon die größten Wissenschaftlerinnen prägte. Albert Einstein schrieb über sich: „Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.“ Diese Leidenschaft lässt sich bei Kindern wunderbar beobachten: Der kleinste Stein, ein Strohhalm im Wind oder winzige Lebewesen können Staunen und Entdeckerlust entfachen.

Mit allen Sinnen begreifen

Kinder wollen die Welt selbst erkunden – mit allen Sinnen, möglichst eigenständig. Ihr Bedürfnis nach Autonomie ist ebenso stark wie das der Erwachsenen. Doch ihr Lernen funktioniert anders: Für sie ist vieles neu, und genau deshalb sind sie so neugierig. Sie wollen nicht belehrt, sondern eingeladen werden – zum Staunen, Fragen und Ausprobieren.

Noch immer hält sich das Vorurteil, man müsse Kindern möglichst viel erklären, um sie auf das Leben vorzubereiten. Doch schon Friedrich Wilhelm Fröbel erkannte im 19. Jahrhundert: „Bei der Erziehung muss man etwas aus dem Menschen herausbringen und nicht in ihn hinein.“ Sein revolutionärer Gedanke vom Kindergarten basierte auf dieser Überzeugung. Im Gegensatz zu bloßen „Kinderbewahranstalten“ verstand Fröbel den Kindergarten als Ort, an dem das kindliche Spiel und das eigenständige Erforschen von Erwachsenen begleitet – nicht gesteuert – werden sollte.

Interesse und Möglichkeiten

Maria Montessori schrieb: „Das Interesse des Kindes hängt von der Möglichkeit ab, eigene Entdeckungen zu machen.“ Die moderne Neurobiologie bestätigt: Kinder lernen dann am besten, wenn sie selbst aktiv sind. Dafür braucht es keine Hightech-Labore – Naturräume und eine durchdachte, anregende Umgebung genügen. Entscheidend ist aber vor allem: Kinder brauchen Erwachsene mit Einfühlungsvermögen, Geduld und Vertrauen. Pädagogische Fachkräfte, die nicht sofort Lösungen vorgeben, sondern Kindern die Freiheit lassen, eigene Wege und manchmal ganz eigene Antworten zu finden.

Für uns Erwachsene ist das oft nicht leicht. Unsere Erfahrungen, Vorstellungen und Urteile stehen dem kindlichen Forschergeist nicht selten im Weg. Doch wie Wilhelm Busch sagte: „Wer in den Fußstapfen eines anderen wandelt, hinterlässt keine eigenen Spuren.“

Im richtigen Moment Impulse setzen

Natürlich heißt Begleitung nicht, Kinder sich selbst zu überlassen. Es braucht pädagogische Professionalität mit Fingerspitzengefühl für den richtigen Moment, um Impulse zu geben, Orientierung zu bieten und weiterführende Fragen zu stellen. Jean-Jacques Rousseau brachte es weise auf den Punkt: „Kindererziehung ist ein Beruf, wo man Zeit zu verlieren verstehen muss, um Zeit zu gewinnen.“

Echte Erkenntnis braucht Zeit – und sie braucht das eigene Tempo. Kinder haben ein Recht darauf, in ihrer Geschwindigkeit zu lernen. Sie zu drängen oder einseitig zu fördern, führt meist in die Irre. Lernen lässt sich nicht beschleunigen oder „downloaden“ – dafür ist es zu sinnlich, zu lebendig, zu menschlich.

Experimentieren und forschen im Spiel

Für Kinder bedeutet Forschen nicht Bücherwälzen oder Laborarbeit. Ihr Spiel ist ihre Wissenschaft. Und wer ihnen dabei aufmerksam zusieht, erkennt: Mit welcher Ernsthaftigkeit, Ausdauer und Freude sie sich jeder Herausforderung stellen, ist beeindruckend – und lehrreich.

Denn: Die Welt braucht Menschen, die mutig unbekannte Wege beschreiten, kreative Lösungen finden und mit Engagement auf Neues zugehen – neugierig, forschend und selbstwirksam. So beginnt Forschung. So beginnt Bildung. So beginnt Zukunft.

Gernot Körner

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