Neue Studie: Demokratiebildungsprozesse bei Kindern im Übergang von der Kita in die Grundschule
Das Deutsche Kinderhilfswerk (DKHW) fordert die stärkere Verankerung von Demokratiebildung als Bildungs- und Erziehungsauftrag in den Bildungs- und Rahmenplänen von Grundschulen und Kitas. Dafür müssen Kinderrechte und Partizipation in der organisationalen Entwicklung der Bildungseinrichtungen festgeschrieben werden. Diese dürfen nicht nur von der Initiative engagierter Lehr- und Fachkräfte abhängig sein. Zudem braucht es die Implementierung der Themen Demokratiebildung, Kinderrechte und gesellschaftliche Vielfalt als Aus- und Fortbildungsinhalte für das pädagogische Personal im Bildungsbereich. Die Forderungen basieren auf Ergebnissen einer Studie des DKHW zu Demokratiebildungsprozessen bei Kindern im Übergang von der Kita zur Grundschule.
Kinder müssen bereits in der Kita Partizipationserfahrungen machen können
„Kinder müssen bereits in der Kita und dann nachfolgend in der Grundschule ab der ersten Klasse Partizipationserfahrungen machen können und an Gremien beteiligt werden. Sie dürfen keinen Bruch in ihren Demokratiebildungserfahrungen beim Übergang von der Kita in die Grundschule erleben. Frühe Partizipationserfahrungen in der Kita werden in Schule und Hort viel zu wenig aufgegriffen und weiterentwickelt. So wie wir beim Kinderschutz in Präventionsketten denken, gilt es auch das Thema Demokratieerfahrungen in ineinandergreifenden Konzepten verschiedener Bildungseinrichtungen zu etablieren. Die qualitative Studie hat auch gezeigt, dass zwar an allen untersuchten Schulen formelle Beteiligungsformate wie Klassensprecherinnen und Klassensprecher und zum Teil Formate wie Klassenrat oder Essensausschuss etabliert sind, aber in fast allen Fällen waren Kinder der ersten Klassenstufen hiervon ausgeschlossen. Hier braucht es ein Umdenken, Kindern dürfen in den ersten Schuljahren keine Beteiligungskompetenzen abgesprochen und damit einhergehend Beteiligungsmöglichkeiten verwehrt werden“, betont Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.
Schul-, Kita-, und Hortkonzepte müssen Demokratiebildung als wesentlichen Bestandteil ihrer alltäglichen pädagogischen Praxis begreifen
Zudem braucht es eine stärkere Verzahnung und Kooperation von Grundschule, Hort und Kita, um im multiprofessionellen Team ein gemeinsames Bildungsverständnis zu entwickeln und Partizipation von Kindern sowie die Umsetzung der Kinderrechte sicherzustellen.
„Die Ergebnisse der Studie zeigen auch, dass in Kitas und Schulen, in denen umfangreiche demokratiebildende Konzepte zum Einsatz kommen, die Kinder wichtige Kompetenzen wie Selbstständigkeit, Selbstbewusstsein, Kompromissfähigkeit sowie die Fähigkeit zur Aushandlung und Empathie stärken konnten. Das schließt an die Ergebnisse des Kinderreports 2012 des Deutschen Kinderhilfswerkes an, dass frühe Beteiligung von Kindern den Kreislauf der Vererbung von Armut durchbricht. Der Kinderreport hatte gezeigt, dass Kinder durch Mitbestimmung schon in jungem Alter soziale Kompetenzen entwickeln, die sie stark machen. Dadurch können die Kinder erfolgreich mit aversiven Reizen umgehen. Für Kinder aus benachteiligten sozialen Lagen ist es also von besonderer Bedeutung, schon im jungen Alter in der Kita und der Grundschule entsprechende Erfahrungen machen zu können“, so Holger Hofmann.
Zum Hintergrund der Studie:
Im Rahmen des Kompetenznetzwerkes Demokratiebildung im Kindesalter untersuchte die InterVal GmbH im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes, wie sich Demokratiebildungsprozesse von Kindern im Übergang von der Kita zur Grundschule entwickeln. Ein besonderes Augenmerk der Untersuchung lag dabei auf den Erfahrungen und dem Erleben der Kinder in den Bereichen Kinderrechte, Partizipation, Inklusion und Persönlichkeitsentfaltung sowie der Entwicklung von hiermit zusammenhängenden Kompetenzen. Zudem wurden die Einflüsse institutioneller Eigenschaften von Kita und Grundschule und die der pädagogischen Fachkräfte und Eltern bzw. Erziehungsberechtigten in den Blick genommen. Das mehrjährige qualitative Forschungsvorhaben (2020-2023) stellte die Perspektive der Kinder in den Mittelpunkt und war partizipativ angelegt.
Die Studie wurde im Rahmen des Projekts Kompetenznetzwerk Demokratiebildung im Kindesalter umgesetzt. Als Träger des Kompetenznetzwerkes erhält das Deutsche Kinderhilfswerk eine Förderung im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Die Studie „Demokratiebildungsprozesse bei Kindern im Übergang von der Kita in die Grundschule“ kann unter www.dkhw.de/studie-demokratiebildungsprozesse heruntergeladen werden.
Der Grundschulverband sieht sich in seiner Position durch die vorliegende Studie bestätigt
Der Grundschulverband hat anlässlich seines Bundesgrundschulkongresses von 2019 das Papier ‚Anforderungen an eine zukunftsfähige Grundschule‘ veröffentlicht. Dabei sind sechs zentrale Punkte benannt und konkretisiert im Punkt ‚Die Grundschule der Zukunft ist eine demokratische Schule‘. Die da festgehaltenen Positionen finden sich allesamt wieder in der Studie „Demokratiebildungsprozesse bei Kindern im Übergang von der Kita in die Grundschule“ und bestätigen damit die entsprechende Position des Grundschulverbands. (Kostenlos zu bestellen oder zum Download als PDF)
„Wie diese Position in der Organisation Grundschule verwirklicht werden kann, zeigt der Grundschulverband in seinen Veröffentlichungen (so zum Beispiel in Heft 159 seiner Zeitschrift Grundschule aktuell „Demokratie lernen. Beteiligung erfahren) und auch in Veranstaltungen (wie zum Beispiel in einem gemeinsamen Fachtag für Grundschulen des Grundschulverbands BW mit dem Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung und der Landeszentrale für politische Bildung BW vom Februar 2024 zum Thema: Kinder beteiligen – Demokratie lernen“). Deutlich macht der Verband immer, dass die Umsetzung dieses Anliegens bereits schon in den ersten Klassen angegangen werden muss.
Der Grundschulverband sieht sich in seiner Position durch die vorliegende Studie bestätigt und wird das Thema weiter mit voranbringen“, so Edgar Bohn, 1. Vorsitzender des Grundschulverbandes. Weitere Informationen zum Grundschulverband e.V. finden Sie hier: grundschulverband.de
Quelle: Pressemitteilung Deutsches Kinderhilfswerk; Stellungnahme Grundschulverband e.V.