Typische Konfliktpunkte und praktische Lösungsansätze für eine gelungene Kommunikation
„Wann sind denn die nächsten Termine für Elterngespräche?“ fragt eine Mutter. Meike Hosbach, Leiterin der Kindertagessätte in Diemarden, zu der auch drei Krippengruppen gehören, ist überrascht. Erst vor zehn Minuten hat sie das Kalendarium mit den Sprechzeiten ausgehängt – und schon sind alle Termine belegt. „Die Eltern sind heute sehr stark an der Entwicklung ihrer Kinder interessiert. Sie wollen wissen: wie geht es meinem Kind, fühlt es sich wohl, ist es genau so weit wie alle anderen?“, meint Hosbach. Dahinter stecke die meist unausgesprochene Frage: „Muss ich mir Sorgen um mein Kind machen?“
Über jeden Schritt des Kindes informiert sein?
Verstehen kann das wohl jeder Vater und jede Mutter. Schließlich geben die Eltern ihr Liebstes an eine ihnen in der Regel unbekannte Person ab. Das ist ein riesiger Vertrauensvorschuss! Kein Wunder, dass sie möglichst laufend über jeden noch so kleinen Schritt ihres Kindes informiert sein wollen. Und das nicht nur zwischen Tür und Angel, sondern auch in ausführlichen Gesprächen. „In der Eingewöhnungszeit bieten wir monatlich Elterngespräche an, bei Bedarf selbstverständlich häufiger. Für die älteren Kinder pendelt sich die Frequenz bei ein- bis zweimal im Jahr ein“, so Hosbach. „Mehr schaffen wir in unserer Arbeitszeit nicht.“
Selbstverständlich versteht sie, dass manche Eltern einfach ein offenes Ohr brauchen, über ihren immer noch neuen und sich immer wieder verändernden Tagesablauf mit dem Kind reden wollen, dass sie sich im Gespräch über Entwicklung und Erziehung klar werden wollen. „Aber wir sind keine Erziehungs- oder gar Lebensberatungsstelle. Wir sind Fachpersonen für die Betreuung von Kleinkindern.“
Mit dem Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder bis drei Jahre sei natürlich auch die Nachfrage gewachsen, so der Diplom-Pädagoge und Diplom-Supervisor Hans-Joachim Rohnke aus Grebenhain bei Fulda. Seit vielen Jahren berät er Kita- und Krippenteams in ganz Deutschland. „Die gesellschaftliche Akzeptanz für die öffentliche Erziehung der ganz Kleinen ist inzwischen sehr hoch. In den Metropolen haben wir für Kinder bis drei Jahre eine Betreuungsquote von zum Teil über 60 Prozent.“
Bindung und Beziehung ermöglichen
Den Eltern sei vor allem die „personelle Betreuungskontinuität“ wichtig. Denn sie wissen: Bindung und Beziehung sind in den ersten Lebensjahren der Schlüssel zu einer gesunden Entwicklung. Beziehung kann aber nur sicher und dauerhaft aufgebaut werden, wenn in den Einrichtungen genügend nicht befristete Vollzeitkräfte für die Betreuung der Ganztagskinder vorhanden sind. „Nur so kann gewährleistet werden, dass die Kinder einen ständigen Ansprechpartner haben“, so Rohnke. Und den brauchen sie permanent, denn sie pendeln ständig zwischen dem Entdecken der Welt und der Sicherheit, die eine ihnen vertraute Person geben kann.
Daher arbeiten die meisten Krippen mit dem Bezugskindermodell. Diese Erzieherin ist auch die richtige Ansprechperson für ein Elterngespräch. Viele Einrichtungen sind inzwischen dazu übergegangen, Elterngespräche nur noch zu zweit zu führen. „Eine zweite Person kann die Sicht auf das Kind erweitern, kann Beobachtungen bestätigen, kann andere Aspekte einbringen“, so Hosbach. Wichtig sei aber auch: In einem Gespräch mit zwei Erzieherinnen eskaliert ein möglicher Konflikt nicht so schnell.
Konfliktpunkt: Eingewöhnung
Ein klassischer Konflikt ist laut Rohnke die Dauer der Eingewöhnung. Die meisten Krippen arbeiten nach dem Berliner Modell, das eine Phase von bis zu sechs Wochen vorsieht, bis das Kind allein in der Krippe bleibt. „Eltern sollten diese Zeit ihren Kindern schenken“, meint Rohnke, „schließlich handelt es sich um eine Schlüsselsituation für die Kleinen, in der sie zum ersten Mal in ihrem Leben von Mama, Papa oder andere Personen längere Zeit getrennt sind“. Immer wieder gebe es jedoch Eltern, die das nicht einsehen, oder die sich ihrem Arbeitgeber sehr stark verpflichtet fühlen. Doch gelinge die Eingewöhnung, gebe es viermal weniger Krankheitsfälle bei den Kindern und ebensoviel weniger Rückfälle wie ständiges Klammern, Weinen und Sich-nicht-beruhigen-lassen. „Das führt auch zu Fehlzeiten bei den Eltern und zu schlechteren Arbeitsergebnissen, da Väter und Mütter dann gedanklich nicht voll bei der Sache sind“, so Rohnke.
Das Modell der Eingewöhnung und wie es praktisch gehandhabt wird ist Teil des pädagogischen Konzeptes der Krippe. Das haben alle Eltern ausgehändigt bekommen, es wurde mit ihnen besprochen. Es ist die Grundlage des Betreuungsvertrages. „Das Prinzip ist die Erziehungspartnerschaft, nicht das Abgeben des Kindes“, sagt Rohnke. Und was Eingewöhnung für das Kind bedeutet, muss dann im Elterngespräch immer wieder erläutert werden: Eingewöhnung kann nur gelingen, wenn das Kind es will. Dazu braucht es die Sicherheit, dass Mama oder Papa da sind. Dass sie erst gehen, wenn das Kind dazu bereit ist. Dass die Eltern zeigen, dass sie Vertrauen zur Erzieherin haben. Dass sie ihr das Kind übergeben, es weder festhalten, noch wegstoßen. Auf Seiten der Einrichtung, dass es eine anregungsreiche Umgebung gibt, die dem Kind viele neue Erfahrungs- und Lernmöglichkeiten bietet: Materialien, Spielangebote, andere Kinder. Und das braucht eben Zeit! Sechs Wochen sind in manchen Fällen dafür nicht zu viel.
Das Konzept ist dazu da, dass Eltern sich damit auseinandersetzen und schauen können, ob es ihnen für die weitere Entwicklung ihres Kindes zusagt oder nicht. „Wenn es da grundsätzliche Differenzen gibt, müssen sie nötigenfalls eine andere Einrichtung wählen“, sagt Rohnke.
Konfliktpunkt: Bildungsverständnis
Ein weiterer grundsätzlicher Konfliktpunkt ist oft das Bildungsverständnis. Bildung – da denken die meisten Menschen an Schule. Bücher lesen. Kognitiv Wissen aufnehmen und wiedergeben. Etwas erklärt bekommen und daraufhin verstehen. Für Kinder bis Drei ist ein solches Bildungskonzept nicht hilfreich. „In diesem Alter ist es nicht kindgerecht, mit von der Schule entlehnten Programmen zu arbeiten und Kulturtechniken einzuüben“, so Rohnke. Viel wichtiger ist das Vorbildverhalten der Erwachsenen und anderer Kinder.
Daran entzünden sich auch immer wiederkehrende Alltagskonflikte mit Eltern. „Warum braucht ihr denn so lange für das Wickeln und Händewaschen?“, werde sie oft gefragt, berichtet Hosbach. Die Antwort: Weil Pflege in diesem Alter Bildung ist. Ganzheitliche Bildung im besten Sinne. Sie bittet das Kind um sein Einverständnis, wenn sie es wickeln will. Das braucht Feinfühligkeit und ein gutes Beobachten kleiner Nuancen von Gesten, schließlich können sich die wenigsten Wickelkinder verbal klar äußern. Das Kind lernt dabei: ich werde respektiert. Ich bin etwas wert. Niemand darf einfach über mich bestimmen! Sie spricht mit dem Kind, beschreibt, was sie tut, geht dabei auf seine Äußerungen, Gesten und Bewegungen ein. Kälte, Wärme, die sensitive Wahrnehmung auf der Haut, erste selbstständige Drehbewegungen auf dem Wickeltisch als zielgerichtete Handlungen – das sind Bildungserfahrungen, die grundlegend wichtig sind und absolut altersentsprechend.
„Ein eineinhalbjähriges Kind erreicht es nicht, wenn ich ihm eintrichtern will, dass sein Strampler rosa und sein Mützchen blau ist“, sagt Hosbach. Das ist erst im Kindergarten angebracht. Genau das sei aber wichtig, den Eltern zu erklären. Schließlich kann niemand erwarten, dass Mütter und Väter Expertinnen in Sachen Entwicklungspsychologie sind. Solche Erklärungen zeigen, dass die Erzieherinnen kompetent sind, dass sie wissen, was sie mit den Kindern machen. Dass sie gut beobachten und nicht nur einfach herumsitzen und die Kinder sich selbst überlassen. Dass die Kinder gut bei ihnen aufgehoben sind. Und dass sie bereit sind, sich und ihre Pädagogik zu hinterfragen. „Das ist eine wesentliche Grundlage für ein gutes Elterngespräch“, meint Hosbach, „die eigene Kompetenz zeigen und die Eltern in ihren Fragen und Beobachtungen ernst nehmen.“ Und es muss deutlich werden: Die Erziehungs- und Bildungsarbeit in der Krippe kann durchaus anders sein als in der Familie. Sie ist nicht besser und nicht schlechter, aber genauso wertvoll.
Konfliktpunkt: Mein Kind und die Gruppe
„Lisa isst morgens um 8 Uhr und schläft um 11. Sonst ist sie mir abends zu lange wach.“ Solche Äußerungen von Eltern hört Meike Hosbach immer wieder. Gemeint sind sie als Aufforderung, diesen Vorgaben zu folgen. Klar ist: Die Erzieherin gehört nicht zum Hauspersonal der Familie. Sie empfängt keine mütterlichen Weisungen und führt sie aus. Sie ist Fachfrau für frühkindliche Pädagogik, ihr Arbeitgeber ist der Träger der Kita. Gebunden ist sie an das pädagogische Konzept, auf dessen Grundlage das Jugendamt die Betriebsgenehmigung erteilt hat. Und das ist die Basis für die Erziehungs- und Bildungspartnerschaft mit den Eltern.
Im Gespräch über Ess- und Schlafgewohnheiten wird deutlich, dass die Erzieherin Lisa sehr genau beobachtet. Dass sie die Anzeichen für Müdigkeit erkennt. „Wir gehen nach Möglichkeit auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder ein“, sagt Hosbach. Allerdings sind die in der Gruppe sehr verschieden, was auch am unterschiedlichen Alter der Kinder liegt. „Dann kann sich nicht immer eine Erzieherin zehn Minuten Zeit nehmen, um ein Kind allein zum Schlafen zu bringen, insbesondere, wenn die anderen gerade ein großes Bewegungsbedürfnis haben oder raus gehen wollen.“ Selbstverständlich gibt es aber Ruhemöglichkeiten, die die Kinder selbstständig aufsuchen können. Dass Lisa in ihren Bedürfnissen gesehen wird, war der Mutter im Gespräch sehr wichtig. Dass eine Notwendigkeit besteht, sich den Rhythmen der Gruppe anzupassen, wollte sie nur schwer einsehen. „Aber auch das ist eine Entwicklungsaufgabe für Kinder“, meint Hosbach, „zu erkennen, wie eigene Bedürfnisse und Gruppenbedürfnisse ausgehandelt werden.“ Der respektvolle Umgang der Erzieherinnen mit den Kindern ist hierfür Basis und Modell.
Das gilt selbstverständlich auch für die Beziehung zwischen Eltern und Erzieherin. Sind sie in der Lage, Meinungsverschiedenheiten auszuhalten und Konflikte auszutragen, sind sie hierin ein Modell für die Kinder. Schwelen Konflikte längere Zeit, spüren die Kinder die Missstimmung und geraten schlimmstenfalls in Loyalitätsprobleme. Denn dass es allen Personen, die für sie wichtig sind, gut geht und dass alle miteinander auskommen – das wollen alle Kinder.
Ralf Ruhl
Nutzen Sie auch den Leitfaden für Elterngespräche. Diesen können Sie hier downloaden.