Wie aus Gruppen gelungene Arbeitsgemeinschaften entstehen
Tim ist patschnass. Eigentlich sollte er nur seine Marmeladenfinger von der gröbsten Klebrigkeit befreien. Aber jetzt steht er bedröppelt da, weil sich das Nasse nicht so toll anfühlt. Und unglaublich stolz, weil er den Wasserhahn aufdrehen und mit dem Finger den Strahl lenken konnte. Eine große Leistung für einen Eineinhalbjährigen! Aber seine Erzieherin ist in Eile. Jetzt muss sie Tim auch noch völlig umziehen. Sie seufzt und dreht das Wasser zu. Tim dreht es wieder auf. Die Erzieherin wird etwas lauter.
Dennis Meiners, 35 Jahre, Erzieher in der Kreuz- und Quer-Kita in Göttingen, kommt hinzu. „Oh, ich sehe, ihr habt Stress. Soll ich euch mal ein bisschen entlasten und übernehmen?“ Die Erzieherin nickt dankbar und wendet sich den anderen Kindern zu. Meiners lobt Tim erst einmal für seine Leistung, hüpft ein bisschen herum, tut so, als würde er vor dem Wasser flüchten. So schafft er eine Beziehung zu dem Kleinen. In drei Minuten hat Tim nicht nur das Wasser abgedreht, sondern auch Pullover und Hose gewechselt.
Dieselbe Kollegin entlastet Meiners wiederum, wenn er seinerseits mit den Kindern in einer anderen Situation in Stress gerät.
Krippe und Kiga – der große Unterschied
Eine Krippe ist kein kleiner Kindergarten! Die meisten Krippen nehmen Kinder nach dem ersten Geburtstag auf. Die wenigsten können dann laufen, sprechen, ihre Bedürfnisse artikulieren oder gar sich selbst versorgen. Ihr Leben spielt sich auf dem Boden ab. Der sollte daher warm, sicher und optisch gut unterteilt sein. Alles, was außerhalb ihrer Reichweite ist, kann als bedrohlich wahrgenommen werden und ist eben unerreichbar. Klare Strukturen, auch optisch, helfen ihnen, sich sicher zu fühlen und sich zurecht zu finden. Wie dies praktisch aussehen kann, muss im Team geklärt werden.
Krippenerzieherinnen berichten, dass über 80 Prozent ihrer Tätigkeit in pflegerischen Aufgaben besteht: Füttern, An- und Ausziehen, Wickeln, Waschen, Schlafen. Immer wieder ist daher eine einzelne Pädagogin in direktem Kontakt mit einem Kind außerhalb des Gruppenraumes beschäftigt. Das muss im Team abgesprochen werden. Auch die Wertigkeit des Pflegens braucht Würdigung: In der Krippe ist Pflege Bildung! Damit sind nicht nur das mit Worten Begleiten und die Fingerspiele beim Wickeln gemeint. Es sind vor allem die liebevolle Zuwendung und die Anerkennung des Kleinkindes als gleichwertiges Gegenüber. Oder würden Sie, liebe Leserin, sich einfach so auf ein „komm mal her, anziehen“ die Arme in einen Mantel stopfen lassen?
Vorsicht Alphatiere!
Was sich hier so einfach anhört, ist es aber nicht. Viele so genannte Teams entwickeln sich zur Bühne für Alphatiere, die ihre Arbeitskollegen bloßstellen und sich hervortun. Sie stehen im Mittelpunkt. Das hat viele negative Effekte. So verhalten sich andere deutlich zurückhaltender, gehen in der Gruppe unter und handeln nur noch nach Aufforderung. Eigeninitiative Fehlanzeige. Statt effektiver Teamarbeit entsteht eine Gruppe, in der nur die Ideen der Alphatiere zählen. Das führt in schwierige Arbeitssituationen, unter der alle leiden. Solche falschen Teamprozesse führen dann eben auch zu Vorurteilen wie „dass Teams die einzelnen Mitglieder in ihrer Entwicklung unterdrücken“.
„Es geht eben nicht darum zu zeigen, was für ein toller Erzieher man ist oder wo die Kollegin oder der Kollege jeweils Fehler machen“, sagt Meiners, „sondern darum, uns in Stresssituationen gegenseitig zu entlasten und vor allen Dingen das Kind in jeder Situation als lernenden Menschen zu sehen.“ „Wenn mehrere Kinder zu betreuen sind, entstehen leicht Überforderungssituationen, in denen Wahrnehmung und Unterstützung von Kollegen untereinander unglaublich hilfreich sein können. Solche Fehler sind nicht zu vermeiden“, meint Annette Drüner, Sozialpädagogin und Coach für Erzieherinnen. „Es ist wichtig, wie wir damit umgehen.“ Um Fehler als solche akzeptieren zu können, braucht es ein gutes Team – und das heißt Vertrauen zueinander haben. Das wächst natürlich nicht von heute auf morgen.
Praxistipp: Unser gemeinsames Boot
Als Einstieg in den Teamtag malt jede Erzieherin ein Bild, in dem das eigene Team dargestellt wird. Sehr gut eignet sich hier das Bild des Bootes, in dem bekanntlich alle gemeinsam sitzen. Auf die künstlerische Gestaltung kommt es nicht an, wichtig ist, dass alle MitarbeiterInnen abgebildet werden. Dabei werden auch die Rollen, die sie im Boot einnehmen, beschrieben: Wer ist der Kapitän, wer der Koch, wer schrubbt das Deck, wer hisst die Segel, wer sitzt am Funkgerät?
Dauer: ca. 30 Minuten
Material: Stifte, Papier, Pinnwände, Stecknadeln, Flipchart
Sind alle Bilder fertig, werden sie an den Pinnwänden aufgehängt. Anschließend schauen alle ErzieherInnen die Gemälde an, ohne Kommentare zu geben. In der Runde erhält jede/r die Gelegenheit, sein/ihr Bild vorzustellen. Wer ist wer? Wer hat welche Funktion? Wer steht nah bei wem, wer ist von wem am weitesten entfernt? Was fiel mir leicht zu gestalten, was fiel mir schwer? Welche Gefühle hatte ich beim Malen? Danach ist Zeit für die KollegInnen, ihre Sicht auf das Bild darzustellen. Durch die eigenen Gedanken und die der BetrachterInnen werden die Beziehungen, Stimmungen und Konflikte im Team deutlich. Gemeinsamkeiten und Unterschiede werden als Stichworte auf ein Flipchart für alle sichtbar aufgeschrieben. So ergibt sich eine gute Grundlage für die kommenden Gespräche.
„Grundsätzlich braucht es eine gemeinsame pädagogische Ausrichtung, auf die sich alle geeinigt haben und die sie auch alltäglich leben“, so Drüner. Zum Beispiel, dass Kinder immer lernen und dieser Aspekt jeweils anerkannt wird. Dann werden solche Situationen auch nicht als Konkurrenz, sondern als Bereicherung erlebt. „Entsprechend kann ich sehen, wie der andere mit solchen Situationen umgeht und mir etwas davon abschauen“, sagt Drüner, „und fühle mich nicht bewertet oder sogar niedergemacht.“ Für eine solche Ausrichtung sind intensive Prozesse notwendig. In vielen Einrichtungen hätte das Verhalten des kleinen Tim genügend Anlass dazu gegeben, ihm kurz und knapp klare Grenzen aufzuzeigen. In der Kreuz- und Quer-Kita hat sich das Personal für den schwierigeren, für Tim sicher besseren Weg, entschieden. Auch dafür sind funktionierende Teams eine wichtige Voraussetzung.
Keine Zeit für Einzelkämpfer
Einzelkämpfer haben es heute immer schwerer. Ansprüche und Arbeitsprozesse sind schwieriger und vielschichtiger geworden. Und weil niemand zu jeder Zeit alles perfekt machen kann und jeder unterschiedliche Stärken hat, liegt die Notwenigkeit zu guten Teams auf der Hand. Wer seine Stärken in einem Team optimal einbringt und seine Mitstreiter unterstützt, erreicht weitaus mehr.
Wie aber wird man so ein vertrautes Team? „Das fängt schon bei der Personalauswahl an“, erklärt Drüner, „die Leitung kann schon im ersten Gespräch die pädagogische Grundhaltung und damit das Menschenbild erfragen.“ In der heutigen Zeit weiß aber jeder, dass der Arbeitgeber von ihm Teamfähigkeit erwartet. Und wenn ein Bewerber die Arbeitsstelle in einer Einrichtung haben möchte, macht er fast alles – auch wenn er die Teamarbeit hasst.
Andrea Schreiber, Leiterin der Kita St. Nicolai in Coppenbrügge und seit 30 Jahren Erzieherin, hat genügend Erfahrung, um schnell zu erkennen, ob eine Bewerberin in ihr Krippenteam passen könnte: „Wenn sie in der Lage ist, sich wirklich auf den Dialog mit dem Kind einzulassen, sich zurückzunehmen, erst zu beobachten und nicht sofort einzugreifen, dann lade ich sie zu einem Probetag ein.“ Dann holt sie sich die Rückmeldung der Kolleginnen. „Haben die ein gutes Gefühl, sehen sie die Neue als Ergänzung, glauben sie, sich auf sie verlassen zu können, dann können wir den Vertrag unterschreiben.“ Während aber die einen Teams verabscheuen, weil sie darin ineffektive Zeitfresser sehen, überfrachten sie andere mit viel zu hohen Erwartungen. Das übergroße Harmoniebedürfnis einzelner und die Annahme, darin nur Freunde zu finden, hemmen die Zusammenarbeit ebenso. Dabei sind die wesentlichen Grundlagen nicht Freundschaft und Harmonie, sondern Wohlwollen, Respekt und Wertschätzung. Diese Eigenschaften liegen in vielen Menschen. Damit diese aber zum Vorschein kommen, gilt es, den Blick für die positiven Elemente von Teams zu öffnen.
Teams brauchen Zeit und sparen Zeit
Dafür ist Zeit notwendig und professionelle Hilfe. Das kostet oftmals auch Geld. So mancher Träger scheut deshalb die Durchführung von Teamprozessen und die Teampflege mit oftmals fatalen Folgen.
In Andrea Schreibers Kita gibt es fünf Studientage im Jahr. „Wir haben erkannt, dass wir unseren Jahresplan entrümpeln mussten. Es gab von Weihnachten über Ostern bis Sommerfest viel zu viele Anlässe, die vorgeben, was zu tun ist.“ Das widerspricht dem Grundsatz, das Kind entscheiden zu lassen, womit es sich beschäftigen will. „Oberste Priorität hat das Kind, nicht das Angebot“, so Schreiber. Sie bringt das Beispiel der Kastanien und bunten Blätter im Herbst. Das ist tolles Spielmaterial, die Kinder fühlen, tasten, ordnen, benennen. „Und das reicht. Da muss man nicht noch Männchen bauen, Bilder kleben und ein Herbstfest organisieren, wenn die Kinder das gar nicht wollen.“ Da die Kinder das altersgemäß oft nicht sprachlich äußern können, sind Feinfühligkeit und Beobachtung gefragt.
Teamgespräche richtig vorbereiten
Grundsätzlich gibt es drei Arten von Teamgesprächen. Sie sollten getrennt geführt werden, denn sie verlangen eine unterschiedliche Art der Vorbereitung und Gesprächsführung.
1. ) Das Organisationsgespräch. Hier werden alle Termine festgelegt wie z.B. Elterngespräche. Es geht aber ebenso um die Vorbereitung des Sommerfestes, die Verteilung der Aufgaben, den Bericht über den Stand der Dinge. Auch Verabschiedungen gehören in diesen Bereich.2. ) Das Kindergespräch. Die meisten Krippen arbeiten mit dem Bezugskindermodell. Hier werden die Entwicklungen und Fortschritte der einzelnen Kinder, Problemlagen, Beziehungen in der Gruppe, vorgestellt. Wichtig ist, vorab über das Kind, welches im Fokus stehen soll, zu informieren. So haben auch die anderen ErzieherInnen die Chance, genauer auf dieses Kind zu achten. So können sie qualifiziert Rückmeldung geben. Ein anderer Blick hilft, frische Impulse zur Weiterarbeit zu geben oder Ursachen für Probleme zu erkennen.
3. ) Das Konzeptgespräch. Ein pädagogisches Konzept ist nie fertig, das wissen wir alle. Aber die Grundlage, auf der die Krippe arbeitet, muss festgelegt sein und von allen getragen werden. So kann sie auch Eltern ausgehändigt werden und es kann sich bei Problemen darauf bezogen werden. Wenn viele „große“ Kinder gehen und viele „kleine“ hinzukommen, ändert sich der Alltag und damit auch das pädagogische Konzept. Nicht grundsätzlich, aber im Tagesablauf oder den Schwerpunkten. Die Leitung sollte hier grundsätzlich vorgeben und den KollegInnen rechtzeitig mitteilen, worum es in der entsprechenden Sitzung gehen soll.
Teamgespräche brauchen Zeit, die Vorbereitung ebenfalls. Außerdem kommen die besten Ideen bei Spaziergängen oder beim Kaffeetrinken mit Freundinnen, im Tür-und-Angel-Kontakt mit KollegInnen. Nehmen Sie also Stift und Papier mit, notieren Sie sich die Ideen. Bringen Sie sie in einer ruhigen Stunde vor dem Teamgespräch in eine Reihenfolge. Händigen Sie die Einladung den KollegInnen aus, fragen Sie, ob sie Ergänzungen oder weitere Themen zu besprechen haben. Überlegen Sie, welches Thema etwa wie viel Zeit beanspruchen wird, achten Sie entsprechend auf die Gewichtung und Reihenfolge. Worüber es viel zu diskutieren gibt, sollte eher am Ende des Tagesplans stehen. Schließlich neigen Diskussionen zum Ausufern und es sollte jede einmal ihre Meinung gesagt haben. Erstellen Sie einen Protokollbogen, bestimmen Sie reihum Protokollantin und Gesprächsführerin. Eine gute Leitung muss schließlich nicht immer alles selber machen, sie bezieht die KollegInnen klug und ihren Qualitäten entsprechend ein.
Den Alltag entrümpelt, den Morgenkreis abgeschafft
„Es hat eine Weile gedauert, bis wir uns von diesen Vorgaben verabschiedet hatten, denn da hängen ja auch Traditionen und Elternbeteiligung dran“, so Schreiber. Aber jetzt hätten sie viel mehr Zeit für die Kinder – und vor allem nicht mehr andauernd im Kopf, was noch alles für das Herbstfest zu erledigen sei und ob sie das denn schaffen könnten. „Das kommt den Kindern zugute, wir sind freier im Kopf und können besser auf ihre Bedürfnisse eingehen.“
Ein weiteres Ergebnis eines Studientags: Was für andere ein zentrales Element ihres Alltags ist, hat das Team in Coppenbrügge abgeschafft – den Morgenkreis. „Nicht nur im Jahr, auch an jedem Tag hatten wir zu viel geplant“, sagt Schreiber. Das Team hat dann beobachtet, womit sie sich wann und wie lange beschäftigen – und was nicht möglich ist. Dabei fiel auf, dass das Zusammentrommeln der Kinder zum Morgenkreis für alle Stress bedeutet. Die einen waren noch am Essen, die anderen am Aufräumen, wieder andere hatten gerade ein Spiel begonnen. „So war der Morgenkreis ein Spielverhinderungskreis“, ereifert sich Schreiber. Also weg damit. Vermisst hat diese Runde niemand, weder die Kinder, noch die Erzieherinnen.
„Wir sind dadurch zusammengewachsen“, meint Schreiber. Denn alle haben sich, den Alltag, die Kinder und die anderen beobachtet, sich genau angeschaut, Stärken und Schwächen – eigene wie die der anderen – erkannt. Mit dem Ergebnis waren alle glücklich, denn so ergab sich wiederum mehr Zeit für die Beobachtung der Kinder und spontane Aktionen und Angebote.
Die Rolle der Leitung
„Ich versuche, meine Erzieherinnen nicht zu stressen“, lacht Andrea Schreiber, angesprochen auf die Rolle der Leitung bei der Teambildung. Wie im Umgang mit den Kindern versucht sie auch im Team ein hohes Maß an gemeinsamer Wertschätzung umzusetzen. „Die Erzieherinnen dürfen Fehler machen“, meint sie „ohne dafür böse Blicke zu ernten oder Getuschel oder eine Anmache in der Teambesprechung.“
Das klingt erst einmal ganz normal, ist es aber nicht. Annette kennt Teams, die in Teambesprechungen durch unterschwelligen Stress nicht offen, kritisch und konstruktiv miteinander können und sich dann bei nahezu jeder Frage nicht einig werden können. Das kostet viel Zeit und Kraft und führt zu „Hintenrumgesprächen“.
Dennis Meiners wünscht sich, dass „die Leitung auch mal Flagge zeigt“, so wie es in seiner Einrichtung gelebt wird. Denn die müsse vielen Ansprüchen gerecht werden: denen der Erzieherinnen der Krippe, des Kindergartens, des Trägers, der Eltern und der Kinder – das sei manchmal „wie zwischen den Stühlen sitzen“.
Erfolgreich Konfliktgespräche führen
Was nicht passieren darf: eine Eskalation und eine Frontenbildung. Denn dann ist eine Teamarbeit ohne ordnende Eingriffe von außen kaum mehr möglich. Also: Ruhe bewahren, sich Zeit lassen. Ein Konflikt bedeutet immer Ärger, negative Emotionen – auch bei der Leitung. Nehmen Sie sich also Zeit, sich über Ihre Gefühle in dieser Hinsicht klar zu werden. Sie dürfen sie auch äußern: schreien und schimpfen sind erlaubt! Allerdings vor dem Gespräch, im Wald oder auf einer freien Wiese. Nehmen Sie sich dann Zeit, sich gut auf das Gespräch vorzubereiten. Wer ist beteiligt? Wie sind die Beziehungen der Personen? Welche Rolle haben sie in der Krippe? Was ist genau vorgefallen? Wer hat bis jetzt was geäußert? Wer ist mit welchem Wunsch an Sie herangetreten?
Was ist ihr Ziel in dem Gespräch? Eine Lösung, klar, aber die steht nicht als Erstes auf dem Programm. Daher: Sorgen Sie für eine angenehme und störungsfreie Atmosphäre. Kein Telefon, keine hereinplatzenden Kolleginnen, kein Lärm von außen. Bieten Sie Wasser oder Tee an. Beginnen Sie das Gespräch mit dem, weswegen Sie diese Konferenz führen: „Frau M. ist an mich herangetreten, weil es in ihrem Team Abstimmungsprobleme gibt. Ist das richtig?“ Geben Sie jeder Person und Partei Gelegenheit, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Auch, die dazugehörigen Emotionen zu benennen, z.B. „das hat mich geärgert, das hat mich gekränkt“. Was nicht geht: Schuldzuweisungen oder gar Beleidigungen. Achten Sie also auf die Tonalität und die Atmosphäre, greifen Sie nötigenfalls ein: „Ich verstehe Ihre Emotionen, aber das ist nicht der Ton, in dem wir unter Kolleginnen sprechen“.
Ihre Rolle ist nicht die einer Richterin und einer Mediatorin. Die KollegInnen müssen schließlich weiter im Team zusammenarbeiten, also sollten sie auch selbst auf eine Lösung kommen. Danach können Sie direkt fragen: „Wie stellen Sie sich die weitere Zusammenarbeit vor? Was soll geändert werden? Haben Sie Vorschläge?“ Sie können und sollten auch selbst Vorstellungen einbringen, aber nicht sofort. Gut ist ein Vorschlag zur konkreten Umsetzung der Ideen der KollegInnen. So nehmen Sie die KollegInnen ernst, zeigen aber auch, dass Sie die Leitung in der Hand haben und die ErzieherInnen sich auf Sie verlassen können.
Fragen Sie nach einer gewissen Zeit, etwa einer Woche, wie es jetzt läuft, wie die Vorschläge umgesetzt wurden. So werden Sie nicht als Kontrollinstanz, sondern als Unterstützung wahrgenommen.
Was denn nun, klare Kante zeigen oder jeden zu Wort kommen und mitentscheiden lassen? „Beides“, meint Drüner. Selbstverständlich sei es wichtig, dass jedes Mitglied des Teams sich gehört und verstanden fühle, „sonst steigt es innerlich aus“. Manchmal sei das eine Gratwanderung, sorge aber für gute Stimmung im Team. Klare Haltung sei nötig, wenn gemeinsam Themen und Probleme angegangen werden müssten. „Wir haben fast zwei Jahre lang bei den Teamtagen über unser Konzept gesprochen, das war auch notwendig im Rahmen der Qualitätssicherung“, berichtet Meiners. Dafür konnten dann andere gewünschte Fortbildungen nicht stattfinden. „Das hat der Träger durchgesetzt und das war gut, denn so sind alle auf dem gleichen Stand und konnten sich gleichermaßen einbringen.“ Und tragen nun das Konzept überzeugt mit.
Teamarbeit ist wichtig. Wer sich in einem guten Team befindet, ist produktiver, hat oft mehr Freude und ist oft ausgeglichener. So treten Motivationsprobleme seltener auf und sogar Freundschaften entstehen daraus. Echte Teamarbeit steigert damit auch die sozialen Kompetenzen. Es ist leicht, eine Gruppe zusammen zu stellen, Aufgaben zu verteilen und sie zur Zusammenarbeit zu zwingen. Auf diesem Weg entstehen jedoch keine Teams. Ein wirklich funktionierendes Team aufzubauen, gehört zu den schwierigsten Aufgaben überhaupt. Am besten sollte diese Aufgabe von erfahrenen Teamleitern übernommen und professionellen Coaches begleitet werden.
Ralf Ruhl
Die vier Team-Entwicklungsphasen
Jedes Team durchläuft vier typische Phasen. Nach Dauer, Inhalt und Intensität können sie sehr unterschiedlich sein.
Orientierung
Am Anfang steht die Unsicherheit. Schließlich kennt man sich noch nicht untereinander, weiß nicht, welche ausgesprochenen und unausgesprochenen Regeln gelten. Daher sind in dieser Phase gegensätzliche Gefühle gleichzeitig vorhanden:
- Distanz suchen und Nähe aufbauen
- Anonym bleiben und sich zeigen wollen
- Autonomie beanspruchen und Anleitung brauchen
- Besonders sein wollen und genauso sein wollen wie alle anderen
Klärung
Unsicherheit mag niemand. Daher wird bald der Wunsch nach klaren Regeln laut – und nach Sanktionen, wenn gegen diese verstoßen wird. Rivalitäten und unterschwellige Konflikte treten hervor, Rollen und Status innerhalb der Gruppe werden verfestigt. Alle haben das Bedürfnis, sich stärker zu profilieren, eigene Interessen und Bedürfnisse klarer auszudrücken. Diese Phase fühlt sich sehr mühsam an und ein Fortschritt ist kaum ersichtlich. Langsam werden widerstreitende Meinungen in höherem Maße zugelassen – übrigens auch gegenüber der Leitung. Erste Brücken zueinander werden gebaut und ausgetestet. Am Ende dieser Phase beginnt die Gruppe sich zu organisieren und als Team zu verstehen. Regeln werden geklärt, Rollen und Funktionen verteilt, Normen für das Miteinander werden festgelegt. Das Zusammengehörigkeitsgefühl wächst.
Produktiv-Phase
Die Beziehungen untereinander werden enger, das Team zeigt Geschlossenheit – nach innen und nach außen. Man lernt voneinander, will zusammen arbeiten, entdeckt, wie man sich ergänzen kann und will gemeinsame Ziele erreichen:
- Unterschiede werden als Bereicherung erlebt
- Jeder ist anerkannt, jeder weiß um seinen Beitrag
- Aufgaben werden konstruktiv angegangen
- Die Gruppe stellt sich selbst neue Aufgaben und ist offen für Ideen
- Man hilft sich untereinander
- Das Team ist auf die Aufgaben fokussiert
So wirkt das Team auch nach außen – als funktionierende Gruppe, geschlossen und energiereich. Dadurch kann es zu Änderungen in der Rolle des Teams in der Gesamtorganisation der Kita oder des Trägers kommen. Eine Klärung sollte beizeiten angegangen werden.
Abschied
Abschluss, Transfer und Abschied sind auch in Krippenteams ein wichtiges Thema – insbesondere beim Ausscheiden einzelner Mitglieder. Aber auch der Übergang vieler Kinder in den Kindergarten und damit nötige Umstrukturierungen sind in diesem Zusammenhang relevant.
- Abschluss bedeutet, die Themen auf der Sachebene zu einem Ende zu bringen. Dabei muss die Psychodynamik des Teams im Auge behalten werden
- Transfer heißt, dass sich das Team überlegen muss, wie Aufgaben umverteilt werden oder der Arbeitsalltag neu organisiert wird
- Abschied von Personen bedeutet nicht nur Trauer. Es gibt auch die Gewissheit, dass etwas beendet ist, dass etwas zum Abschluss gebracht wurde. Dies gilt es wertzuschätzen – in der ganzen Gruppe
Angelehnt an die Team-Entwicklungsuhr von Bruce Tuckman