Anja Steinbach und Tobias Helms untersuchen, welches Modell besser für das Kindeswohl wäre
Nach einer Trennung folgt oft der Kampf ums Kind. Bei welchem Elternteil der Nachwuchs bleiben soll, ist eine der umstrittensten Fragen in Scheidungsverfahren. Hierzulande ist das Residenzmodell die Regel. Trennungskinder leben bei einem Elternteil und der andere Teil erhält ein Umgangsrecht. Das Wechselmodell, bei dem sich Mutter und Vater die Betreuung teilen, ist die Ausnahme. Aber welches Modell ist besser für das Kindeswohl? Dazu haben die Soziologin Professorin Dr. Anja Steinbach von der Universität Duisburg-Essen (UDE) und der Jurist Professor Dr. Tobias Helms von der Philipps-Universität Marburg eine Studie durchgeführt. Die Ergebnisse sind jetzt in der Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (FamRZ) erschienen.
Residenzmodell ist hierzulande Standard
Der Anteil von Trennungsfamilien, die ein Wechselmodell praktizieren, liegt in Deutschland bei gerade einmal fünf Prozent. Kindern, die in einem solchen Modell leben, geht es aber mindestens genauso gut oder sogar ein wenig besser als Kindern, die im Residenzmodell leben. Das gilt vor allem für die Altersgruppe der 7- bis 14-Jährigen. Auch wie das Wechselmodell ausgestaltet wird, spielt eine Rolle. Positiv auf das Wohlbefinden wirkt sich insbesondere das asymmetrische Wechselmodell aus, bei dem die Kinder bei beiden Elternteilen mindestens 30 Prozent ihrer Zeit verbringen. Weniger stark ausgeprägt sind die positiven Effekte beim symmetrischen Wechselmodell, bei dem die Kinder jeweils zu gleichen Teilen von beiden Eltern betreut werden.
Entscheidend: Beziehung zu beiden Eltern
Entscheidend für das Funktionieren eines Wechselmodells ist die Beziehung des Kindes zu beiden Eltern. Ist diese gut, wirkt es sich besonders positiv auf das Kindeswohl aus. Umgekehrt zeigen sich in diesem Modell jedoch auch die negativen Folgen stärker, wenn die Beziehung zwischen den Eltern von Streit belastet ist oder die Kinder in einen Loyalitätskonflikt geraten.
„Unser Befund ist klar: Das Wechselmodell funktioniert mindestens genauso gut wie das bisher vorherrschende Residenzmodell“, stellt Anja Steinbach fest. „Es ist aber kein Patentrezept, das sich in jeder Trennungssituation als erste Wahl aufdrängt. Viel hängt vom Verhältnis der Eltern ab, insbesondere inwieweit es ihnen gelingt, ihre Konflikte von den Kindern fernzuhalten und sich einvernehmlich über die Betreuung zu verständigen.“
Eine Patentlösung gibt es nicht
„Unsere Studie ist im Großen und Ganzen eine Bestätigung für die von den Gerichten derzeit praktizierte Herangehensweise“, ergänzt Tobias Helms (im Bild mit seiner Mitarbeiterin und Marburger Koautorin Dr. Stephanie Schneider). „Können sich die Eltern nicht einigen, hat der Richter das Wechselmodell als eine ernsthaft in Betracht kommende Option in Erwägung zu ziehen. Eine vorzugsweise heranzuziehende Lösung ist das Wechselmodell jedoch nicht. Ausschlaggebend ist das Wohl des konkret betroffenen Kindes.“
Für die Studie „Familienmodelle in Deutschland“ (FAMOD) wurden 1.233 Familien befragt, die nach einer Trennung ein Residenzmodell oder ein Wechselmodell praktizieren.
Dr. Thomas Wittek, UDE