Hansen Sandseter, Ellen Beate & Jensen, Jens-Ole (Hrsg.): Wild und gefährlich? Riskantes Spiel bei Kindern
Kinder wollen sich bewegen – Kinder müssen sich bewegen (dürfen)! In vielen wissenschaftlichen Untersuchungen wird deutlich darauf hingewiesen: >Bewegung ist das Tor zum Lernen< (so lautet auch der Titel des Buches von Dr. Carla Hannaford); Dr. Frieder Beck, Sportwissenschaftler und Hirnforscher titelt sein Buch mit >Bewegung macht schlau< und die Kognitionspsychologin Dr. Manuele Macedonia benennt ihre beachtenswerte Publikation mit dem Titel >Beweg Dich und dein Gehirn sagt danke.< In Deutschland fordert die Erziehungswissenschaftlerin und Professorin für Sportwissenschaft >Schafft die Stühle ab< und weist mit diesem Plädoyer auf die Notwendigkeit eines bewegten Kinderalltags. Gleichzeitig ist in vielen Kindertageseinrichtungen, und auch von Eltern, die immer wiederkehrende Aufforderung an Kinder zu hören: „Rennt nicht so rum!“ / Klettere da nicht hoch – das ist zu gefährlich!“ / „Hör‘ auf zu toben und komm‘ mal zur Ruhe!“ / „Kannst du nicht mal 5 Minuten ruhig sitzenbleiben?!“ … Gleichzeitig klagen Kinderärzte über übergewichtige/ bewegungsinaktive Kinder und Motopäd*innen stellen zunehmend motorische Koordinationsstörungen bei Kindern fest.
Daher ist es überaus zu begrüßen, dass sich zwei norwegische Wissenschaftler*innen dem wilden und riskanten Spiel von Kindern und Jugendlichen zugewandt haben und dabei der Frage nachgegangen sind, warum und wofür auch wilde und riskante, motorische Ausdrucksformen so bedeutsam für den Auf- und Ausbau von unterschiedlichen Entwicklungspotenzialen im kognitiven, motorischen, emotionalen und sozialen Bereich sind.
Das Buch, das unter Berücksichtigung forschungsbasierter Aufsätze verfasst wurde, setzt sich aus elf Kapiteln zusammen.
- Zunächst geht es um die hohe Bedeutung von riskantem Spielverhalten für die kindliche Entwicklung (1).
- Dann folgen die Schwerpunkte zur Zivilisierung wilder und gefährlicher Bewegungsspiele (2),
- Gefahrenbewältigung beim Trampolinspringen (3),
- Rauf- und Tobe-/ Kampfspiele sowie Kampfkultur (4),
- Kindliche Tummelspiele und spielerisches Kämpfen (5), Tobespiele und spielerisches Kämpfen aus kindergartenpädagogischer Sicht (6),
- Parkpuraktivitäten (7),
- Rollenspiel im Zirkus und Zirkuspädagogik (8),
- Zirkus im Kindergarten und das Zirkuserleben mit Kleinkindern (9),
- Das kindliche Spiel im Naturkindergarten (10)
- und Verletzungen, Unfälle und Sicherheitsdenken (11).
Auch wenn am Schluss eines jeden Kapitels norwegische bzw. englischsprachige Literaturquellen benannt sind, wäre es natürlich noch hilfreicher gewesen, wenn im Lektorat auch deutschsprachige Literatur zur Themenvertiefung für interessierte Leser*innen hinzugefügt worden wäre.
Diese Veröffentlichung muss es schaffen, die Mitarbeiter*innen in „Sitzkindergärten“ im Gegensatz zu „Bewegungskindergärten“ zum Aufstehen zu ermutigen – die unmissverständlichen Grundlagen sind dafür mehr als deutlich auf- und ausgeführt. Jungen und Mädchen brauchen motorische Herausforderungen, um sich selbst immer mehr zu entdecken, an motorische Grenzen zu stoßen und diese zu überwinden! Ein Satz zum Nachdenken: „Tischspiele und Basteln kann man im Altenheim immer noch nachholen!“
So gilt es mehr und mehr, eine austarierte Balance zwischen ausgeprägten Bewegungsaktivitäten im Spiel und einem häufig viel zu engen Schutz- und Sicherheitsbedürfnis bei Erwachsenen zu finden. Und dabei fängt alles mit der eigenen, ungezügelten Bewegungsfreude an.
Armin Krenz

Hansen Sandseter, Ellen Beate & Jensen, Jens-Ole (Hrsg.): Wild und gefährlich? Riskantes Spiel bei Kindern.
Für Kita und Schule. Cornelsen/ Verlag an der Ruhr, Mülheim 2022. ISBN: 978-3-8346-5289-8. 219 Seiten, 29,99 €