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Geflüchtete Kinder: Bildungsrechte oft nicht ausreichend gesichert

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Neue Studie zeigt große Lücken bei schulischer Bildung in Erstaufnahmeeinrichtungen

Alle Kinder haben ein Recht auf Bildung. Dieses Recht gilt unabhängig von Herkunft, Aufenthaltsstatus oder Lebenssituation. Dennoch zeigt eine aktuelle Studie der Universität Bremen und der htw saar, dass geflüchtete Kinder und Jugendliche in deutschen Erstaufnahmeeinrichtungen häufig keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu Bildungsangeboten haben – besonders in den ersten Monaten nach ihrer Ankunft.

Die Studie „Bildungsrechte und Schule für geflüchtete Kinder und Jugendliche in Erstaufnahmeeinrichtungen“ (BiSKE) wurde von Johanna Funck (Universität Bremen) und Markus Ciesielski (htw saar) durchgeführt. Sie liefert erstmals einen bundesweiten Überblick darüber, wie verfügbar und zugänglich schulische Bildung für geflüchtete Kinder im Alter von sechs bis 18 Jahren in Erstaufnahmeeinrichtungen tatsächlich ist.

Erste bundesweite Bestandsaufnahme zur Bildung in Aufnahmeeinrichtungen

Zwischen November 2024 und Mai 2025 befragte das Forschungsteam standardisiert 203 Erstaufnahmeeinrichtungen in allen Bundesländern. Erfasst wurde, ob es Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche gibt, wie diese ausgestaltet sind und ob ein Zugang zu regulären Schulen besteht.

Damit liegt erstmals eine vollständige, systematische Erhebung zur Bildungssituation geflüchteter Kinder in deutschen Aufnahmeeinrichtungen vor. Die Ergebnisse zeichnen ein differenziertes, insgesamt jedoch deutlich problematisches Bild.

Jede fünfte Einrichtung ohne jedes Bildungsangebot

Besonders gravierend ist, dass knapp jede fünfte der untersuchten Einrichtungen keinerlei Bildungsangebote machte. In 38 Einrichtungen – das entspricht 19 Prozent – gab es weder schulische noch schulähnliche Angebote, obwohl in rund der Hälfte dieser Einrichtungen Kinder und Jugendliche teilweise über Monate lebten.

In weiteren 82 Einrichtungen beschränkten sich die Angebote ausschließlich auf schulalternative Maßnahmen oder Deutschkurse, die meist direkt in den Einrichtungen stattfanden. Diese Angebote unterschieden sich stark in Umfang und Qualität und waren nicht immer von Beginn an zugänglich. Ein regulärer Schulbesuch war in diesen Fällen nicht vorgesehen.

Zugang zur Regelschule häufig eingeschränkt

In 83 Einrichtungen – rund 41 Prozent – war grundsätzlich ein Zugang zu regulären Schulen möglich. Allerdings zeigte die Studie, dass dieser Zugang oft mit Einschränkungen verbunden war. Häufig mussten Kinder und Jugendliche lange Wartezeiten in Kauf nehmen, oder der Schulbesuch war nur für bestimmte Altersgruppen vorgesehen.

Auffällig sind zudem Unterschiede zwischen den Bundesländern. Dort, wo geflüchtete Kinder nicht von der Schulpflicht ausgenommen sind, zeigen sich tendenziell bessere Bildungsbedingungen. In Ländern mit zeitlich eingeschränkter oder ausgesetzter Schulpflicht für Asylsuchende sind Bildungsangebote deutlich lückenhafter.

Bildungsbiografische Brüche setzen sich fort

Die Forschenden kommen zu einem klaren Schluss: Eine längere Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen ohne zeitnahen Zugang zu qualitativ hochwertiger schulischer Bildung stellt ein erhebliches Risiko für den weiteren Bildungsweg der betroffenen Kinder und Jugendlichen dar.

Bildungsbiografische Brüche entstehen damit nicht nur auf der Flucht oder im Herkunftsland, sondern setzen sich in Deutschland fort. Gerade für jüngere Kinder können längere Phasen ohne geregelten Bildungsalltag langfristige Folgen für Sprachentwicklung, Lernmotivation und soziale Integration haben.

Schulpflicht als zentraler Hebel für Bildungsgerechtigkeit

Die Studie betont, dass eine inklusivere Ausgestaltung der Schulpflicht ein entscheidender Ansatzpunkt ist, um das Recht auf Bildung verlässlich umzusetzen. Eine verbindliche Schulpflicht für alle Kinder – unabhängig vom Aufenthaltsstatus – würde die Verantwortung der Bundesländer klar definieren und den Druck erhöhen, entsprechende Bildungsangebote bereitzustellen.

Gleichzeitig machen die Autorinnen und Autoren deutlich, dass Schulpflicht allein nicht ausreicht. Sie muss begleitet werden von ausreichenden personellen, finanziellen und strukturellen Ressourcen, um geflüchtete Kinder angemessen zu fördern und Schulen wie pädagogische Fachkräfte zu entlasten.

Bildung früh sichern – Chancen von Anfang an ermöglichen

Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich, wie entscheidend die ersten Monate nach der Ankunft in Deutschland für die weitere Bildungsbiografie geflüchteter Kinder sind. Frühzeitiger Zugang zu Bildung ist nicht nur eine Frage der Integration, sondern ein grundlegendes Kinderrecht.

Für Politik, Verwaltung und Bildungssystem bedeutet das: Wenn Bildungsgerechtigkeit ernst genommen wird, muss sie auch in Erstaufnahmeeinrichtungen beginnen – verbindlich, qualitativ hochwertig und ohne unnötige Verzögerungen.

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