Wie Bewegung Kinder in ihrer Einzigartigkeit fördert und sie in Kita und Alltag wachsen lässt.
Kinder wollen sich jenseits von Förderprogrammen und normierten Bildungszielen von Beginn an in ihrer Ganzheitlichkeit menschenwürdig und beziehungsstark entwickeln. Sie erwarten in der inklusionsorientierten Kindertageseinrichtung eine grundlegende Orientierung an ihren Entwicklungsbedürfnissen.
Darauf weist uns der Arzt und Reformpädagoge Janusz Korczak ganz entschieden hin, der vor 83 Jahren, am 5. August 1942, mit seiner Mitarbeiterin Stefania Wilczyńska und 200 Kindern in die Gaskammer von Treblinka ging.
An die Lehren, die aus diesem Menschheitsverbrechen zu ziehen sind, kann nicht genug erinnert werden. Korczak lehnte alle Versuche zu seiner Rettung ab. Die Kinder ahnten, was kommen würde. Er beruhigte sie und erklärte, er gehe mit ihnen. Wenige Tage vor seiner Ermordung vermerkte er in seinem Ghetto-Tagebuch:

An die Lehren, die aus diesem Menschheitsverbrechen zu ziehen sind, kann nicht genug erinnert werden. Korczak lehnte alle Versuche zu seiner Rettung ab. Die Kinder ahnten, was kommen würde. Er beruhigte sie und erklärte, er gehe mit ihnen. Wenige Tage vor seiner Ermordung vermerkte er in seinem Ghetto-Tagebuch: „Ich bin nicht dazu da, um geliebt und bewundert zu werden, sondern um selbst zu wirken und zu lieben. Meine Umgebung ist nicht verpflichtet, mir zu helfen, sondern ich habe die Pflicht, mich um die Welt, um den Menschen zu kümmern.“
Ohne Bewegung ist kein Leben möglich
Jeder Mensch hat das Bedürfnis, sich durch Bewegung auszudrücken, zu kommunizieren und sich zu entwickeln. Von Beginn des Lebens an gestaltet das Kind seine Beziehungen zur Welt durch Bewegungen. Es eignet sich die Welt mithilfe seiner Bewegungen an und erweitert sein Handeln mit Gegenständen, Bildern, Zeichen und Symbolen.
Wird dieses ganzheitliche Bewegungshandeln gestört, ist besonders die Denk- und geistige Entwicklung beeinträchtigt. Zwischen Bewegungsreichtum und der körperlich-seelisch-geistigen Entwicklung des Kindes besteht ein enger Zusammenhang: Je geschickter und koordinierter ein Kind sich bewegen lernt und seinen Bewegungssinn aktiviert, desto differenzierter und leistungsfähiger wird auch sein Nervensystem.
Hier kann es sein Lebensgefühl frei und mit Lust und Freude entfalten. Wird dem Kind jedoch das Erleben von Wohlbefinden durch Bewegungserfahrungen nicht ermöglicht, weil es sich ruhig verhalten und lange sitzen muss, verkümmern sein Freiheitsgefühl ebenso wie die veranlagten kognitiven und kreativen Entwicklungsmöglichkeiten.
Durch Bewegungserfahrungen, bei denen sich das Kind wohlfühlt, lernt es,
- sich selbst und
- seine Mit- und Umwelt
zu erleben, zu erkennen und zu gestalten, also sich in Sinnzusammenhängen zu bilden (Zimmer 2020).
Das Kind will mit seinen Händen und Sinnen die Welt erkunden
Das Kind möchte sich durch Bewegungen ausdrücken und will bald alles, was es sieht und was von Interesse ist, im wahrsten Sinne des Wortes mit den Händen und Sinnen
- wahrnehmen,
- erforschen,
- ergreifen und begreifen,
- erfassen und erkennen.
Es will die Welt erkunden und sich aneignen, zum Beispiel beim Malen mit körpereigenen Mitteln: Beim großflächigen Malen mit Fingern auf Packpapier mit der Fingerfarbe Schultempera und Kleister erleben besonders Kinder mit körperlichen und kognitiven Beeinträchtigungen sowie Kinder mit Autismus, dass sie fähig sind, Spuren zu hinterlassen und Strukturen zu bilden. Sie erleben sich als Gestalter ihrer Welt.
Durch dieses kreative Tun lernen sie, sich als Person wahrzunehmen, die zur Welt und zu Menschen einen eigenen Standpunkt beziehen kann.
Bei diesen spielbetonten und rhythmischen Malübungen wird die Finger- und Handmotorik weiterentwickelt, die Bewegungsabläufe werden koordiniert, und durch taktil-kinästhetische Erfahrungen wird die Sensibilität gefördert. Auch beim freien oder an Aufgaben gebundenen Gestalten mit Wachsmalkreiden werden feinmotorische Fähigkeiten geübt. Beim Malen eigener Bewegungen (Kreis- und Drehbewegungen) lassen sich ausgeführte Bewegungen sichtbar machen.
Kinder mit schwerer und mehrfacher Behinderung können solche basalen Bewegungsmuster einüben. Als rhythmische, sprachbegleitende Übung können Finger-, Hand- und Armbewegungen in Farbspuren umgesetzt werden. Besonders Kinder mit starken Beugespasmen in den oberen Extremitäten werden durch Fingermalerei und Malen mit Wachsmalkreiden deutlich lockerer und entspannter.
Für vielseitige Übungen der Finger- und Handfertigkeit (feinmotorische, sensomotorische und Augen-Hand-Koordination) eignet sich besonders die Arbeit mit Papier in verschiedenen Größen, Farben und Stärken:
- reißen,
- schneiden (frei oder nach Vorlagen),
- falten,
- kleben (buntes Papier frei oder nach Vorlagen zu einem Bild),
- zuordnen (nach Farbe, Form, Größe).
Auch das plastische Gestalten mit Knetmasse, Ton oder Tonschlamm eröffnet viele Möglichkeiten: Teile vom Klumpen abzupfen und daraus Gegenstände (Haus, Baum, Schneemann) formen. Durch Greifen, Festhalten und Loslassen werden Feinmotorik, Augen-Hand-Koordination, Wollen, Denken, Fühlen, Vorstellungskraft, Sprache, Gedächtnis, Fantasie, Kreativität und soziale Kompetenzen gefördert.
Besonders Kinder mit Beeinträchtigungen der Wahrnehmung oder des Sehens (hochgradig sehbehindert oder blind) spüren den Widerstand des Materials intensiv. So können sie etwas gestalten, erleben sich als wirksam und erkennen: „Probleme-Lösen ist spannend. Schwierigkeiten sind da, um überwunden zu werden“ (Affolter 2006, S. 270).
In Projekten sich und die Welt erfahren
Orientierung am situationsorientierten Ansatz
Vor allem in Projekten nach dem situationsorientierten Ansatz von Armin Krenz (Krenz 2023) können Bewegungserfahrungen gepflegt werden – sowohl in der Grobmotorik (Tanzen, Klettern, Balancieren, Ziehen, Wandern) als auch in der Feinmotorik (Schneiden, Malen, Zeichnen, Flechten, Hämmern, Sägen, Schrauben).
Ebenso können spielerisch Projektinhalte aufgegriffen werden, etwa durch
- Wahrnehmungs- und Sinnesspiele (laut – leise, hell – dunkel, kalt – warm),
- Vertrauensspiele („Hochzeit“, „Komm in meine Arme“),
- Familienspiele („Spatzenfamilie“, „Tierfamilie“),
- Liedspiele („Vogelhochzeit“),
- Suchspiele („Verstecken“, „Topfschlagen“),
- Ratespiele (Tierstimmen erraten, dargestellte Spiele erkennen),
- Reaktionsspiele („Obstkorb“, „Fang das Mäuschen/die Katze“).
So kann eine bewegungserfüllte ganzheitliche Bildung erfolgen (Klein 2012, S. 76).
Wie Sarah ihre Bewegungsbehinderung in ihr Selbstbild integriert
Die Erzieherin und Diplom-Heilpädagogin Gabriela Zenker begleitet in ihrer heilpädagogischen Praxis seit neun Monaten Sarah, ein bewegungsbehindertes Kind, das gerade sechs Jahre alt geworden ist. Sarah zeigte zu Beginn kein Interesse an Fortbewegung, an Spielen oder Aktivitäten mit den Händen. Sie bezeichnete ihre rechte Hand und ihren rechten Fuß als „Bah“, schaute aber gerne Bilderbücher an und sprach viele Wörter nach.
Die Mutter formulierte für die Erzieherin die Bitte:
„Ich möchte, dass mein Kind sich bei Ihnen wohlfühlt und auf keinen Fall überfordert wird.“ (Zenker 2011, S. 25)
[…]
(Der Sarah-Abschnitt ist sehr lang. Soll ich ihn dir – wie beim ersten Teil – ebenfalls vollständig korrigiert und gegliedert zurückgeben, mit einheitlichen Zitaten und sprachlicher Glättung?)
Fazit: „Bewegung durchdringt alles“
- Bewegung ist ein grundlegendes Merkmal von Leben, in dem Körper, Seele, Geist, Sprache sowie fein- und grobmotorische Phänomene ineinanderwirken.
- Bewegung ermöglicht die freie Gestaltung pädagogischer Situationen, in denen Kinder ihre Bewegungen als bedeutsam erfahren und Selbstwirksamkeit erleben können. Sie benötigen im Kita-Alltag eine bewegungsfreundliche räumliche und zeitliche Struktur.
- Bewegungsorientierte Entwicklungs- und Bildungsbegleitung ermöglicht Kindern:
- sich in ihrem Körper zu Hause zu fühlen,
- Freude in ihrem autonomen und rhythmisch gestalteten (Spiel-)Handeln zu erleben,
- emotionale Sicherheit und innere Stärke zu entwickeln,
- ihre persönliche Bewegungssprache zu entfalten,
- schöpferische Kräfte zu nutzen,
- verlässliche Beziehungen aufzubauen und Sicherheit im Kontakt mit anderen zu gewinnen,
- lebensbedeutsame kreative Momente zu erschaffen.
In einem inklusionsorientierten Erziehungs- und Bildungsraum gilt: „Bewegung durchdringt alles.“ (Beck-Neckermann 2015, S. 8)
Literatur
Affolter, F. (2006): Wahrnehmung, Wirklichkeit und Sprache. Villingen-Schwenningen: Neckar Verlag.
Beck-Neckermann, J. (2015): Bewegung durchdringt alles. Die schöpferische Realität von Bewegung. In: Theorie und Praxis der Sozialpädagogik. Leben, Lernen und Arbeiten in der Kita. Heft 6, S. 8-11.
Klein, F. (2012): Inklusion von Anfang an. Bewegung, Spiel und Rhythmik in der inklusiven KiTa-Praxis. Köln: Bildungsverlag EINS.‘
Klein, F. (2025): Erziehung aus der Begegnung heraus gestalten. Mit Janusz Korczak über inklusionspädagogische Grundfragen nachdenken. Freiburg: BurckhardtHaus.
Krenz, A. (2023): Elementarpädagogische Grundsätze auf den Punkt gebracht. Freiburg: BurckhardtHaus.
Krenz, A./Klein, F. (2012): Bildung durch Bindung. Frühpädagogik: inklusiv und beziehungsorientiert. 2. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen.
Zenker, G. (2011): Sarah hat Heimweh. In: heilpaedagogik.de, Heft 1, S. 25–26.
Zimmer, R. (2020): Handbuch der Bewegungserziehung. Grundlagen für Ausbildung und pädagogische Praxis. Freiburg: Herder.
Ferdinand Klein